Politik

Deutschland will Trump bei Rüstung und Energie entgegenkommen

Lesezeit: 5 min
20.03.2018 23:30
Deutschland will den Handelskrieg mit den USA offenbar durch ein Entgegenkommen bei Rüstung und Energie abwenden.
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Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier kommt mit einer differenzierten Botschaft zu seinen Gesprächen in Washington. Um einen Handelskrieg mit den USA abzuwenden und Strafzölle zu verhindern, könnte Altmaier den Amerikanern Entgegenkommen in zwei anderen Bereichen bieten: So bekennt sich die Bundesregierung ausdrücklich zu der von US-Präsident Donald Trump geforderten Erhöhung der Militär-Ausgaben und will sich dem von den USA geforderten Zwei Prozent-Ziel zügig annähern. Im Energiebereich will die Bundesregierung ihr Interesse an Flüssiggas (LNG) ausdrücken. Über Flüssiggas möchten die Amerikaner den Russen Marktanteile im europäischen Energiemarkt abjagen. Der aktuelle Konflikt zwischen Großbritannien und Russland ist in diesem Zusammenhang zu sehen und zeigt, dass teilweise mit harten Bandagen gekämpft wird.

Deutschland wäre von Strafzöllen besonders in der Automobilindustrie betroffen. Aktuell sind die Zölle zwischen den USA und der EU nicht ausgewogen: US-Autos unterliegen einem 10 Prozent-Zoll, europäische Autos müssen dagegen in den USA nur 2,5 Prozent Zoll abführen.

Militär-Ausgaben

Altmaier hat daher vor seinem Antrittsbesuch in den USA nicht nur zur Gefahr eines Handelskrieges zwischen den USA und Europa Stellung genommen – sondern auch zum in der NATO vereinbarten Ziel, die Verteidigungsausgaben auf das Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen.

In einem Interview des CDU-Politikers mit der ARD wurde Altmaier gefragt: "Nun fordert die amerikanische Seite explizit ja auch mehr militärisches Engagement, auch von Deutschland. Wir haben das gerade gehört. Sind Sie denn bereit, überhaupt über so was zu reden, oder sagen Sie ganz klar: Sorry, das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun?" Altmaier darauf wörtlich: "Ich glaube, dass es da keinen direkten Link gibt. Aber richtig ist, dass sich die Europäer verpflichtet haben, bereits im Jahr 2014, damals war der heutige Bundespräsident noch Außenminister und Sigmar Gabriel, mein Vorgänger, als Wirtschaftsminister, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen bis zum Jahre 2024 in Richtung auf zwei Prozent. Daran fühlen wir uns gebunden. Das kann man sehen an der mittelfristigen Finanzplanung. Und da bin ich mir mit [Bundesfinanzminister] Olaf Scholz auch einig, dass wir den Koalitionsvertrag Schritt für Schritt umsetzen."

Energie

Die Bundesregierung versucht, eine LNG-Industrie in Deutschland aufzubauen, um die Abhängigkeit des Landes von Lieferungen aus Russland und Norwegen zu verringern, berichtet Bloomberg.

Die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums, Beate Baron, sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: “Deutschland hat eine gut ausgebaute Importinfrastruktur für Erdgas sowie ein engmaschiges internes Versorgungsnetz. Um auch in Zukunft einen hohen Grad an Versorgungssicherheit zu gewährleisten, unterstützt die Bundesregierung seit langem alle Initiativen, die zu einer weiteren Diversifizierung des Angebots führen – sei es nach Quellen oder nach Transportwegen. Ein eigener LNG-Terminal in Deutschland existiert derzeit nicht. Ein Terminal wäre begrüßenswert, da LNG als ein zentrales Diversifizierungsinstrument in der Zukunft zu sehen ist. Das BMWi begrüßt es grundsätzlich, wenn es  private Initiativen zum Bau eines LNG Terminals gibt.”

Mit der Erschöpfung der Gasvorräte aus Großbritannien in die Niederlande wird Deutschland in Zeiten politischer Spannungen mit der russischen Regierung kontinuierlich auf russische Energieträger angewiesen sein.

