Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Norbert Blüm hatte im Jahr 1986 gesagt: “Denn eins ist sicher. Die Rente.” Wie würden Sie diesen Werbeslogan einschätzen?
Heiner Flassbeck: Das war kein Slogan, da hatte Blüm Recht. Was Blüm meinte, war die gesetzliche Rente. Es stimmt, dass in einer unsicheren Welt die gesetzliche Rente das Sicherste ist, was es gibt.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Die gesamten Rentenbeitragseinnahmen beliefen sich im vergangenen Jahr auf 235,9 Milliarden Euro. Wird dieses positive Niveau auch künftig gehalten werden?
Heiner Flassbeck: Es hängt alles davon ab, was mit dem Einkommens- Wirtschafts- und Produktivitätswachstum passiert. Wenn die Masseneinkommen steigen, gibt es kein Problem. Das Grundproblem in der politischen Auseinandersetzung sind ideologische Barrieren. Es wird behauptet, dass es zu einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit kommt, wenn die Beitragssätze über 22 Prozent steigen. Das ist Unsinn.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was halten Sie von der privaten Rentenversicherung?
Heiner Flassbeck: Das kann nicht funktionieren. Es muss zu höherem Sparen führen und das verringert die Nachfrage. Darunter leiden die Investitionen, das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung. Die fallende Kurve des Rentenniveaus ist nur der Tatsache geschuldet ist, dass die große Masse der Politiker das Problem noch immer nicht versteht. Daher haben sie unter Druck der Finanzlobby die gesetzliche Rente mit unsinnigen Dogmen wie der Begrenzung der Lohnnebenkosten auf 22 Prozent des Einkommens oder der angeblichen Demographiefestigkeit eines Kapitaldeckungsverfahrens demolieren können?
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Muss das Renteneintrittsalter wirklich stetig erhöht werden?
Heiner Flassbeck: Nein. Es kann auch nicht immer mehr erhöht werden, weil die Menschen irgendwann sterben.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie weit verbreitet ist die Altersarmut in Deutschland?
Heiner Flassbeck: Das wird immer mehr zu einem Problem werden. Auch hier ist das Grundproblem auf die Rot-Grüne Koalition unter Gerhard Schröder zurückzuführen. Rot-Grün hat die Rentenversicherung kaputt gemacht - unter anderem mit der kapitalgedeckten Riester-Rente. Die Riester-Rente sollte dazu führen, dass Arbeitnehmer bis zu vier Prozent ihres Einkommens in private Rentenfonds einzahlen. Dafür bekommen Sie vom Staat eine finanziell nicht unerhebliche Förderung. Das wäre nur dann möglich, wenn diese vier Prozent zusätzlich gespart werden und nicht andere Sparformen ersetzen. Die Sparquote der privaten Haushalte in Deutschland müsste also nach der Einführung der Riester-Rente gestiegen sein. Ist sie aber nicht.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welchen Tipp würden Sie den Bürgern im Zusammenhang mit der Altersvorsorge geben?
Heiner Flassbeck: Der Bürger kann nicht viel tun. Er kann etwas tun, wenn er reich ist. Wenn er nicht reich ist, ist er auf die Entscheidungen der Politik angewiesen.
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Heiner Flassbeck war von 1998 bis 1999 Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen und von Januar 2003 bis Ende 2012 Chef-Volkswirt bei der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf. Er ist zudem Herausgeber der Wirtschaftszeitschrift Makroskop.