Politik

Gegen die EU: Italien beschließt höheres Defizit

Italien geht mit seinem neuen Defizit auf Kollisionskurs mit der EU.
28.09.2018 01:22
Lesezeit: 2 min

Die Regierungsparteien und Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria haben sich am Donnerstagabend auf ein Defizitziel für 2019 in Höhe von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes geeinigt - so wie es die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega gefordert hatten. Der parteilose Tria konnte sich nicht durchsetzen. Er hatte sich für ein Defizitziel von unter zwei Prozent stark gemacht, um die Finanzmärkte nicht weiter zu verunsichern.

Ministerpräsident Giuseppe Conte sagte, die Entscheidung sei gut für Italien und die Italiener.

Nach Bekanntwerden der Einigung weitete der Euro seine Verluste zum Dollar aus. An den Märkten hatten sich Sorgen breitgemacht, dass die Staatsverschuldung in Italien außer Kontrolle geraten könnte. Aus Kreisen der Fünf-Sterne Bewegung verlautete, auch für 2020 und 2021 werde jeweils ein Defizit von 2,4 Prozent ins Auge gefasst.

Die stellvertretenden Regierungschefs von der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega, Luigi Di Maio und Matteo Salvini verkündeten die Einigung nach einer immer weiter nach hinten verschobenen Kabinettssitzung. "Wir sind zufrieden. Das ist ein Budget, das für Wandel steht." Die Zeit war knapp, da der Haushaltsplan bis Mitternacht fertiggestellt sein musste, damit er von der EU-Kommission überprüft werden kann. Die Brüsseler Behörde hatte die Regierung in Rom mehrmals zu einer vernünftigen Ausgabenpolitik ermahnt. Bis zum 20. Oktober muss das italienische Kabinett dann das Haushaltsgesetz verabschieden.

Tria hatte ursprünglich ein Defizit von 1,6 Prozent angepeilt. Dann rückte er langsam von der Forderung ab, wollte aber an einem Ziel von unter zwei Prozent festhalten. Koalitionskreisen zufolge hatte der Minister zunächst mit einem Rücktritt gedroht, als sich abzeichnete, dass er nachgeben müsste. Nach der Entscheidung äußerte sich Tria zunächst nicht. Aus seinem Umfeld verlautete aber, er habe nicht die Absicht, sein Amt aufzugeben.

"Die gute Nachricht ist, dass es endlich eine Einigung gibt", sagte der Politik-Berater Francesco Galietti von Policy Sonar der Nachrichtenagentur Reuters. "Komplexer ist aber, dass die Märkte bis heute auf Trias Fähigkeit gewettet haben, die politischen Kräfte im Zaum zu halten. Diese Annahme bröckelt nun."

Die neue Regierung ist seit Juni im Amt. An den Finanzmärkten richteten sich die Hoffnungen auf Tria. Sie hatten gehofft, dass er die üppigen Ausgabenpläne der Bündnispartner abmildern und damit verhindern könne, dass Italien eine neue Schuldenkrise in Europa lostritt. Zu den zentralen Forderungen der Fünf-Sterne-Bewegung gehören etwa ein Grundeinkommen für Arme - das sogenannte Bürgereinkommen - sowie die Möglichkeit eines früheren Renteneintritts.

Italien ächzt im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) unter dem zweithöchsten Schuldenberg in der Euro-Zone. Die Wirtschaft hinkt dem Rest der Währungsunion seit deren Start vor fast zwei Jahrzehnten weitgehend hinterher. Die Zahl der in Armut lebenden Italiener hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht.

Die führenden Konjunkturforscher in Deutschland halten die finanzpolitischen Pläne der italienischen Regierung für eine Gefahr für die Stabilität der Euro-Zone. Wenn all das, was derzeit in Rom diskutiert auch umgesetzt werde, "würde dies die Staatsverschuldung sehr stark ansteigen lassen", sagte Ifo-Experte Timo Wollmershäuser bei der Vorstellung der gemeinsamen Prognose der Wirtschaftsforschungsinstitute am Donnerstag in Berlin. "Wenn ein so großes Land des Euro-Raums in eine solche Krise gerät, und die Zahlungsfähigkeit des Landes in Frage gestellt wird, dann ist die Gefahr groß, dass eine Euro-Krise 2.0 wieder ausbricht."

Italiens Verschuldung summiert sich auf rund 130 Prozent der Wirtschaftsleistung und ist damit nach Griechenland die höchste in der Euro-Zone. Das hat Investoren an der Börse zuletzt nervös gemacht. "Wir haben derzeit Risikoaufschläge, die Italien nicht lange tragen kann", warnte der Experte des Münchner Ifo-Instituts. Kurzfristig seien die höheren Zinsen von dem Land noch zu schultern, längerfristig kaum.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Gasförderung Borkum: Kabinett billigt Abkommen mit den Niederlanden
02.07.2025

Die Bundesregierung will mehr Gas vor Borkum fördern und stößt damit auf heftigen Widerstand von Umweltschützern. Das Vorhaben soll...

DWN
Immobilien
Immobilien Klimaanlage einbauen: Was Sie vor dem Kauf wissen müssen
02.07.2025

Die Sommer werden heißer – und die Nachfrage nach Klimaanlagen steigt. Doch der Einbau ist komplizierter, als viele denken. Wer nicht in...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerke: 220.000 neue Anlagen binnen sechs Monaten
02.07.2025

Mehr als 220.000 neue Balkonkraftwerke sind in Deutschland binnen sechs Monaten ans Netz gegangen. Während Niedersachsen glänzt, fallen...

DWN
Politik
Politik USA frieren Waffenlieferungen an die Ukraine ein – Prioritäten verschieben sich
02.07.2025

Die USA stoppen zentrale Waffenlieferungen an die Ukraine. Hinter der Entscheidung steckt ein geopolitischer Kurswechsel, der Europa...

DWN
Politik
Politik Stromsteuer: Kommt jetzt die Entlastung für alle?
02.07.2025

Die Stromsteuer spaltet das schwarz-rote Bündnis – und mit ihr die Frage, ob Bürger und Betriebe wirklich entlastet werden. Während...

DWN
Panorama
Panorama Hitzewelle in Deutschland: Temperaturen bis 40 Grad und drohende Unwetter
02.07.2025

Deutschland ächzt unter extremer Hitze, örtlich steigen die Temperaturen auf bis zu 40 Grad. Experten warnen vor Unwettern, Waldbränden...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell stabil: Deutsche Goldinvestments erholen sich – wie Anleger jetzt reagieren sollten
02.07.2025

In den vergangenen Wochen war die Goldpreis-Entwicklung von Volatilität geprägt. Das ist auch zur Wochenmitte kaum anders: Obwohl sich...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hitzestress am Arbeitsplatz: Mehr Krankmeldungen bei Extremtemperaturen
02.07.2025

Extreme Sommerhitze belastet nicht nur das Wohlbefinden, sondern wirkt sich zunehmend auf die Arbeitsfähigkeit aus. Bei Hitzewellen...