Bloomberg wörtlich: “Merkel denkt deshalb noch einmal über LNG nach und baut Terminale an der Nord- und Ostsee, die die Brennstoff- und Umleitungsanlagen in den benachbarten Niederlanden, Polen und Belgien umgehen könnten. Ihre neu gegründete Koalition hat einen ,Koalitionsvertrag’, der unter anderem eine Energieagenda mit LNG für die nächsten vier Jahre vorsieht.”

In dem Koalitionsvertrag heißt es: “Wir wollen Flüssiggas (LNG), Landstrom und Wasserstoff als umweltfreundliche Antriebe für Schiffe durch Verstärkung der Förderung im Bereich der See- und Binnenschifffahrt etablieren.”

Merkel fördert “alle Initiativen, die eine weitere Diversifizierung der Gasversorgung unterstützen - sei es aus verschiedenen Regionen oder durch Gastransporte, so die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums Beate Baron.

Weniger umweltbelastend als Kohle und Öl, spielt Erdgas eine zentrale Rolle bei den Bemühungen Deutschlands, die Wirtschaft bis 2050 klimaneutral zu machen. Dazu gehören auch die Bemühungen, Kohlekraftwerke zu schließen und in Wind- und Solarparks zu investieren.

Die AG Energiebilanzen e.V. berichtet: “Der Erdgasverbrauch erreichte eine Höhe von 3.231 PJ (110,2 Mio. t SKE) und lag damit um gut 6 Prozent über dem Vorjahr. Hauptgrund war der Anstieg des Einsatzes von Erdgas in den Kraftwerken zur Strom- und Wärmeversorgung. Infolge der vergleichsweise kühlen Witterung in einzelnen Monaten des abgelaufenen Jahres verzeichnete der Erdgaseinsatz für Heizzwecke ebenfalls Zuwächse. Auch die Industrie setzte mehr Erdgas zur Strom- und Wärmeerzeugung ein.”

Da Deutschland noch kein LNG-Terminal hat, musste das Gas bisher über Pipelines importiert werden.

In ganz Europa nimmt der LNG-Verbrauch zu. Die Importe in die 28 Mitgliedstaaten stiegen zum Ende des dritten Quartals auf das Jahr umgerechnet um 22 Prozent, wobei Länder wie Großbritannien und Spanien bei der Entwicklung der Import-Kapazität führend gewesen sind.

Die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB Gas) hat ein Zehn-Jahres-Entwicklungsprogramm mit sieben Milliarden Euro an Projekten aufgelegt. FNB Gas meldet in einer Mitteilung: “Mit dem NEP Gas 2018-2028, der ein Investitionsvolumen von rund 7,0 Milliaren Euro bis Ende 2028 vorsieht, zeigen die FNB Maßnahmen auf, wie die sichere Versorgung Deutschlands mit Gas auch in Zukunft gewährleistet sein wird (...). Im NEP Gas 2018-2028 finden ebenfalls erstmals Kapazitäten in Verbindung mit einem geplanten deutschen LNG-Terminal in Brunsbüttel Berücksichtigung.”

Dazu gehört auch das Import-Terminal Brunsbüttel an der Elbe, der bis zu 600 Millionen Dollar kosten und bis Ende 2022 Deutschlands erste LNG-Anlage werden soll.

Nach Angaben von Baron unterstützt das Bundeswirtschaftsministerium “nachdrücklich private Initiativen zum Bau eines Terminals - einschließlich der laufenden Bemühungen in Brunsbüttel bei Hamburg”.

Neben dem LNG-Terminal in Brunsbüttel arbeitet der Energieversorger RWE AG an einem weiteren LNG-Terminal am Duisburger Rhein. Der Europäischen Fonds für regionale Entwicklung fördert dieses Projekt mit 740.000 Euro, so die RWE AG in einer Mitteilung. Die Gesamtkosten für den Bau des LNG-Terminals in Duisburg sollen sich auf 1,5 Millionen Euro belaufen.

In einem Schreiben an Bloomberg sagt der Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Bernd Buchholz, dass es einen “Handlungsbedarf gebe, um die Gasversorgung zu diversifizieren”.  LNG sei “ein sauberer Kraftstoff” , der “gut für Hamburg, die Region und für Deutschland” sei. “LNG wird dazu beitragen, die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Importen zu verringern”, so Buchholz.

