Finanzen

Federal Reserve: Ohne permanente Interventionen kommt der Crash

Die Federal Reserve bricht die Normalisierung ihrer Geldpolitik ab. Das marode Finanzsystem kann offenbar keine dauerhaft steigenden Zinsen mehr vertragen. Für die Weltwirtschaft sind schwere Zeiten angebrochen.
21.03.2019 09:33
Lesezeit: 2 min

Angesichts der unsicheren Konjunkturaussichten will die US-Notenbank Fed dieses Jahr die Füße stillhalten und die Ära der schrittweisen Zinserhöhungen beenden. Die Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell planen nach neun Erhöhungen binnen drei Jahren für 2019 eine Pause, wie sie am Mittwoch signalisierten. Erst 2020 könnte noch eine Anhebung kommen.

Der Leitzins ist nun in der Spanne von 2,25 bis 2,5 Prozent in etwa auf einem Niveau, das die Wirtschaft laut Powell weder anschiebt noch bremst. "Jetzt ist eine großartige Zeit, um geduldig zu sein", betonte er. Aus den Konjunkturdaten lasse sich kein Grund ableiten, Zinsen zu erhöhen oder zu senken.

Die Entscheidung der Zentralbank hat massive Auswirkungen. Praktisch gesteht sie damit ein, dass die Weltwirtschaft vor schwierigen Zeiten steht und eine Rezession nicht mehr ausgeschlossen ist. Es ist außerdem ein Eingeständnis, dass das auf Schuldgeld basierende Finanzsystem nicht mehr ohne dauerhafte Eingriffe durch die Zentralbanken bestehen kann.

Dies alles geschieht in einer Zeit, in der die US-Wirtschaft angeblich sehr stark aufgestellt ist. Erkauft wurde dieser Aufschwung durch Schulden. Insbesondere im massiven Aufbau von Neuschulden bei den US-Unternehmen spiegelt sich dabei die extrem expansive Liquiditätszufuhr ins Finanzsystem wieder.

Noch im Dezember hatte es die Fed ganz anders gesehen und zwei Erhöhungen für 2019 avisiert: "Sie hat die weitere Normalisierung der Geldpolitik abgeblasen. Das ist ein Paukenschlag mit Tusch – und riecht ein wenig nach Panik", meint Chefvolkswirt Otmar Lang von der Targobank. Manche Experten rechnen sogar damit, dass schon bald wieder über eine Lockerung der Geldpolitik gesprochen wird: "Der Flirt mit Leitzinssenkungen wird im zweiten Halbjahr wohl beginnen", prophezeit Ökonom Bastian Hepperle vom Bankhaus Lampe.

Zu der vorläufigen Abkehr vom Kurs der geldpolitischen Straffung passt auch, dass die Fed die im Herbst 2017 begonnene Abbau-Operation ihrer Bilanz bis Ende September weitgehend abschließen möchte. Ende 2019 wird der Umfang des Portfolios laut Powell noch rund 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Damit läge es auf einem weit höheren Niveau als vor der Finanzkrise mit damals 800 Milliarden Dollar, was etwa 6 Prozent des BIP entsprach.

Zwischenzeitlich war die Bilanz durch Wertpapierkäufe auf rund 4,5 Billionen Dollar angewachsen. Mittlerweile wurde sie wieder auf unter vier Billionen Dollar eingedampft. Die Fed hatte mit den Käufen von Staatsanleihen, Hypothekenpapieren und anderen Vermögenswerten mit dafür gesorgt, dass extrem viel aus dem Nichts geschaffenes Schuldgeld ins System geleitet wurde. Ind er Folge davon erlebte die US-Wirtschaft eine Scheinblüte und die Vermögenspreise an den Börsen erreichten Allzeithochs.

Dass die Notenbank nun die Pausentaste bei den Zinsen drückte, kam an der Wall Street nur vorübergehend gut an: Nach dem Zinsentscheid machten die US-Börsen Verluste wett. Zum Handelsschluss gab der Standardindex Dow Jones aber wieder nach.

