Finanzen

Österreich: EZB steht am Beginn der geldpolitischen Wende

Lesezeit: 2 min
10.04.2018 17:22
Der österreichische Zentralbankchef Nowotny fordert die schnelle Einleitung einer geldpolitischen Normalisierung durch die EZB.
Österreich: EZB steht am Beginn der geldpolitischen Wende

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny dringt auf eine schrittweise Abkehr von der Politik des billigen Geldes. „Ich denke, dass jetzt die Zeit für eine stufenweise Normalisierung gekommen ist“, sagte der österreichische Notenbankchef am Dienstag in Wien. Die EZB stehe an einem geldpolitischen Wendepunkt.

Zunächst werde die Europäische Zentralbank ihr billionenschweres Anleihen-Kaufprogramm wohl bis zum Jahresende auslaufen lassen, sagte das EZB-Ratsmitglied am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Dies werde den Weg bereiten für die erste Zinserhöhung seit dem Jahr 2011. „Das ist die Struktur.“ Dabei sollten die Währungshüter graduell vorgehen, wobei zunächst der Einlagensatz angehoben werden könne.

Die Aussagen bewegten die Märkte. Der Euro sprang zeitweise auf ein Tageshoch von 1,2377 Dollar. „Ich würde kein Problem damit haben, in einem ersten Schritt von minus 0,4 Prozent auf minus 0,2 Prozent zu gehen und dann als zweiten Schritt den Leitzins einzubeziehen“, sagte Nowotny. Der Einlagensatz liegt seit März 2016 bei minus 0,4 Prozent. Ein negatives Vorzeichen bedeutet, dass Geldhäuser Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie bei der EZB über Nacht überschüssige Liquidität parken. Der Leitzins für die Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld steht seitdem bei 0,0 Prozent.

Um die Konjunktur und die Inflation anzuheizen, pumpen die Währungshüter seit drei Jahren über den Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren riesige Summen in das Finanzsystem. Die Geschäfte sollen noch bis mindestens Ende September fortgesetzt werden. Die meisten Beobachter gehen inzwischen davon aus, dass sie noch dieses Jahr gestoppt werden. Nowotny sagte, der nächste Schritte müsse es sein, die Zukäufe zu beenden und damit die aufgeblähte EZB-Bilanz zurückzufahren.

Eine andere Fraktion innerhalb der EZB vertritt der scheidende EZB-Vizepräsident Vitor Constanci. Er hat davor gewarnt, zu rasch auf eine straffere Geldpolitik umzuschalten. Die Inflation sei noch nicht dort angekommen, wo die EZB sie sehen möchte, sagte der Portugiese am Montag im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments zur Vorlage des Notenbank-Jahresberichts 2017. „Wir sollten vorsichtig sein, um zu vermeiden, dass eine frühe, stark restriktive Politik diese Entwicklung durchkreuzt.“

Constancio dürfte sich bewusst sein, dass insbesondere hochverschuldete Euro-Staaten wie Italien, Spanien, Portugal, Griechenland und Frankreich die Fortsetzung der geldpolitischen Unterstützung durch die EZB in Form tiefer Leitzinsen und weiterer Anleihe-Käufe brauchen, um ihre in Schieflage geratenen Haushalte zumindest noch kontrollieren zu können.

Beobachter erwarten aktuell, dass die EZB im Juni oder Juli ihre Pläne bekanntgeben wird, wie sie ihr auf 2,55 Billionen Euro angelegtes Anleihen-Kaufprogramm beenden will. Die Käufe waren in den vergangenen drei Jahren das zentrale Kriseninstrument der Notenbank, um die Konjunktur und die aus ihrer Sicht unerwünscht niedrige Inflation anzuschieben. Mehrere Währungshüter hatten zuletzt Übereinstimmung mit Markterwartungen signalisiert, nach denen nach einem Stopp der Käufe eine erste Anhebung von Schlüsselzinsen bis etwa Mitte 2019 möglich sei.

Zum exakten Zeitplan wollte sich Nowotny nicht äußern. Dazu sei es noch zu früh. Zu den jüngsten Kursschwankungen an den Börsen sagte er: „Ich denke, Zentralbank-Politik muss eine mittelfristige Strategie verfolgen.“ Der Handelsstreit zwischen den USA und China könne aber die Wechselkurse beeinflussen. Die Turbulenzen könnten Investoren dazu veranlassen, Geld in die Euro-Zone zu bewegen.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Im Kosovo rächen sich jetzt alte Fehler des Westens
04.06.2023

Die jüngsten Ausschreitungen im Kosovo hatten zwar einen aktuellen Anlass. Doch die Lunte an das Pulverfass war schon viel früher gelegt....

DWN
Finanzen
Finanzen Amerikas Bankenkrise, Teil 2: Welche Schäden verursachen die Zinsanstiege?
04.06.2023

DWN-Finanzexperte Michael Bernegger beschreibt, welche strukturellen Gründe hinter der Bankenkrise in den USA stehen - und warum diese...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktienmärkte: Unter der glitzernden Oberfläche brodelt es
04.06.2023

Oberflächlich betrachtet schlagen sich die US-Aktienmärkte gut. Das Fundament für den Aufschwung ist allerdings schwach. In vielen...

DWN
Finanzen
Finanzen Zinswende: Kommt eine zweite Inflationswelle – und wie schützen sich Anleger?
04.06.2023

Der Markt rechnet mit Zinssenkungen in diesem Jahr. Kritische Ökonomen befürchten eine Rezession und eine zweite Inflationswelle. Was...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Diebstahl und Gewalt machen US-Einzelhandel unprofitabel
04.06.2023

Der US-Einzelhandel leidet unter der ansteigenden Kriminalität. Der massive Anstieg von Diebstahl und Gewalt vernichtet den Profit. Das...

DWN
Immobilien
Immobilien Europas Immobilienmarkt droht weiteres Ungemach
03.06.2023

Die Immobilienunternehmen in Europa haben bereits historische Wertverluste hinnehmen müssen, doch wegen der steigenden Kreditkosten drohen...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietnomaden: So prüfen Vermieter die Bonität
04.06.2023

Die Qualität der Mieter hat großen Einfluss darauf, ob sich eine Mietimmobilie rechnet. Doch wie wählt man einen Mieter richtig aus? Wir...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Aktionäre verhindern Klima-Kampf in der Öl-Branche
04.06.2023

Vorstöße von Investoren einiger der größten Ölgesellschaften für mehr Klima-Maßnahmen sind gescheitert. Für die Mehrheit der...