Wirtschaft

Russland: Flüssig-Gas aus den USA ist nicht konkurrenzfähig

Amerikanisches Flüssiggas ist nach russischer Einschätzung wegen der hohen Kosten in Europa nicht konkurrenzfähig.
06.05.2018 22:48
Lesezeit: 2 min

Der Kampf um den europäischen Gasmarkt wird hinter den Kulissen mit harten Bandagen ausgetragen. So wollen Polen und die USA den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 mit aller Macht verhindern. Im Interesse Deutschlands und Westeuropas könne dies allerdings nicht liegen, sagt Konstantin Simonov, der Geschäftsführer des russischen National Energy Security Fund (NESF), den Deutschen Wirtschaftsnachrichten.

Simonov analysiert die Situation unter rein marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Bisher werde ein Großteil des russischen Gases über Pipelines, die durch die Ukraine führen, nach Westeuropa geliefert. Dies geschehe schon – stets zuverlässig – seit den 60er Jahren. Das Gas stamme hauptsächlich aus den Urgengoy-Lagerstätten. Demnächst werde man aber verstärkt das Bovanenkovo-Gasfeld auf der Yamal-Halbinsel ausbeuten. Die kürzeste Strecke sei es dann, dieses Gas über Nord Stream 2 nach Europa zu liefern. Die Gaskosten für den europäischen Verbraucher seien so viel niedriger als wenn das Gas über den Umweg durch die Ukraine geliefert werde – zumal dort dann auch Durchleitungsgebühren anfallen.

„Der Bau von Nord Stream 2 steht im Einklang mit dem internationalen Recht“, so Simonov. Sollte es Einwände etwa von dänischer Seite geben, könne man über eine Alternativroute nachdenken, die ausschließlich durch internationale Gewässer führe. Nord Stream 2 sei auch deswegen wichtig, weil die niederländischen Vorkommen bei Groningen in Zukunft nicht mehr wie bisher genutzt werden könnten. Man sei auch bereit, Gas in die Niederlande zu liefern, sagte Simonov.

Simonov ist zuversichtlich, dass sich marktwirtschaftliche Vernunft am Ende durchsetzen wird. Flüssig-Gas aus den USA, das über Polen in Europa verteilt werde, sei bis zu 80 Prozent teurer als das russische Erdgas. Auch werde es den europäischen Bedarf nicht decken können – ebenso wenig wie Gas aus Aserbaidschan. Entscheidend sei bei diesen Debatten immer auch die Geographie. Je näher die Lagerstätten beim Verbraucher lägen, desto billiger sei das Gas zu transportieren. „Natürlich können wir unser Gas auch weiterhin durch die Ukraine und andere Länder liefern. Doch – wie gesagt – die europäischen Verbraucher wären mit höheren Kosten konfrontiert.“

Erschwerend komme hinzu, dass das Pipelinesystem in der Ukraine marode sei und modernisiert werden müsse. Zur Zeit fehlten hierzu aber die Mittel. Auch vor diesem Hintergrund sei es sinnvoll, über alternative Transportrouten zu verfügen.

Derzeit baue man auch Pipelinerouten, die von Sibirien nach China führen: Power of Siberia 1 und Power of Siberia 2. China verzeichne einen steigenden Gasbedarf – auch weil es seinen kohlelastigen Energiemix umstellen wolle. Allerdings stehe Russland, was den chinesischen Markt anbelangt, in Konkurrenz zu anderen Staaten, wie etwa Turkmenistan.

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Konstantin Simonov ist Geschäftsführer des russischen National Energy Security Fund (NESF). Er ist Experte für nicht öffentliche Politik, Exekutivgewalt Russlands, politische Risiken und wirtschaftliche Interessen politischer Eliten. Er ist Autor von zahlreichen Büchern und von über 1000 Artikeln.

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