Wirtschaft

Schwierige Balance: Putins Erfolg hängt vom Ölpreis ab

Der Ölpreis steigt und Russlands Wirtschaft wächst. Ein zu hoher Ölpreis bringt Russlands Stellung auf den Energiemärkten jedoch in Gefahr.
08.05.2018 00:55
Lesezeit: 4 min

Wladimir Putin hat den Amtseid für sechs weitere Jahre als russischer Präsident abgelegt. Mit einer Hand auf einer Ausgabe der Verfassung schwor der 65-Jährige am Montag im Großen Kremlpalast, die Rechte und Freiheiten der Bevölkerung zu schützen und für die Souveränität Russlands einzutreten. "Das Ziel meines Lebens und meiner Arbeit wird es sein, dem Volk und dem Vaterland zu dienen", sagte er zum Auftakt seiner vierten Amtszeit vor in- und ausländischen Gästen – darunter in der ersten Reihe Altkanzler Gerhard Schröder.

Putin kündigte zahlreiche neue Wirtschaftsinitiativen an. So sollen Entrepreneure stärker gefördert und ein Schwerpunkt auf die Modernisierung, die Bildung und Zukunftstechnologien gelegt werden. In einem am Montag veröffentlichten Dekret ordnete Putin laut TASS an, dass in entlegenen Gebieten des Landes ein Schwerpunkt auf Erneuerbare Energien gelegt werden solle, um die Stromversorgung zu sichern.

Russland kämpft nach wie vor mit erheblichen Problemen. Zwar konnte die elftgrößte Volkswirtschaft der Welt im vergangenen Jahr wieder Wachstum verbuchen. Allerdings fiel dies mit 1,5 Prozent nicht so hoch aus wie von der Regierung angepeilt. Fallende Ölpreise, ein Kursrutsch des Rubels, die Inflation und die Auswirkungen internationaler Sanktionen haben dazu geführt, dass der monatliche Durchschnittsverdienst auf umgerechnet 464 Euro von 728 Euro vor fünf Jahren gesunken ist.

Der Ölpreis erreicht mit über 79 US-Dollar pro Barrel (etwa 159 Liter) den höchsten Stand der vergangenen vier Jahre. Russlands Wirtschaft ist eng mit dieser Entwicklung verbunden. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) brach Ende 2014 mit dem Ölpreis ein. Seit der Ölpreis wieder ansteigt, steigt auch das russische BIP – trotz der Sanktionen (siehe Abbildung 2). Dennoch kann ein zu hoher Ölpreis auch schädlich für die russische Wirtschaft sein.

Nachfrage nach Öl steigt, das Angebot sinkt

Noch zu Jahresbeginn sahen vielen Analysten den Ölpreis eher rückläufig. Goldman, UBS oder Credit Suisse prognostizierten einen Ölpreis um die 60 US-Dollar je Barrel. Die Citigroup und Barkleys gar nur bei 55 US-Dollar.

Eine Erklärung für die derzeitige Entwicklung liegt auf der Hand: Das Angebot sinkt, die Nachfrage steigt. Russland und die Organisation erdölfördernder Länder (OPEC) verknappen seit Anfang 2017 die Fördermenge, gleichzeitig sorgt das gute Wirtschaftsklima weltweit für eine steigende Nachfrage.

Die Verknappung der Produktion reduzierte das Überangebot und verringert die Rohöl-Reserven – dem erklärten Ziel der OPEC: Im ersten Quartal näherten sich die Ölvorräte in der OECD dem 5-Jahresdurchschnitt an. Im Jahr 2016 lagen die Reserven 400 Millionen Barrel über dem Durschnitt, im März 2018 nur noch knapp 5 Millionen Barrel darüber.

Die Nachfrage wird dagegen durch das weltweit positive Wirtschaftsklima getragen. Die Weltwirtschaft wächst mit fast 4 Prozent. In den USA und Europa erreichte das Wachstum mehr als 2 Prozent – Indien wächst sogar mit über 7 Prozent.

Ein zu hoher Ölpreis könnte Russland und der OPEC schaden

Die OPEC und Russland profitieren vom guten Weltwirtschaftsklima, welches wiederum vom schwachen Ölpreis gestützt wird. Energie steht günstig zur Verfügung, was Produktion und Transport zugute kommt – solange der Ölpreis niedrig ist. Auf der anderen Seite beeinflussen die steigenden Ölpreise die Inflationsraten. Dies könnte eine Zinserhöhung der Zentralbanken zur Folge haben – ein weitere Faktor für eine mögliche Schuldenkrise in Europa. In jedem Fall würde sich das Wachstum abschwächen und die Nachfrage nach Öl sinken.

