Politik

Saudi-Arabien enteignet Prinzen und Geschäftsleute, friert Assets ein

Saudi-Arabien hat die Assets der Verhafteten der jüngsten Säuberung eingefroren. Dies könnte für zahlreiche westliche Unternehmen Konsequenzen haben.
07.11.2017 01:18
Lesezeit: 4 min

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Die Verhaftung des bekannten saudischen Prinzen Alwaleed bin Talal könnte sich negativ auf zahlreiche Unternehmen im Westen auswirken, an denen bin Talal beteiligt ist. Völlig unklar ist derzeit beispielsweise, ob der Verhaftung eine Konfiszierung des Besitzes folgen wird und welche Auswirkungen dies auf die betreffenden Unternehmen haben wird, zu denen viele weltweit bekannte Namen gehören. Denn die saudische Regierung hat angekündigt, das Eigentum der Verhafteten zu beschlagnahmen.

Beamte in Saudi-Arabien haben laut Daily Mail die Bankkonten von 11 Prinzen und 38 ehemaligen Regierungsministern, Abgeordneten und Geschäftsleuten, die in Fünfsternehotels in der Hauptstadt Riad festgehalten werden, eingefroren. Die Verhafteten werden im Ritz in Raid festgehalten, weil es in Saudi-Arabien kein Gefängnis für Prinzen gäbe, berichtet die New York Times.

Die Maßnahme betrifft offenkundig auch Alwaleed bin Talal.

Das saudische Informationsministerium erklärte, dass die Regierung jeden Vermögenswert oder jedes Eigentum beschlagnahmen würde, das mit der angeblichen Korruption zusammenhängt. Das bedeutet, dass unter anderem Londons Savoy Hotel Staatseigentum im Königreich werden könnte. "Die Konten und Salden der Inhaftierten werden geöffnet und eingefroren", sagte ein Sprecher des Informationsministeriums von Saudi-Arabien der Daily Mail. "Jeder Vermögenswert oder jedes Eigentum im Zusammenhang mit diesen Korruptionsfällen wird als Staatseigentum registriert."

Saudi-Arabiens Justiz will die unter Korruptionsverdacht festgenommenen Prinzen, Minister und Ex-Minister "rasch" vor Gericht stellen. Es sei bereits viel Belastungsmaterial gesammelt worden, zudem fänden "ausführliche Befragungen" statt, erklärte Generalstaatsanwalt Scheich Saud al-Modscheb am Montag laut AFP. "Die Verfahren werden zügig und transparent erfolgen", kündigte er an.

Elf Prinzen, vier Minister und dutzende Ex-Minister waren am Samstag festgenommen worden. Ermittler entdeckten nach eigenen Angaben Beweise für "weit verbreitete Korruption". Drei Jahre lang hätten saudi-arabische Anti-Korruptions-Behörden dahingehend ermittelt. Diese Ermittlungen seien "diskret" erfolgt, sagte Generalstaatsanwalt Modscheb am Montag. Damit habe verhindert werden sollen, dass die Betroffenen die Flucht ergreifen. Die Festnahmen waren unmittelbar nach der Einsetzung einer Anti-Korruptions-Kommission unter Leitung des Kronprinzen Mohammed bin Salman erfolgt.

Bin Talal gilt einer Aufstellung von Bloomberg zufolge mit einem persönlichen Netto-Vermögen von etwa 19 Milliarden Dollar als fünfzigstreichster Mensch der Welt. Über ein komplexes Geflecht verschiedener Holdinggesellschaften – dessen Schwerpunkt die von bin Talal kontrollierte und mit etwa 35 Milliarden Dollar ausgestattete Kingdom Holding ist – verwaltet der Prinz seine Beteiligungen bei Technologieunternehmen, Banken und Medienhäusern.

Zu den wichtigsten Investitionen des Prinzen gehört seine Beteiligung bei der US-amerikanischen Großbank Citigroup. Dort ist bin Talal nach eigener Aussage der größte Einzelinvestor. „Prinz Alwaleed ist seit dem Jahr 1991 ein prominenter Investor bei der Citigroup durch Kingdom Holding, welche in 160 Ländern der Welt aktiv ist, und der größte Einzelaktionär der Bank. Im Jahr 2008 beteiligte sich Prinz Alwaleed an einer 12,5 Milliarden Dollar schweren Ausgabe bevorzugter, in Aktien konvertierbarer Wertpapiere der Citigroup. Diese neue Direktinvestition wurde zusammen mit anderen internationalen Investoren getätigt. Der Prinz wandelte seine bevorzugten Aktien im Jahr 2009 in allgemeine Aktien mit Stimmrecht um“, heißt es auf der Homepage der Kingdom Holding vom März 2017. Der Aktienkurs der Citigroup lag am Montag Nachmittag in Frankfurt mit etwa 0,5 Prozent im Minus. Im frühen New Yorker Handel gab es Verluste von etwa 1 Prozent.

Bin Talal hatte in der Vergangenheit mehrfach darauf gedrängt, dass die Citigroup nach Saudi-Arabien zurückkehren solle, nachdem ihr dort vor 13 Jahren die Banklizenz entzogen worden war. Die Rückkehr ist für Jahresende vorgesehen, durch die Verhaftung bin Talals haben sich die Umstände jedoch drastisch verändert.

