Politik

NDR-Journalist: Politische Morde sind auch heute möglich

Lesezeit: 6 min
28.11.2017 01:29
Der NDR-Journalist Patrik Baab hat in umfangreichen Recherchen dokumentiert, dass Politiker, die nicht nach den Regeln spielen, ihr Leben riskieren.
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Der Journalist Patrik Baab – Redakteur beim öffentlich-rechtlichen Norddeutschen Rundfunk (NDR) – und der ehemalige Berater des Pentagon, Robert Harkavey, kommen nach jahrelangen Recherchen zu dem Schluss, dass Olof Palme, Uwe Barschel und William Colby mit Wissen oder im Auftrag der CIA ermordet worden sind. Sie alle waren in den internationalen Waffenhandel verstrickt und als Mitwisser der CIA gefährlich geworden. Eine parlamentarische und rechtsstaatliche Kontrolle der Dienste erfolgte und erfolgt damals wie heute de facto nicht.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Der Untertitel Ihres Buches lautet: „Warum wurden Olof Palme, Uwe Barschel und William Colby ermordet?“ Das steht also zweifelsfrei fest?

Patrick Baab: Beim Mord an Olof Palme am 28. Februar 1986 liegen die Dinge klar. Uns liegt ein Dokument des Secret Operations Planning Staff, also des Leitungsgremiums der NATO-Geheimarmee „Stay Behind“ vor. Dieses Protokoll trägt den Stempel „Cosmic“. Das ist die höchste Geheimhaltungsstufe der NATO. Danach wurde im Kreis der NATO-Geheimdienste der Mord an Olof Palme organisiert. Der Grund: Palme plante im Frühjahr 1986 einen Besuch bei Michail Gorbatschow in Moskau. Dabei sollte es auch um eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa und ein neutrales Skandinavien gehen. Dies widerstrebte den strategischen Plänen der NATO. Sie sahen im Kriegsfall einen Präventivschlag gegen die sowjetischen Militärbasen auf der Halbinsel Kola vor. Dazu waren die militärischen Einrichtungen der NATO in Skandinavien, insbesondere in Norwegen, zwingend erforderlich. Uwe Barschel wurde am 11. Oktober 1987 – also vor genau dreißig Jahren – tot in einer Badewanne des Hotels Beau Rivage in Genf aufgefunden. Die toxikologischen Befunde, die Spuren am Tatort und sein Doppelleben deuten auf Mord. Barschel starb an einer Medikamentenvergiftung. Doch die Abbaustufen der Präparate in seinem Körper zeigen, dass er zunächst die Sedativa, dann das tödliche Gift aufnahm. Er selbst wäre zur Zuführung des Giftes nicht mehr in der Lage gewesen. Im Hotelzimmer finden sich Spuren des Kontaktgiftes Dimethylsulfoxid. Man benutzt es, um Stoffe durch die Haut in den Körper einzubringen. Dies macht bei einem Suizid keinen Sinn.

Wir haben bei Barschel auch zahlreiche Hinweise auf ein Doppelleben zusammengetragen. So war er verstrickt in den Iran-Contra-Waffenhandel und hat mehreren Quellen zufolge nach seinem politischen Sturz mit der Preisgabe seines Wissens gedroht. Der frühere CIA-Direktor William Colby ist angeblich bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen. Doch dies kann nicht stimmen. Seine Leiche wurde Tage später entgegen der Strömungsrichtung aufgefunden. Sie wies keinen Vogelfraß auf, es befand sich kein Wasser in der Lunge. Colbys Körper muss dort abgelegt worden sein. Allen dreien war gemeinsam, dass sie für CIA und NATO-Geheimdienste zur Gefahr wurden – sei es, weil sie deren Plänen zuwiderhandelten oder weil sie Kenntnisse hatten, die nicht in die Öffentlichkeit gelangen durften.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Das alles ist 30 bzw. 20 Jahre her. Können wir heute noch etwas aus diesen Morden lernen?

