In China hat das staatliche Gefängnis "Yancheng" ein Netzwerk von Kameras installiert, das künstliche Intelligenz einsetzt und jede Zelle und jede Ecke des Gebäudes abdeckt. Ein Ausbruch ist so gut wie unmöglich, selbst wenn ein Häftling die Gefängniswärter bestechen würde, denn auch diese werden vermutlich von dem System überwacht.
Nach monatelangen intensiven Bauarbeiten ist die Modernisierung des Überwachungssystems in der 40 Hektar großen Anlage in Yanjiao, Hebei, fast abgeschlossen. Mehrere Personen, die an dem Projekt beteiligt waren, haben dies gegenüber der South China Morning Post bestätigt.
Chinas neues "intelligentes Gefängnis" umfasst ein Netzwerk von Überwachungskameras und verborgenen Sensoren, die über das gesamte Gefängnisgelände verteilt sind.
Das Netzwerk sendet die gesammelten Daten an das „Gehirn“ des Systems, einen schnellen, von künstlicher Intelligenz (KI) angetriebenen Computer, der jeden Insassen rund um die Uhr erkennen, verfolgen und überwachen kann.
Am Ende des Tages erstellt das System einen umfassenden Bericht, der Verhaltensanalysen für jeden Gefangenen mit verschiedenen KI-Funktionen wie Gesichtserkennung und Bewegungsanalyse enthält. Ungewöhnliche Aktivitäten werden hervorgehoben.
"Wenn zum Beispiel ein Insasse seit einiger Zeit in einem Raum auf und ab geht, kann die Maschine das Phänomen als verdächtig einstufen und Nahuntersuchungen durch eine menschliche Wache vorschlagen", sagte der Projektvertreter Meng Qingbiao.
Aufgrund der Anti-Korruptionskampagne von Präsident Xi Jinping sind in den letzten Jahren viele hochrangige Beamte im Gefängnis gelandet. Laut einem Bericht der Shanghaier Website Thepaper.cn waren im vergangenen Jahr mehr als 1.600 Gefangene in Yancheng inhaftiert.
Chinas intelligentes Gefängnis wurde in Zusammenarbeit mit zahlreichen öffentlichen Forschungseinrichtungen entwickelt, darunter das Überwachungstechnologieunternehmen "Tiandy" und die staatliche Tianjin-Universität.
Einem Angestellten von Tiandy zufolge weiß das System jederzeit, wo sich jede einzelne Person befindet und was er oder sie tut, unabhängig davon, wie viele Insassen sich in dem Gefängnis befinden. Es sei nicht mehr notwendig, dass menschliche Wachen auf Monitore schauen. Gefängnisausbrüche seien unmöglich.
Dies ist zum Teil auf die weit fortgeschrittene Technologie zur Gesichtserkennung zurückzuführen, die gleichzeitig eine große Anzahl von Überwachungszielen verarbeiten kann. Jede Kamera könne gleichzeitig bis zu 200 Gesichter aufzeichnen, sagte der Angestellte von Tiandy.
In Yancheng sitzen zahlreiche prominente Insassen ein, und die Bedingung in dem Gefängnis sind relativ komfortabel. Zu den Häftlingen gehört Gu Kailai, die Frau des ehemaligen Chefs der Parteikammer Bo Xilai, die wegen Mordes an einem britischen Geschäftsmann verurteilt wurde.
Weitere prominente Insassen sind Rui Chenggang, ein ehemaliger Fernsehmoderator, der 2014 aus unklaren Gründen inhaftiert wurde, und eine Reihe von Personen, die wegen Korruption einsitzen, wie Zhang Shuguang, der Chefingenieur des ehemaligen Hochgeschwindigkeitsnetzes, und Nan Yong, ehemaliger Vizechef des nationalen Fußballverbands.
Neben prominenten chinesischen Bürgern sitzen in dem Gefängnis auch eine nicht spezifizierte Anzahl von Ausländern ein. Daher wurde Yancheng schon von Diplomaten aus vielen Ländern besucht.
Ein Team von chinesischen Regierungsinspektoren warnte im Dezember, dass das Gefängnis "seinen politischen Charakter in der neuen Ära" nicht ganz verstanden habe, und stellte fest, dass einige Wachen "häufig Verstöße gegen die Regeln" begangen hätten.
Infolgedessen soll das neue KI-Netzwerk jetzt genau beobachten, was in dem Gefängnis vor sich geht.
Doch die 24-Stunden-Überwachung durch Chinas intelligentes Gefängnis hat ethische Fragen aufgeworfen. So besagen die Regeln des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, dass Insassen „wegen ihrer inhärenten Würde und ihres Wertes als Menschen mit Respekt behandelt werden müssen“.
Ding Zhenyang, Assistenzprofessor für Elektrotechnik an der Tianjin-Universität, der an dem Projekt teilgenommen hat, sagte, dass die Gefangenen gegen die künstliche Intelligenz keine Chance haben. "Sie können die Kamera betrügen. Sie können den Sensor betrügen. Aber Sie werden nicht beide betrügen."
Das Überwachungstechnologieunternehmen Tiandy hat inzwischen mit einigen südamerikanischen Ländern Gespräche geführt, um auch in deren Gefängnissen ähnliche Technologien einzuführen.