Deutschland

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Korruption bei Asyl-Bescheiden

Die Staatsanwaltschaft Bremen ermittelt wegen des Verdachts der Korruption bei der Zuteilung von positiven Asylbescheiden.
20.04.2018 11:14
Lesezeit: 2 min

Im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gibt es einen Korruptionsverdacht. Die suspendierte Leiterin der Außenstelle Bremen soll in rund 1200 Fällen Asyl gewährt haben, obwohl die Voraussetzungen nicht vorlagen, bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Bremen am Freitag entsprechende Medienberichte. Neben der Beamtin gibt es fünf weitere Beschuldigte. Ob Geld das Motiv für die Taten war,ist noch völlig offen.

Wie die Sprecherin der Ermittlungsbehörde, Claudia Kück, sagte, lautet das Verfahren auf Verdacht der bandenmäßigen Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung sowie auf Bestechung und Bestechlichkeit. Neben der Bamf-Beamtin stehen demnach drei Rechtsanwälte aus Bremen und Niedersachsen, ein Dolmetscher sowie ein Vermittler im Zentrum der Ermittlungen.

Die Beschuldigten sollen die Asylbewerber dazu verleitet haben, ihren Asylantrag in Bremen zu stellen, obwohl das Bamf dort gar nicht für ihre Fälle zuständig gewesen sei. "In einer Vielzahl von Fällen" handele es sich bei den Flüchtlingen um Jesiden, eine vor allem im Irak, im Iran, in Syrien und dem Kaukasus ansässige religiöse Minderheit.

Zum Motiv der Asylgewährung liegen den Ermittlern laut Kück noch keine Erkenntnisse vor, hier werde "in alle Richtungen" ermittelt. Es soll gegenüber der Beamtin zur Gewährung von Vorteilen von Amtsträgern gekommen sein. Nach einem Bericht von "Süddeutscher Zeitung", NDR und Radio Bremen soll es dabei etwa um Einladungen der Frau zu Restaurantbesuchen gegangen sein.

Nach Angaben dieser Medien soll die Zahl der Fälle sogar bei rund 2000 liegen, diese Angaben bestritt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft aber. Ihre Behörde gehe von rund 1200 Fällen aus.

Hinweise auf eine finanzielle Bereicherung konnten die Ermittler zunächst nicht bestätigen. Wie Kück sagte, müssen nun auch die Ergebnisse einer Razzia ausgewertet werden. Am Mittwoch und Donnerstag seien insgesamt acht private und gewerbliche Objekte durchsucht worden, dabei seien auch Beweismittel beschlagnahmt worden. Alle Beschuldigten befänden sich aber auf freiem Fuß.

Ins Rollen gekommen waren die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge durch eine interne Meldung der Innenrevision des Bamf. Bereits seit mehreren Monaten habe der Verdacht vorgelegen.

Die Bundesregierung bestätigte die Ermittlungen ebenfalls. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von einem "erheblichen Verdacht". Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka forderte in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) eine "umfassende Aufklärung" der Vorgänge. Die SPD-Bundestagsfraktion wolle für die nächste Sitzung des Innenausschusses in der kommenden Woche einen Bericht der Bundesregierung.

Der CSU-Innenexperte im Bundestag, Volker Ullrich, forderte im "Handelsblatt" bessere Kontrollmechanismen, um derartige Missbrauchsfälle künftig zu verhindern.

Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg sprach von einem "Skandal". Es habe offenbar Raum für Missbrauch und Korruption gegeben, sagte sie den RND-Zeitungen. Noch besorgniserregender sei, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der Behörde "blauäugig" gute Arbeit bescheinige.

Auch die Grünen verlangten von Seehofer "unverzüglich" Auskunft im Innenausschuss. "Die Glaubwürdigkeit von Asylentscheidungen gerät durch die schlechte interne Organisation des Bamf insgesamt in Misskredit", erklärte Luise Amtsberg, Sprecherin für Flüchtlingspolitik der Grünen.

Die Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke erklärte hingegen, sie fürchte, dass hier "eine unliebsame Mitarbeiterin" des Bamf an den Pranger gestellt werden sollte, die nicht bereit gewesen sei, die restriktive Asylpolitik der Bundesregierung mitzutragen.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...