Patrick Baab: Ja. Denn die Methoden der CIA haben sich seitdem nicht verändert. Sie umfassen, damals wie heute, neben Aktivitäten wie Spionage, Beeinflussung der Medien und Operationen unter falscher Flagge auch „Targeted Killings“, also gezielte Tötungen. Zum Instrumentenkasten der CIA – und anderer Geheimdienste natürlich auch – gehören daneben verdeckte Operationen mit dem Ziel, missliebige Regime zu beseitigen. Im Rahmen dieser verdeckten Operationen werden auch Aufträge an Subunternehmer ausgelagert – das „Secret Service Subcontracting“. Dies hat auch das Ziel, beim Auffliegen einer Maßnahme jederzeit glaubhaft bestreiten zu können, daran beteiligt gewesen zu sein – „Plausible Deniability“. Zudem gab es rund um die Iran-Contra-Affäre breit angelegte Säuberungsaktionen: Spuren wurden beseitigt, Mitwissen aus dem Weg geräumt. In allen drei Fällen – Palme, Barschel, Colby – haben im Nachhinein staatliche Stellen massiv die Ermittlungen beeinflusst. Auch dies ist Thema in unserem Buch.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Warum war Barschel für die CIA gefährlich? Und warum musste Olof Palme sterben?

Patrick Baab: Barschel hatte schon früh Kontakte zur CIA. Diese Kontakte sind spätestens seit 1982 nachgewiesen. Dies ist Teil der Ermittlungsakte Barschel in Lübeck. Er war als Notar mit seinem Partner Hans-Michael Moll als eine Art Treuhänder in den Waffenhandel involviert. Wir wissen, dass auch Moll Kontakte zur CIA hatte. Barschel war Mitwisser in der Iran-Contra-Affäre und wurde als solcher für die CIA gefährlich, als er damit drohte „auszupacken“. Es gibt Hinweise aus Geheimdienstkreisen, dass er von dem späteren CIA-Direktor Robert Gates nach Genf bestellt worden ist. Dem widerspricht auch nicht, dass Barschel vor seinem Flug von Gran Canaria in die Schweiz auch Flüge mit dem Ziel Zürich gesucht hat. Die Finanzierung der illegalen Waffengeschäfte lief über Schweizer Konten. Seine heimlichen Reisen in die DDR und seine zahlreichen Reisen in die Schweiz können als Pendelbewegung zwischen den Geschäftspartnern gedeutet werden.

Olof Palme strebte ein neutrales Skandinavien an und stand damit der NATO-Militärstrategie im Wege. Daneben hat er die illegalen schwedischen Waffenexporte im Rahmen der Iran-Contra-Affäre zumindest zeitweise gestoppt, nachdem die Sache durch Razzien des schwedischen Zolls an die Öffentlichkeit gekommen war. Allerdings muss man bedenken, dass das demokratische Schweden ein großer Waffenexporteur war. Viele von Schwedens großen schwedischen Konzernen – Kockums, Bofors, Saab, Dynamit Nobel – sind auch Rüstungsschmieden. Palme selbst war auch als Waffen-Lobbyist unterwegs. So fädelte er einen milliardenschweren Export von Bofors-Haubitzen an Indien ein. Damals galt den Schweden ihr Land als „Volksheim“, als vorbildlicher Sozialstaat. Doch dies hatte seinen Preis – und dazu gehörten auch Waffenexporte. Eine schwedische Schizophrenie.

William Colby hat nach dem Zweiten Weltkrieg die NATO-Geheimarmee „Stay Behind“ in Italien und im neutralen Schweden aufgebaut. Das wissen wir von ihm selbst, er beschreibt es in seinen Memoiren. Deshalb war er nach Angaben eines ehemaligen CIA-Mitarbeiters Teil der Befehlskette, über die der Mord an Palme 1986 in Gang gesetzt wurde. Er hätte, wären die Hintergründe des Mordes an Palme ans Licht gekommen, die politische Karriere von George Bush dem Älteren gefährden können.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Also hängen all diese Morde direkt oder indirekt mit der Iran-Contra-Affäre zusammen?

Patrick Baab: Ja. Bedenken Sie, dass das, was über die Iran-Contra-Affäre ans Licht gekommen ist, nur die Spitze des Eisbergs darstellt. Sie hätte wesentlich höhere Wellen schlagen können als sie es letzten Endes getan hat. Deswegen wurde die CIA aktiv, allerdings hat sie andere Akteure zwischengeschaltet. Das ist bei heiklen Aufträgen gängige Praxis. Sie dient dazu, Spuren zu verwischen und für eine „plausible deniability“ zu sorgen. In Europa konnten sie in den 80ger Jahren auf das NATO-Netzwerk „Stay Behind“ zurückgreifen. „Stay Behind“ war eine Organisation aller NATO-Geheimdienste, die von der CIA aufgebaut wurde. Auch schwedische und israelische Geheimdienste waren hier mit im Boot.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie wurde der Waffenhandel seinerzeit organisiert? Und wie ist das heute?