Zu den Unternehmen, in die bin Talal investiert hat, gehört auch Apple. Im Jahr 1997 erwarb der Prinz 6,23 Millionen Aktien des Technologieunternehmens für 115,4 Millionen Dollar und verfügt damit über einen Anteil von etwa 5 Prozent, berichtet Bloomberg. Der Aktienkurs von Apple lag im frühen Handel in New York mit etwa 0,5 Prozent im Plus.

Im Jahr 2011 investierte bin Talal zudem 300 Millionen Dollar in den Kurznachrichtendienst Twitter. Aus einer Bekanntmachung vom Februar des laufenden Jahres geht hervor, dass er 4,9 Prozent an Twitter hält, nachdem er bis Dezember 2015 über 5,1 Prozent verfügte. Der Aktienkurs von Twitter lag am Nachmittag in Frankfurt mit etwa 0,5 Prozent im Minus.

Aus europäischer Sicht interessant ist bin Talals Beteiligung an der größten Hotelkette des Kontinents, Accor. Die Tochterholding Kingdom Hotel Investments besitzt 5,7 Prozent an Accor, wie aus Daten von Bloomberg hervorgeht. Der Aktienkurs von Accor lag am Nachmittag in Paris mit rund 0,4 Prozent im Minus.

Beteiligungen hält die Kingdom Holding zudem wahrscheinlich an Twenty-First Century Fox. Ende Dezember 2015 handelte es sich dabei um 4,98 Prozent. Wie hoch der Umfang des Aktienanteils derzeit ist, ist nicht bekannt. Der Aktienkurs von Twenty-First Century Fox lag im frühen New Yorker Handel mit etwa 0,5 Prozent im Plus.

Bei dem chinesischen Internethändler JD.com war Kingdom Holding im Jahr 2013 eingestiegen. Bin Talal führte eine Gruppe von Investoren an, die gemeinsam für umgerechnet 400 Millionen Dollar Aktien kauften. Im Jahr 2015 stieg er zudem in den Mitfahrdienst Lyft ein und hält dort einen Aktienanteil von wahrscheinlich deutlich über 5 Prozent.

In Saudi-Arabien selbst hält Kingdom Holdings in verschiedenen Branchen Anteile, beispielsweise einen 16,2-prozentigen Anteil bei der saudischen Tochtergesellschaft der Credit Agricole. Damit ist Kingdom Holding der größte Aktionär der Bank. Umfangreiche Beteiligungen gibt es auch in der Immobilienbrache und Petrochemie des Landes.

Die Verhaftungswelle – welche neben bin Talal auch hochrangige Militärs, andere Prinzen und Beamte traf – hat inzwischen auch das weltgrößte Erdölunternehmen Saudi Aramco erreicht. Ein Direktor der Gesellschaft – der frühere Finanzminister Ibrahim Al-Assaf – wurde festgenommen sowie ein Mitglied des Aufsichtsrates nach Angaben von Bloomberg von seinem Posten enthoben.

Aramco arbeitet seit Monaten an einem Teil-Börsengang, welche viele Milliarden Dollar einbringen soll. Die Erlöse sollen dazu genutzt werde, die saudische Wirtschaft breiter aufzustellen und die Abhängigkeit von den Öleinnahmen zu verringern. Der im Juni gekürte Kronprinz Mohammed bin Salman hatte in der Vergangenheit auf die Teilprivatisierung gedrängt. Bin Salman ist es auch, der die Verhaftungswelle vorangetrieben hat.

In letzter Zeit wurden nicht nur Zweifel am von den Saudis dargestellten Gesamtwert von Saudi Aramco laut, sondern der Starttermin für das Projekt wurde immer weiter verschoben. Zuletzt kamen Gerüchte auf, der Teilbörsengang werde abgeblasen und die Chinesen würden direkt in Aramco investieren.

Unter dem Eindruck der innenpolitischen Lage in Saudi-Arabien haben die Anleger am Terminmarkt am Montag auf steigende Ölpreise gesetzt. Nordseeöl der Sorte Brent verteuerte sich um 1,3 Prozent auf 62,90 Dollar je Barrel (159 Liter) – das ist der höchste Stand seit Juli 2015. US-Leichtöl WTI kostete mit 56,28 Dollar 1,2 Prozent mehr – ebenfalls ein Zweieinviertel-Jahres-Hoch. Berücksichtige man unter anderem die am Wochenende im Libanon ausgebrochenen Regierungskrise nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Saad al-Hariri, würden die Spannungen im Nahen Osten förmlich sichtbar, erklärte Commerzbank Analystin Barbara Lambrecht. Fundamentaldaten rückten dadurch in den Hintergrund.

Analysten vermuten jedoch nicht, dass Saudi-Arabien seine Politik auf dem Ölmarkt ändern wird. Das OPEC-Kartell dürfte die Vereinbarung mit Partnerländern wie Russland über eine im März 2018 auslaufende Förderbremse verlängern, erwarten viele Anleger. Die Preise wurden auch von den jüngsten Daten aus den USA getrieben: Demnach war die Zahl der aktiven Bohrlöcher überraschend gefallen. Die Analysten von Barclays erhöhten ihre Preisprognose für das laufende vierte Quartal um sechs auf 60 Dollar je Fass. Am Terminmarkt setzen aktuell so viele Anleger wie noch nie auf steigende Ölpreise.

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