Politik

Europas Politiker nervös: USA verschärfen Gangart im Währungskrieg

Lesezeit: 4 min
26.01.2018 02:30
Die USA steigen offenbar aktiv in einen globalen Währungskrieg ein. Die Politiker der Euro-Zone sind nervös – auch, weil ihnen die EZB aktuell nicht zu Hilfe eilen kann.
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US-Finanzminister Steven Mnuchin hat beim Weltwirtschaftsforum in Davos mit Äußerungen über den Dollarkurs Befürchtungen vor einer weiteren handelspolitischen Konfrontation der US-Regierung von Donald Trump geweckt. "Offensichtlich ist ein schwächerer Dollar gut für uns", hatte Mnuchin am Mittwoch gesagt. Damit deutete der Finanzminister eine mögliche Abkehr von der traditionellen US-Regierungspraxis an, die eigene Währung nicht schlechtzureden – und schickte den Dollar zeitweise auf Talfahrt.

Ein schwächerer Dollar sei "gut, weil dies mit Handel und Chancen zu tun hat", sagte Mnuchin am Mittwoch in Davos. Am Donnerstag bekräftigte er, er sei "nicht besorgt" über die kurzfristige Entwicklung des Dollar-Kurses. Die Stärke der US-Wirtschaft werde sich in der "langfristigen" Dollar-Entwicklung widerspiegeln, sagte der frühere Wall-Street-Banker beim Weltwirtschaftsforum, das als Bastion der Befürworter eines freien Handels gilt.

Allerdings steckt hinter der Aussage des früheren Goldman-Bankers Mnuchin mit Sicherheit Kalkül: Ein Banker seines Formats weiß, welche Folgen die Aussagen des US-Finanzministers haben. Ein Ausrutscher oder eine unbedachte Aussage kann ausgeschlossen werden, wie auch der Kommentar von US-Handelsminister Wilbur Ross zeigt. Ross kommentierte die Aussagen Mnuchins lakonisch und sagte: "Es gibt seit einiger Zeit einen Handelskrieg. Der Unterschied besteht darin, dass die US-Truppen jetzt in Stellung gebracht werden." Tatsächlich hatte Trump zu Beginn seiner Amtszeit China und der Euro-Zone vorgeworfen, ihren Währungen künstlich zu schwächen.

Beobachter werteten Mnuchins Äußerungen als mögliches grünes Licht des Weißen Hauses für eine Schwächung des Dollars, um damit Ausfuhren aus den USA billiger zu machen und so US-Exporteure gegenüber Unternehmen aus China und anderen Ländern zu stärken. Allerdings könnte noch ein anderer Gedanke hinter dem Ziel einer Dollar-Schwächung stecken: Die US-Konsumenten, die in den vergangenen Jahren auf Pump die Weltkonjunktur angekurbelt hatten, sind immer noch massiv verschuldet: Erst Anfang des Jahres haben die Schuldenstände der Amerikaner einen Höchststand erreicht. Mit der Schwächung des Dollar könnten die amerikanischen Schulden weginflationiert werden. Dies würde den Haushalten und dem Staatshaushalt nützen, der ebenfalls massiv überschuldet ist.

Dieser Aspekt von "America first" würde, wenn der schwache Dollar zum Trend wird, ein Problem für viele andere Staaten bedeuten, vor allem für die Schwellenländer: Die globalen Dollar-Schulden sind ebenfalls auf Rekordhöhe. 

Der Finanzexperte Achim Dübel sieht in der Entwicklung eine gewisse Logik. Dübel sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: "Die interessante Frage ist, warum der Dollar im Laufe des Jahres 2014 so stark an Wert gewonnen hat. Wir wissen, dass unter anderem, aber nicht unwesentlich, eine konzertierte Anstrengung unternommen wurde, den Euro vor einem möglichen Italexit zu retten. Wir wissen auch, dass die neue US-Regierung den größten Teil ihres ersten Amtsjahres wegen der zukünftigen Strategie zerrissen war. Aber schauen Sie sich die Korrelation zwischen US-Industrieproduktion und USD/EUR an, dies war für die USA nicht haltbar. Jetzt haben sie sich entschieden und die Strategie scheint klar zu sein: Nach Europa zuerst ist es jetzt Amerika zuerst."

Analysten sahen den Dollar, der sich bereits seit geraumer Zeit im Abwärtstrend befindet, nach Mnuchins Äußerungen folglich weiter unter Druck. Während bereits bekannt gewesen sei, dass die US-Regierung einen schwächeren Dollar favorisiere, machten die Äußerungen des Finanzministers die US-Währung nun "anfällig und verteidigungslos", sagte Analyst Stephen Innes vom Finanzmarktspezialisten Oanda der AFP. Dies öffne die Schleusen für eine "massive" Verkaufswelle.

