Technologie

Fintech Wirecard steht vor Sprung in den Dax

Lesezeit: 2 min
27.08.2018 00:34
Das deutsche Fintech Wirecard steht vor dem Sprung in den deutschen Leitindex.
Fintech Wirecard steht vor Sprung in den Dax

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Nach jahrelang boomenden Geschäften steht der weithin unbekannte Finanztechnologie- und Bankkonzern Wirecard vor dem Aufstieg in Deutschlands erste Börsenliga, berichtet Reuters. Der Betriebsgewinn des Online-Zahlungsabwicklers aus dem Münchner Vorort Aschheim legt jährlich um ein Drittel zu, Vorstandschef Markus Braun steckt sich fortwährend höhere Umsatz- und Gewinnziele und der Aktienkurs hat sich allein seit Jahresbeginn verdoppelt.

Mittlerweile stellt das Unternehmen mit einem Börsenwert von mehr als 20 Milliarden Euro sogar die Deutsche Bank in den Schatten und macht der Commerzbank ihren Platz im Dax streitig. Sollte Wirecard am 24. September in die Königsklasse aufsteigen, wäre die erst 19 Jahre alte Fintech-Firma das jüngste Mitglieder in dem von Traditionskonzernen beherrschten Leitindex.

Doch anders als die beiden Großbanken mit ihren Zehntausenden Mitabeitern beschäftigt das TecDax-Unternehmen weltweit lediglich 5000 Menschen. Der Jahresumsatz lag zuletzt erst bei 1,5 Milliarden Euro, soll sich aber binnen zwei Jahren verdoppeln. Vorstandschef Braun, der seine eigenen Geschäftsprognosen gewöhnlich als "konservativ" bezeichnet und in der Vergangenheit wiederholt übertraf, hält Bescheidenheit für unangebracht, wenn er über die Zukunft von Wirecard spricht: "Alles, was wir bis jetzt erreicht haben, ist meines Erachtens nur ein müder Abklatsch dessen, was wir in den nächsten zehn Jahren erreichen können", sagte er im April auf der Bilanzpressekonferenz.

Wie nur wenige andere Firmen der Finanzbranche profitiert Wirecard von der weltweiten Verlagerung der Geldströme ins Internet. Der Dienstleister wickelt mit Online-Technologie für andere Firmen den Zahlungsverkehr ab und kassiert dafür Provisionen. Egal ob Verbraucher auf Internetseiten oder per Smartphone-App Bücher kaufen oder Reisen buchen, kostenpflichtige Software herunterladen oder Online-Spiele bezahlen: Oft ist Wirecard im Hintergrund der zentrale Vermittler zwischen Käufer, Verkäufer und deren Banken. Das Unternehmen sorgt dafür, dass die Geldbeträge beim Empfänger verbucht werden, und übernimmt auch das Risikomanagement. Zu den Partnern zählen Finanzinstitute wie die Commerzbank, Mastercard und Visa, Technologiekonzerne wie Microsoft und Apple, Verkehrsunternehmen wie die Österreichischen Bundesbahnen sowie Handelsketten wie Aldi und Lidl. Aus Europa expandierte Wirecard zunächst vor allem nach Asien, wo der chinesische Internetkonzern Alibaba zu den wichtigsten Partnern gehört, und vor zwei Jahren auch nach Nordamerika.

Zunehmend drängt Wirecard auch in den traditionellen Einzelhandel: Nach dem Willen von Vorstandschef Braun sollen Smartphones mit Bezahl-Apps der Bayern und ihrer Partner wie Apple und Google nicht nur das Bargeld, sondern auch Kredit- und Girokarten aus Plastik an der Ladenkasse überflüssig machen. Möglich macht es die Funktechnologie NFC, mit der neuere Handys ausgestattet sind. Während weltweit noch immer das Bargeld dominiere, würden erst 15 bis 20 Prozent der Zahlungen elektronisch abgewickelt, etwa mit Karte, rechnet der Wirtschaftsinformatiker vor. Davon wiederum laufe erst maximal ein Zehntel voll digital. "Das eröffnet ein enormes Marktpotenzial", sagt Braun.

