Politik

Saudi-Arabien straft Deutschland wegen Iran-Deals ab

Lesezeit: 3 min
28.05.2018 01:00
Zwischen Saudi-Arabien und Deutschland ist eine wirtschaftliche Eiszeit angebrochen.
Saudi-Arabien straft Deutschland wegen Iran-Deals ab

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Gernot Heller von Reuters analysiert die neue Ablehnung, die Deutschland in Saudi-Arabien erfährt:

Der deutschen Wirtschaft drohen neben einem massiven Rückschlag im zuletzt florierenden Iran-Geschäft weitere schmerzhafte Geschäftsverluste im Nahen Osten. Seit Monaten beklagen sich Firmen vermehrt darüber, dass saudiarabische Ministerien nicht mehr bei ihnen bestellen. Das kommt auch beim Delegierten der deutschen Wirtschaft in Riad, Oliver Oehms, an. "Im Laufe mehrerer Jahre hat sich auf der saudischen Seite eine gewisse Ernüchterung ob öffentlicher Äußerungen deutscher Partner eingestellt", zeigte er sich vorsichtig im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag. "Wir merken derzeit, dass man der deutschen Wirtschaft kritischer als in der Vergangenheit gegenübersteht. Das schmerzt."

Die Beunruhigung in der deutschen Wirtschaft ist groß. Von einem Auftragsstopp allerdings, den der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman laut einem Bericht des Magazins "Spiegel" verhängt haben soll, will man noch nicht sprechen. Doch sollte die wachsende Zurückhaltung Saudi-Arabiens gegenüber deutschen Unternehmen anhalten, stehen für die hiesige Wirtschaft Milliarden Euro auf dem Spiel. Schließlich ist das erzkonservative Land mit seinen rund 33 Millionen Menschen die größte Volkswirtschaft des arabischen Raums. Mit dem Königreich, das sich einen Machtkampf mit seinem Erzfeind Iran um die Vorherrschaft in der Region liefert, wickelten die rund 800 deutschen Firmen im vergangenen Jahr Handelsgeschäfte im Umfang von rund siebeneinhalb Milliarden Euro ab.

Mit dem Handel und den politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien geht es seit längerem abwärts. Die Verärgerung in Riad gegenüber Deutschland hat sich Insidern zufolge über Jahre aufgebaut. Dafür gibt es mehrere Gründe, wie das Bemühen der Bundesregierung um ein entspannteres Verhältnis zum Iran. Auf Kritik stößt in Riad vor allem das Festhalten Deutschlands am Atomabkommen mit der Islamischen Republik, obwohl die USA ausgestiegen sind und auch deutschen Firmen mit Sanktionen drohen, wenn sie weiter Geschäfte mit dem Iran betreiben. Zudem hat Deutschland Vorbehalte gegenüber dem militärischen Eingreifen Saudi-Arabiens im Jemen, wo sich das Königreich einen Stellvertreterkrieg mit dem Iran liefert. Nach Druck im Inland stoppte die Bundesregierung in Januar Rüstungsexporte an alle am Jemen-Krieg beteiligte Länder – also auch an Saudi-Arabien.

Dem steht gegenüber, dass das Königreich wegen seines Ölreichtums, der immensen finanziellen Ressourcen und seiner vergleichsweise großen Bevölkerung als ein absoluter Perspektivmarkt für die deutsche Wirtschaft galt und gilt. Vom saudiarabischen Zukunftskonzept "Vision 2030" erhoffte sich die deutsche Wirtschaft vor noch nicht langer Zeit große Geschäfte in der nahen Zukunft. Das Land sei ein "attraktiver Investitions- und Exportmarkt, weil es dank gewaltiger finanzieller Reserven auf der Suche nach Investitionsprojekten ist", schwärmte vor zwei Jahren ein hoher deutscher Wirtschaftsvertreter.

Saudi-Arabien ist weitgehend abhängig vom Öl. Mit dem Einbruch des Ölpreises Mitte 2014 sah es sich Haushaltsdefiziten gegenüber, die bis zu 17 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichten. Plötzlich musste gespart werden. Steuern wurden erhöht und neue erhoben. Subventionen bei Benzin, Strom und Wasser wurden zusammengestrichen. Die Wirtschaft rutschte nach einem nur noch bescheidenen Wachstum von 1,7 Prozent 2016 im vergangenen Jahr in die Rezession ab und dürfte auch dieses Jahr laut Experten mit 1,1 Prozent nur minimal zulegen. "Saudi-Arabiens Wirtschaftswachstum ist wegen staatlicher Sparzwänge und des schwachen Privatsektors zum Erliegen gekommen", befand die deutsche Investitionsagentur GTAI.

Der Außenhandel Saudi-Arabiens schrumpfte. Das bekamen auch deutsche Firmen zu spüren, die das Land mit Maschinen, Autos und Kfz-Teilen, Nahrungsmitteln und elektrotechnischen Gütern versorgen. Deutsche Exporte in den Golf-Staat gingen 2016 um ein Viertel auf 7,3 Milliarden Euro zurück, 2017 beliefen sie sich auf 6,6 Milliarden Euro. Dennoch sind die Ausfuhren immer noch mehr als doppelt so hoch wie die in den Iran mit drei Milliarden Euro. Bei den deutschen Ausfuhrzielen belegte Saudi-Arabien im vergangenen Jahr Rang 36. "Saudi-Arabien ist nach den Vereinigten Arabischen Emiraten Deutschlands zweitwichtigster arabischer Handelspartner", heißt es im Auswärtigen Amt. Folgt das Land aber seinem Verbündeten USA und Präsident Donald Trump, der besonders viel am Handel mit Deutschland auszusetzen hat, könnte sich das bald ändern.

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