Patrick Baab: Waffen werden gerne über Drittländer geliefert und dann umdeklariert. So wurden die Waffen, welche die USA an die anti-sandinistischen Contra-Rebellen in Nicaragua – die mit Hilfe der CIA erst entstanden sind – lieferten, auch in Osteuropa angekauft. Offiziell standen die sowjetkommunistischen Regime natürlich an der Seite der sandinistischen Regierung. Aber man brauchte dringend Devisen. Der ehemalige Mossad-Agent Ari Ben-Menashe beschreibt wie auch der Waffenhändler Hermann Moll, wie diese Geschäfte in Polen und anderen Ostblockstaaten eingefädelt wurden.

Zur Zeit von Uwe Barschel war der DDR-Ostseehafen Rostock-Warnemünde eine Drehscheibe für den Waffenhandel zwischen Ost, West, Nord und Süd. Eine weitere Möglichkeit ist die Lieferung von kriegswichtigen Gütern über Diplomatenflüge. So wurden beispielsweise Baupläne für U-Boote der Kieler Werft HDW im Diplomatengepäck an das Apartheidregime nach Südafrika geliefert. Dies hat der sogenannte U-Boot-Untersuchungsausschuss ans Licht gebracht. Man wollte Südafrika als informellen Verbündeten der NATO aufrüsten und auf der Kieler Werft damit auch Arbeitsplätze sichern. Heute gib es Indizien, dass die CIA Terrorgruppen in Syrien über Diplomatenflüge mit Waffen aus osteuropäischer Produktion beliefert und sich hierfür einer aserbaidschanischen Airline bedient. Aber auch aus Libyen gelangten Waffen an die Anti-Assad-Kräfte, wie der Politikwissenschaftler Michael Lüders nachweisen konnte.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Geheimdienste ein Staat im Staate? Auch in Deutschland?

Patrick Baab: Nach den Anschlägen vom 11. September wurden die Rechte der Geheimdienste massiv ausgeweitet und ihnen steht nun auch mehr Geld zur Verfügung, offiziell um „den Terrorismus zu bekämpfen“. Dabei hat die mangelnde Aufklärung der NSA-Affäre in Deutschland gezeigt, dass die amerikanischen Geheimdienste in Deutschland massiv Einfluss geltend machen. Und Ex-Präsident Barack Obama hat auch deutlich gemacht, dass dies so bleiben wird. Gleichwohl ist Deutschland nach der Wiedervereinigung zumindest formal ein souveränes Land und ich würde mir mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit den Aktivitäten der amerikanischen und britischen Geheimdienste wünschen. In einem Rechtsstaat kann nicht hingenommen werden, dass Geheimdienste faktisch einen unkontrollierten Staat im Staate darstellen. Allerdings gibt es in der Bundesrepublik keinen politischen Willen, an diesen Zuständen etwas zu ändern. Und auch die öffentliche Meinung erscheint mir hier leidenschaftslos.

***

Patrik Baab ist Politikwissenschaftler und Journalist beim NDR und hat u. a. an den ARD-Filmen „Der Tod des Uwe Barschel – Skandal ohne Ende“ (2007), „Der Tod des Uwe Barschel – die ganze Geschichte“ (2008) sowie „Uwe Barschel – das Rätsel“ (2016) mitgewirkt. Er ist Lehrbeauftragter für praktischen Journalismus an der Christian-Albrechts-Universität Kiel und an der Hochschule für Medien Kommunikation und Wirtschaft in Berlin. Sein letztes Buch „Im Spinnennetz der Geheimdienste“ erschien im Westend-Verlag.

P. Baab, R. Harkavy: „Im Spinnennetz der Geheimdienste - Warum wurden Olof Palme, Uwe Barschel und William Colby ermordet?“. Westend-Verlag , 384 Seiten, 24,- €. Bestellen Sie das Buch hier direkt beim Verlag.

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