Unternehmen

Deutsche Unternehmen wollen weiter in der Türkei bleiben

Die Folgen der Währungskrise in der Türkei belasten den deutschen Mittelstand nur in Maßen.
19.08.2018 01:35
Lesezeit: 2 min

Die Krise der Türkischen Lira belastet die türkische Wirtschaft stark – für die deutsche Wirtschaft halten sich die Folgen in Grenzen. Der Leiter der Abteilung Politik und Wirtschaft beim Verband „Die Familienunternehmer“, Peer-Robin Paulus, beschreibt den Deutschen Wirtschaftsnachrichten die Situation: „Die Krise löst bei den Unternehmen ein Unwohlsein aus, aber keine tiefe Erschütterung. Der Mittelstand ist breit aufgestellt – die Türkei ist zwar ein wichtiges, aber eben doch nur eines von vielen Ländern, mit denen deutsche Unternehmen Handel treiben. Als Produktionsstandort spielt die Türkei keine herausragende Rolle.“

Laut des Außenwirtschafts-Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Volker Treier, seien die Unternehmen „durch den entstandenen Vertrauensverlust in den letzten beiden Jahren verunsichert“. Derzeit zögen sie sich jedoch noch nicht aus der Türkei zurück, sagte er den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Auch wenn der Verfall der Türkischen Lira notwendige ausländische Vorleistungen und Lieferungen aktuell erheblich verteuert.“

Im Jahr 2017 haben deutsche Unternehmen Waren im Wert von 21,5 Milliarden Euro in die Türkei geliefert, wobei Auto-Zubehör, Maschinen sowie elektrische und elektronische Produkte besonders nachgefragt waren. In der Rangliste der deutschen Waren-Exportmärkte nahm die Türkei – und nimmt immer noch –  den sechzehnten Rang ein. Allerdings hatten die deutschen Warenexporte einen Gesamtwert von 1,278 Billionen Euro, das heißt, der Anteil der Türkei betrug gerade einmal 1,64 Prozent. Überdies ist laut einer Commerzbank-Studie „der große Boom“ im Geschäft mit der Türkei schon einige Zeit vorbei: „Während die nominalen deutschen Exporte in die Türkei zwischen 2002 und 2011 deutlich stiegen, haben sie danach nur noch langsam zugelegt.“ Angesichts der Tatsache, dass das Wirtschaftswachstum in der Türkei schwächelt (letztes Jahr betrug es noch 7,7 Prozent, dieses Jahr rechnen Experten mit allerhöchstens 4,4 Prozent), und dass die Türkische Lira gegenüber dem Euro rapide an Wert verliert, ist damit zu rechnen, dass die Nachfrage nach deutschen Produkten in der Türkei wegen mangelnder Kaufkraft zurückgehen wird.

Was die Zahl der Niederlassungen deutscher Unternehmen beziehungsweise der türkischen Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung angeht: Sie liegt bei etwas über 6.500. Laut der KfW-Bank betreiben damit zehn Prozent der auslandsaktiven deutschen Mittelständler in der Türkei Geschäfte. Insgesamt beträgt der Wert deutscher Produktionsanlagen, Vertriebsbüros und Lizenzen in der Türkei etwas mehr als zehn Milliarden Euro. Das sind pro Unternehmen circa 1,5 Millionen Euro, also nur eine relativ geringe Summe.

Paulus sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, die Türkei habe „lehrbuchmäßig gezeigt, wie eine fehlgeleitete Wirtschaftspolitik aussieht“, und Erdogan habe „ordnungspolitisch alles falsch gemacht, was man falsch machen kann“.

  1. Die Unabhängigkeit der Zentralbank wurde beschädigt, so dass sie nicht mehr regulativ unabhängig agieren kann.
  2. Der Wirtschaftsboom wurde durch eine hohe Verschuldung der Privathaushalte und Unternehmen erkauft.
  3. Das Haushaltsdefizit ist mit rund 30 Prozent des türkischen Bruttosozialprodukts zwar relativ gering. Allerdings wurde es mit kurzfristigen Darlehen finanziert, nicht mit langfristigen. Das erhöht das Risiko, das eine Erhöhung der Zinsen darstellt, enorm.
  4. Das ins Land geholte hohe Fremdkapital hat die Inflation stark angetrieben. Im bisherigen Verlauf dieses Jahres stiegen die Preise im Vergleich zum Jahr 2017 um 11,54 Prozent. Im Juli betrug die Inflation sogar 15,39 Prozent.

Die Türkisch-Deutsche Industrie- und Handelskammer (TD-IHK) sagte den Deutsche Wirtschaftsnachrichten, sie fordere von der Türkei, „das Vertrauen deutscher Investoren in die Türkei wieder zu stärken“. Das könne durch „die Unabhängigkeit der Zentralbank, Sparmaßnahmen zur Unterstützung einer straffen Geldpolitik, einen konkreten Fahrplan für die dauerhafte Senkung der Inflation, die Wiederannäherung an die Europäische Union sowie durch die Fortsetzung diplomatischer Anstrengungen zur dringlichen Lösung der bestehenden Probleme mit den USA“ erreicht werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.