Technologie

China meldet erste Genmanipulation an Menschen

In China sollen erstmals genmanipulierte Säuglinge geboren worden sein.
26.11.2018 17:27
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Einem chinesischen Wissenschaftler zufolge wurden weltweit erstmals Babys nach einer Genmanipulation geboren. „Zwei wunderschöne kleine chinesische Mädchen namens Lulu und Nana kamen vor einigen Wochen weinend und so gesund wie jedes andere Baby zur Welt“, sagt der Forscher He Jiankui in einem am Sonntag auf Youtube verbreiteten Video, wie die dpa berichtet. Demnach hatte der an Embryonen vorgenommene Eingriff mit dem noch sehr jungen Verfahren Crispr/Cas9 das Ziel, die Kinder resistent gegen HIV zu machen.

Eine geprüfte wissenschaftliche Veröffentlichung zu dem Eingriff gibt es nicht, lediglich einen Eintrag in einem chinesischen Register für klinische Tests. Eine Bestätigung von anderen Stellen gab es zunächst ebenfalls nicht.

In Deutschland, den USA und vielen anderen Ländern sind derartige Manipulationen an menschlichem Erbgut verboten, weil die Risiken bisher kaum abschätzbar sind und Veränderungen an nachfolgende Generationen weitergegeben werden. In China hat man offenbar weniger ethische Bedenken. „Die Forschung scheint von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften zumindest nicht ungedeckt zu sein“, sagte Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats. „Es liegt nahe zu vermuten, dass es hierbei auch darum geht, die Führerschaft der Chinesen im Bereich Lebenswissenschaft zu demonstrieren.“

„Bei den Experimenten handelt es sich um unverantwortliche Menschenversuche“, betonte er. „Ob es stimmt oder nicht, was der chinesische Forscher He behauptet: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind solche Versuche und auch Ankündigungen aufs Schärfste zu kritisieren.“ Laut nahezu einhelliger Einschätzung von Experten sei die Grundlagenforschung zu Crispr/Cas noch weit entfernt vom Einsatz beim Menschen. „Die Neben- und Spätfolgen sind noch unabsehbar und schwer zu kontrollieren.“ Die Zukunft der genveränderten Kinder sei vollkommen ungewiss.

Dem Eintrag in einem chinesischen Register zufolge brachte das chinesische Team ungewollt kinderlose Paare aus gesunder Mutter und HIV-infiziertem Vater dazu, bei den Versuchen mitzumachen. Mittels künstlicher Befruchtung wurden zahlreiche Embryos geschaffen, deren Erbgut mit der erst seit 2012 in Labors eingesetzten Genschere Crispr/Cas9 verändert wurde. Die Forscher um He zielten dabei dem Eintrag zufolge auf das Gen für den sogenannten CCR5-Rezeptor ab, an den sich HI-Viren für eine Infektion der Zelle anheften. Menschen ohne funktionales CCR5-Protein stecken sich nicht mit dem Virus an - ein berühmtes Beispiel ist der „Berlin-Patient“ Timothy Ray Brown.

Die Kinder vor einer möglichen HIV-Infektion durch ihre Eltern zu schützen, war allerdings nicht die Motivation - dafür gibt es andere, einfache und risikoarme Wege. „Das Verfahren ist nicht vergleichbar mit einer Impfung, die einen hohen Schutz bieten soll“, erklärte Dabrock. Bei einem der Zwillinge habe sich schon in der Petri-Schale gezeigt, dass die Manipulation nicht zum Tragen gekommen sei. Trotzdem seien beide Embryos eingepflanzt worden. „Auch das ist ein Beleg dafür, dass es ihm (He Jiankui) nicht um eine Therapie oder einen Heilversuch geht.“

Ihm sei bewusst, dass seine Arbeit Diskussionen auslösen werde, erklärt He in seiner Videobotschaft. „Aber ich glaube, Familien brauchen diese Technik.“ Es gehe ihm nicht darum, Kinder zu erschaffen, deren IQ erhöht und deren Haar- und Augenfarbe ausgewählt werden kann, behauptete er. Genveränderungen sollten „ein Instrument der Heilung“ bleiben: „Eltern wollen kein Designer-Baby, sondern nur eines, das nicht von Krankheit betroffen ist.“

Klar ist jedenfalls: He hält mehrere Patente für Techniken zur Veränderung von Erbgut, handfeste finanzielle Interessen dürften daher zumindest Teil seiner Motivation sein. Studiert hat der Forscher an den Universitäten Rice und Stanford in den USA, bevor er in seine Heimat zurückkehrte und die Leitung eines Labors an der Southern University of Science in der südchinesischen Stadt Shenzhen übernahm. Laut chinesischen Staatsmedien besitzt er auch eine Firma für Gentestgeräte.

Die Shenzhener Universität, an der He forscht, wies am Montag jedes Wissen über seine Experimente zurück. „Wir sind zutiefst schockiert“, hieß es in einer auf der Website der Hochschule veröffentlichten Mitteilung. Die Forschungsarbeiten wurden demnach außerhalb der Universität durchgeführt. Auch habe He die Hochschule nicht über seine Arbeit unterrichtet. He habe „ernsthaft gegen die akademische Ethik und akademische Normen“ verstoßen. Ein Gremium sei damit beauftragt worden, eine eingehende Untersuchung des Falls durchzuführen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.