Buchholz hatte zuvor das LNG-Projekt in Brunsbüttel als „gravierende industriepolitische Weichenstellung“, umschrieben, die das Industriezentrum Brunsbüttel kräftig voranbringen werde.

Währenddessen setzt sich Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Olaf Lies dafür ein, dass auch in Wilhelmshaven ein LNG-Terminal gebaut wird. Das niedersächsische Umweltministerium meldet in einer Mitteilung: “Wilhelmshaven eigne sich besonders als Standort, weil hier das Terminal auf kurzem Weg an das Erdgasfernleitungsnetz und die Untergrundspeicher angeschlossen werden kann. Auch ist der Hafen für LNG-Tanker jeder Größe erreichbar. Zudem könnte hier flüssiges LNG für die Schifffahrt bereitgestellt werden”.

Russland gelassen

Russlands Energieminister Alexander Nowak ist der Ansicht, dass der aktuelle diplomatische Streit zwischen Europa und Russland, der durch die Vergiftung des russischen Ex-Spions Sergej Skripal ausgelöst wurde, die russisch-europäischen Handelsbeziehungen nicht beeinträchtigen dürfe, da Europa etwa ein Drittel seines Gases aus Russland bezieht.

Der russische Präsident Wladimir Putin, der Russland nach dem Wahlsieg am Sonntag für weitere sechs Jahre regieren wird, hatte sein Land wiederholt als “Gas-Supermacht” angepriesen, während Europa verkündet hat, seine Gas-Ressourcen diversifizieren zu wollen. Russland ist Nowak zufolge der einzige Lieferant, der in der Lage sei, die Lieferungen nach Europa während starker Kälteperioden zu steigern. Dies habe sich nach Angaben im vergangenen Monat gezeigt. Russland hatte im Februar 2018 Großbritannien mit LNG versorgt.

“Sollten die Aussagen bezüglich alternativer Quellen für Gas statt Russland (russisches Gas, Anm. d. Red.) Realität werden, schadet dies in erster Linie den Verbrauchern (...). Sollte sich ein Unternehmen oder ein Land für einen anderen Anbieter entscheiden, glaube ich nicht, dass dieser Zustand für sie so vorteilhaft ist”, sagte Nowak in einem Bloomberg-Fernsehinterview in Moskau.

Großbritanniens Premierministerin Theresa May hatte im Verlauf der Skripal-Affäre gesagt, sie wolle Alternativen für russisches Gas finden. Großbritannien macht Russland für die Vergiftung von Skripal verantwortlich. Russland weist die Anschuldigung zurück.

Auf Nachfrage von Bloomberg, ob der Stopp russischer Gas-Lieferungen in die Ukraine den Ruf Russlands als Gas-Anbieter beschädigen würde, sagte Nowak: “Wir können die Einhaltung unserer Verpflichtungen garantieren (...). Wir tun das schon seit 50 Jahren und wir verfügen über die notwendigen Ressourcen, Fähigkeiten und Möglichkeiten, um unser Gas langfristig und zuverlässig nach Europa zu liefern”. Die Ukraine habe weiterhin die Chance, Russlands Partner bei Gaslieferungen zu bleiben, wenn das Land “wettbewerbsfähige” Bedingungen bereitstellt.

Nicht nur die neuen Pipeline-Projekte stehen im Fokus westlicher Kritik, sondern auch die Öl- und Gasförderprojekte in der Arktis. Der US-Energieriese Exxon wollte sich an den Bohrungen in der Arktis beteiligen. Allerdings musste das Unternehmen sein Vorhaben stoppen, da der US-Kongress die Russland-Sanktionen auf geplante Energie-Projekte erweiterte. Nowak meint, Russland werde seine Pläne für die Arktis-Bohrungen nicht stoppen. “Dies ist vor allem ein wirtschaftlicher Schaden für Exxon selbst, da es die Möglichkeit verloren hat, in Russland zu Vorzugskonditionen zu arbeiten (...). Und wie Sie wissen, verabscheut die Natur ein Vakuum und so entstehen neue Möglichkeiten für andere Investoren”, so Nowak.


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