Der 48-jährige Österreicher hat das Unternehmen maßgeblich aufgebaut. Vor 16 Jahren, drei Jahre nach der Gründung, kam Braun von der Unternehmensberatung KPMG zu Wirecard und übernahm den Vorstandsvorsitz. Der technikverliebte Manager, der auf den ersten Eindruck spröde wirken kann, redet sich auf Fachkonferenzen in Fahrt, wenn er IT-Experten oder Finanzanalysten seine Expansionspläne erläutert. Mit einem Aktienpaket von sieben Prozent ist der Vorstandschef zugleich größter Anteilseigner von Wirecard.

Der Erfolg des Konzerns nährte an der Börse wiederholt Zweifel, ob alles mit rechten Dingen zugeht: Geldwäsche, Unterstützung illegaler Glücksspielanbieter, krumme Geschäfte in Großbritannien oder Indien, so lauteten Anschuldigungen aus anonymen Quellen im Internet oder in Medienberichten, regelmäßig verbunden mit einem Einbruch des Aktienkurses. Die Gerüchte erinnerten bisweilen an die Anfänge des Unternehmens, als Glücksspiel- und Pornoanbieter zu den wichtigsten Kunden zählten. Erhärtet hat sich keiner der Vorwürfe. Stattdessen nahmen die Finanzaufsicht Bafin und die Staatsanwaltschaft Investoren wegen möglicher Marktmanipulation ins Visier. Der Verdacht: Anleger, die mit so genannten Leerverkäufen von einem Kursrückgang profitieren, könnten hinter den Gerüchten stecken. Dauerhaft geschadet hat es der Aktie nicht. Am Freitag erreichte das Papier ein Rekordhoch von 188,50 Euro.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Ratgeber
Ratgeber Umweltbewusst und günstig: Hondas Leasing-Modell für die elektrifizierten Fahrzeuge von Honda

Der Managing Director der Honda Bank Volker Boehme spricht mit den DWN über die neuesten Entwicklungen im Leasinggeschäft für die...

DWN
Politik
Politik Bund der Steuerzahler: Die Schuldenbremse ist unverzichtbar
01.12.2023

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, hält die Schuldenbremse in ihrer gegenwärtigen Form für unverzichtbar. Im...

DWN
Politik
Politik Israel jagt Hamas mit Superbombe
02.12.2023

Die Vereinigten Staaten haben Israel hundert sogenannte Blockbuster-Bomben geliefert, mit denen Israel die Terroristen der Hamas in den...

DWN
Politik
Politik Haushaltskrise: Wo Finanzminister Lindner den Rotstift ansetzen will
02.12.2023

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat erstmals konkretisiert, in welchen Bereichen er Einsparungen für möglich hält, um die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Die Verwalter des Wohlstands sind mit ihrem Latein am Ende angekommen
02.12.2023

In Deutschland und Österreich sinkt die Wirtschaftsleistung. Was ist passiert? Welche geheimnisvollen, bösen Mächte sind da am Werk,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Europas Petrochemie steht mit dem Rücken zur Wand
01.12.2023

Die petrochemische Industrie in Europa gerät in schweres Fahrwasser. Wenn von Seiten der Politik nicht rasch und grundlegend...

DWN
Finanzen
Finanzen Anleger ignorieren Warnungen der EZB, wetten auf Zinssenkung
01.12.2023

Entgegen allen Warnungen der EZB wetten die Märkte auf baldige Zinssenkungen. Damit stellen die Geldpolitik auf eine harte Probe. Gibt...

DWN
Finanzen
Finanzen Raus aus den Schulden – Wie mit Kreditkarten-, Immobilien- und Konsumschulden umgehen?
30.11.-0001

Gerade in der aktuellen Wirtschaftslage steigt für viele Menschen das Risiko einer Überschuldung enorm, da Zinsen steigen, Arbeitsplätze...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutsche Banken fordern ein Comeback der Verbriefungen
01.12.2023

Nachdem schon Commerzbank-Chef Knof ein Ende ihrer Stigmatisierung gefordert hat, macht sich nun auch Deutsche-Bank-Chef Sewing für...