Ein hoher Ölpreis schafft außerdem Anreize, von der OPEC-Vereinbarung abzuweichen. Die OPEC-Mitglieder verzichten zugunsten eines höheren Preises auf höhere Produktionsmengen. Je höher jedoch der Preis ist, desto mehr Anreiz hat jedes Mitglied, mehr zu produzieren und so den eigenen Gewinn zu erhöhen. So steigt die Produktionsmenge und der Preis sinkt.

Doch die Interessen von Russland und der OPEC sind nicht immer deckungsgleich. Russland äußerte schon zuvor Bedenken über einen Ölpreis oberhalb der 70 US-Dollar Marke. Saudi-Arabien, das führende Land in der OPEC, profitiert dagegen von dem höheren Ölpreis: Zum einen braucht das Land die Einnahmen für die wirtschaftliche Erneuerung des Landes, zum anderen soll die staatliche Ölfirma Saudi Aramco an die Börse gehen. Ein hoher Ölpreis würde dies begünstigen.

USA machen Russland die Stellung auf Energiemärkten streitig

Russland fürchtet bei einem zu hohem Ölpreis eine stärkere Konkurrenz durch die USA. Bereits jetzt sind die USA das zweitgrößte Ölförderland – hinter Russland. Grund dafür ist die steigende Schieferölproduktion (Fracking). Um bis zu 60 Prozent könnte sich die Produktion bis 2021 noch erhöhen. Die Vereinbarung zur Produktionsbeschränkung Russlands und der OPEC-Länder würde so hinfällig.

Auch wenn die USA sehr flexibel auf höhere Ölpreise reagieren können, schätzt die Internationale Energiebörde (IEA), dass die Produktion des Schieferöls nicht vor Ende 2018 ansteigen wird. Bis dahin wirkt sich der höhere Ölpreis negativ auf das Wirtschaftswachstum aus. Das erklärt auch den Tweet von US-Präsident Donald Trump vom 20. April. Dort beschwert sich Trump, dass die OPEC den Ölpreis künstlich hochhalten würde, trotz des großen Ölangebots.

Die USA und Russland konkurrieren auch auf dem Gasmarkt. Der europäische Gasmarkt ist für beide Länder äußerst attraktiv: Die USA lehnen deshalb den Bau der russischen Nord Stream 2-Pipeline ab. Die neue Pipeline über Nordeuropa soll Europa noch besser mit russischem Gas versorgen. Die USA dagegen wollen mit ihren LNG-Unternehmen auf dem europäischen Markt expandieren.

Ölpreis hängt von Faktoren außerhalb des russischen Einflussgebietes ab

Auch geopolitische Spannungen könnten zu einer weiteren Verknappung des Ölangebots führen – allen voran der Konflikt mit dem Iran: Ziehen sich die USA aus dem Atomabkommen zurück und belegen Irans Ölexporte mit Sanktionen, wird das Angebot künstlich reduziert. Die Folge wären höhere Ölpreise.

Dazu kommt Venezuela: Dort ging die Ölproduktion aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Krise 2017 um 649.000 Barrel pro Tag zurück. Und auch hier könnte es nach den Wahlen im nächsten Monat zu weiteren US-Sanktionen kommen – damit wären die Ölexporte betroffen. Außerdem schwillt noch der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Jemen. Und auch Libyens Ölproduktion bleibt aufgrund der instabilen politischen Lage weiterhin ungewiss.

Der Ölpreis bestimmt Russlands Wirtschaft und Politik

Für Russlands Wirtschaft sind das zunächst gute Nachrichten. Mit steigenden Öl- und Gaspreisen erholt sich auch die Wirtschaft. Die grundsätzlichen Probleme der russischen Wirtschaft sind so weniger sichtbar, bleiben aber ungelöst. Das Land leidet unter Korruption, niedrigen Investitionen und vielen Konkursen. Die rechtsstaatlichen Institutionen sind wenig ausgeprägt und die Wirtschaft wird von Großkonzernen dominiert – meist Energieunternehmen. Der restliche Teil der Wirtschaft bleibt trotz hoher Ölpreise schwach.

Russlands Politik zielt so vor allem darauf ab, die Absatzmärkte für die Energieexporte zu sichern. Die russische Wirtschaft bleibt auf diesen Bereich fokussiert. Zusätzlich treffen die neuen Sanktionen den nicht energiebezogenen Teil der Wirtschaft. Russlands Abhängigkeit von den Energiemärkten nimmt so weiter zu. Und das bestimmt auch die Politik des Landes.

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