Entsprechend nervös sind die europäischen Politiker – denn sie können den Euro nicht nach Belieben schwächen. Italiens Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan hatte erklärt, es sei besonders besorgniserregend, wenn die USA den Kurs des Dollar zu sehr herunterredeten. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire forderte, Währungen sollten die wirkliche Stärke einer Volkswirtschaft widerspiegeln. Dies sei die Position der sieben führenden Industrienationen (G7) und er hoffe, dies gelte auch weiterhin, sagte Le Maire mit Blick auf die Dollarschwäche.

Trump hat sich eher langfristig-taktisch zu einem Währungskrieg geäußert: "Der Dollar wird stärker und stärker und am Ende möchte ich einen starken Dollar sehen", sagte Trump am Donnerstag in einem Interview des Senders CNBC. Gegensätzliche Äußerungen von Mnuchin vom Vortag seien aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben worden, sagte Trump.

Der Dow-Jones-Index gab nach Trumps Äußerungen Gewinne ab. Der Dollar legte zu.

Trump sagte, der Wechselkurs solle "sein, was er ist. Er sollte auch auf Grundlage der wirtschaftlichen Stärke des Landes gründen – wir stehen so gut da", sagte der Präsident.

Die Hoffnungen der Euro-Politiker auf eine erneute Rettung durch EZB-Präsident Mario Draghi wurden am Donnerstag jedenfalls enttäuscht. Draghi hat Markt-Spekulationen auf steigende Zinsen am Donnerstag nicht eingedämmt und damit den Euro weiter in die Höhe getrieben. Obwohl sich der oberste Währungshüter der Euro-Zone sorgenvoll über die jüngste Rally der Gemeinschaftswährung äußerte, zog der Kurs um ein Prozent auf ein Drei-Jahres-Hoch von 1,2536 Dollar an. "An den Finanzmärkten hat man sich hinsichtlich verbaler Interventionen wohl mehr erhofft", sagte Ökonom Thomas Gitzel von der VP-Bank.

Aktienanlegern schmeckte der Euro-Höhenflug gar nicht. Sie fürchten, dass sich dadurch die Wettbewerbschancen der Firmen in der Euro-Zone verschlechtern, weil sich ihre Waren im Welthandel verteuern. Der Dax verlor 0,9 Prozent auf 13.298,36 Punkte, der EuroStoxx50 gab 0,4 Prozent auf 3630,15 Zähler nach. "Geht die Rally im Euro jetzt unvermindert weiter, muss sich der Dax wohl oder übel bald wieder mit der 13.000er statt der 14.000er Marke auseinandersetzen", sagte Marktanalyst Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets laut Reuters.

Draghi betonte, die jüngsten Schwankungen des Euro seien "eine Quelle der Unsicherheit". Anleger spekulieren seit einigen Wochen verstärkt darauf, dass die EZB bald die Zinswende einläutet. Seit der letzten Sitzung der Währungshüter verteuerte sich der Euro um sechs Prozent. Draghi sagte, die Inflation, die seit Jahren unter dem EZB-Ziel von knapp zwei Prozent liegt, sei weiterhin zu gering. Eine Zinserhöhung noch in diesem Jahr sei deshalb ausgeschlossen. Derzeit liegt der Leitzins auf einem Rekordtief von 0,0 Prozent. Außerdem machte Draghi klar, dass die vor allem in Deutschland umstrittenen Anleihenkäufe noch bis mindestens Ende September 2018 fortgesetzt würden.

Seine Aussagen wirkten, als ob er testen wolle, wo die Schmerzgrenze für den Markt beim Euro-Kurs liege, kommentierte Portfoliomanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. Analyst Christoph Kutt von der DZ Bank sagte Reuters, viele Marktteilnehmer hätten mit mehr als einer Wiederholung frührer Aussagen gerechnet. "So scheint Draghi zumindest heute den Ball daneben geschossen zu haben, den die Marktteilnehmer ihm auf den Elfmeterpunkt gelegt hatten – wenn der Plan gewesen ist, Euro und Zinsen wieder einzufangen."

Eine Veränderung der Ausgangsposition für die Euro-Zone wäre nur denkbar, wenn die Politik Zugriff auf den Wechselkurs des Euro bekommen könnte. Schon vor Jahren hatten mehrere französische Politiker – unter anderem der heutige EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici – gefordert, die Euro-Politiker müssten in die Lage versetzt werden, der EZB Vorgaben für den Wechselkurs zu machen. Die Pläne wurden zunächst nicht weiter verfolgt. Der neue französische Präsident Emmanuel Macron hat sich zwar sehr explizit  für eine stärkere Integration des Euro-Raums ausgesprochen, die alte französische Forderung einer gezielten Verschiebung der Kräfte hin zu einer politisch gesteuerten EZB jedoch bisher nicht aufgegriffen.


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