Auch die absehbare Abkühlung der Wirtschaft ist ein Grund für die Fed, geldpolitisch vorsichtig zu agieren: Wegen der schwächeren Weltkonjunktur, dem Handelskonflikt mit China und dem nachlassenden Rückenwind durch US-Steuererleichterungen im Volumen von 1,5 Billionen Dollar haben sich die Aussichten zuletzt eingetrübt. Powell bezeichnete den Handelsstreit und den Brexit explizit als Risiken, die die Währungshüter genau im Auge behielten.

Die Experten von Goldman Sachs rechnen im laufenden ersten Quartal nur noch mit einem Anstieg des US-Bruttoinlandsprodukts von annualisiert 0,6 Prozent. Im vierten Quartal 2018 hatte es noch zu 2,6 Prozent gereicht. "Die Währungshüter wollen wirklich abwarten und sehen, wie sich die verschiedenen Risiken entwickeln - genau, wie es Powell im Januar zugesichert hat", meint Ökonom Nathan Sheets vom Vermögensverwalter PGIM.

Auf der anderen Seite des Atlantiks hatte die Europäische Zentralbank zuletzt ihre Wachstumsprognose ebenfalls gekappt und zudem die Abkehr vom Nullzins weiter hinausgeschoben. Auch die EZB hat damit bewiesen, dass sie nicht mehr aus der permanenten Manipulation der Finanzmärkte aussteigen kann.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Globale Bank-ID: Yubico-Gründerin will Passwörter abschaffen – Milliardenpotenzial für deutsche Firmen
09.08.2025

Die Gründerin von Yubico will mit ihrer Stiftung Siros ein globales, offenes System für digitale Identitäten schaffen – sicher wie ein...

DWN
Technologie
Technologie ChatGPT-5: So verwenden Sie das neue ChatGPT-Modell
08.08.2025

Open AI erlaubt erstmals tiefe Einblicke in die Denkweise von ChatGPT. Wer die neue Erweiterung nutzt, kontrolliert nicht nur Daten –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kreditprogramme für den Mittelstand: Neue KfW-Digitalförderung für KMU, Kritik an „Made for Germany“
08.08.2025

Zwei neue KfW-Kreditprogramme unterstützen KMU seit Juli gezielt bei Digitalisierung und Innovation. Unterdessen sorgt die fehlende...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt "Aufstehen, hingehen, machen": Thomas Hintsche verkauft seit 30 Jahren gegrillte Würstchen auf dem Markt
08.08.2025

Seit 30 Jahren verkauft Thomas Hintsche Bratwurst, Steak, Buletten und mehr auf dem Markt. Seine Grillskills hat er perfektioniert, kennt...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis bleibt stabil: USA verhängen Zölle auf Goldimporte – Schweiz im Fokus
08.08.2025

US-Zölle auf Goldimporte versetzen den Markt in Aufruhr. Besonders die Schweiz könnte hart getroffen werden. Während der Goldpreis in...

DWN
Finanzen
Finanzen Munich Re-Aktie fällt: Rückversicherer spürt Preisdruck trotz Rekordgewinn
08.08.2025

Die Munich Re-Aktie erlebt nach einem Rekordgewinn überraschend Gegenwind. Trotz starker Halbjahreszahlen dämpfen sinkende Preise und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verhandeln lernen: Mit Strategie zum Erfolg – jeder kann es mit den richtigen Methoden
08.08.2025

Erfolgreich verhandeln kann jeder – mit den richtigen Methoden. Erfahren Sie, wie Sie mit Strategie, Künstlicher Intelligenz und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bechtle-Aktie hebt ab: Starker Quartalsverlauf beflügelt Anleger
08.08.2025

Die Bechtle-Aktie überrascht Anleger im Börsenhandel am Freitag mit einem kräftigen Kurssprung. Nach Monaten der Flaute deutet vieles...