Politik

Morsches System: „Franzosen sehen den Verfall ihres Landes“

Die Regierungs-Krise in Frankreich lähmt Frankreich. Experten warnen vor einem Abstieg Frankreichs. Die These vom deutsch-französischen Motor für Europa ist längst überholt. Die Regierung ist im Grunde handlungsunfähig.
07.04.2013 03:30
Lesezeit: 2 min

Die Franzosen hadern mit der Grande Nation. Das musste auch SPD-Kanzlerkandiat Peer Steinbrück bei seinem Besuch in Paris zur Kenntnis nehmen. Es gab eine kurze Unterredung mit Francois Hollande, danach war nicht einmal mehr Zeit für eine gemeinsame Stellungnahme, weil Hollande zur nächsten Krisen-Sitzung eilen musste.

Hollande gerät immer mehr unter Druck und wird damit auch zum Unsicherheitsfaktor für die EU. Noch nie habe es einen so schwachen Präsidenten gegeben, der vor einer so schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Situation gestanden habe, sagte ein französischer Offizieller der Financial Times. Die Opposition radikalisiert sich (mehr hier) und der Finanzskandal um Jérôme Cahuzac, der ein geheimes Schweizer Bankkonto mit 600.000 Euro verschwiegen hat (mehr hier), kostet die Regierung das Vertrauen der Bevölkerung.

Dabei geht es nicht nur um die Personaldebatte der politischen Elite in Frankreich. Hollande, Ayrault sowie Finanzminister Pierre Moscovici streiten ab, von den Machenschaften Cahuzacs gewusst zu haben. Es gehe auch nicht nur um die schwierige, ökonomische Lage, sagte Laurent Bouvet, Professorin für Politikwissenschaften an der Universität in Versailles der FT. Es gehe um die tiefe Verunsicherung und Angst in Frankreich: „Die Franzosen sehen dem Verfall ihres Landes zu.“

Der französische Präsident kann sich dieser grundsätzlichen Frage jedoch nicht widmen. Er ist vor allem damit beschäftigt, seine Regierung zusammen zu halten, als sein Land zu regieren. Gerüchten zufolge soll Hollande bereits in Erwägung gezogen haben, Premierminister Jean-Marc Ayrault auszutauschen, da ihm die notwendige Autorität für das Amt fehle, berichtet die FT. Auch die Umfragewerte von Hollande sind im Keller (siehe Grafik). Die Arbeitslosigkeit erreicht bald 11 Prozent (hier).

Das Defizit-Ziel wird Frankreich definitiv nicht erreichen. Hollande will noch mehr Schulden machen (hier), weil er eine Politik verfolgt, in der der Staat die Wirtschafts leiten soll - in der Regel mit dem Einsatz von Steuergeldern.

Die enge Verzahnung von Politik und Wirtschaft hat in Frankreich eine lange Tradition. Erfolgreich war dies in der Regel vor allem für die herrschenden Eliten in beiden Bereichen. In der Krise dürfte sich diese mésalliance allerdings als existenzbedrohende Gefahr erweisen.

Lesen Sie auch:

Morsches System Sigmar Gabriel: VW-Berater und Klassenkämpfer

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Grillmarkt in der Krise? Holzkohle wird teurer
03.07.2025

Grills verkaufen sich längst nicht mehr von selbst. Nach Jahren des Booms mit Rekordumsätzen schwächelt die Nachfrage. Händler und...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliarden für Dänemark – Deutschland geht leer aus
03.07.2025

Dänemark holt 1,7 Milliarden DKK aus Deutschland zurück – ohne die deutsche Seite zu beteiligen. Ein heikler Deal im Skandal um...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen im Visier: Schweiz plant Enteignung durch Erbschaftssteuer für Superreiche
03.07.2025

Die Schweiz steht vor einem Tabubruch: Kommt die 50-Prozent-Steuer auf große Erbschaften? Die Eidgenossen debattieren über ein riskantes...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Drogeriehandel: Wie dm, Rossmann und Müller den Lebensmittelmarkt verändern
03.07.2025

Drogeriemärkte verkaufen längst nicht mehr nur Shampoo und Zahnpasta. Sie werden für Millionen Deutsche zur Einkaufsquelle für...

DWN
Technologie
Technologie KI-Gesetz: Bundesnetzagentur startet Beratungsservice für Unternehmen
03.07.2025

Die neuen EU-Regeln zur Künstlichen Intelligenz verunsichern viele Firmen. Die Bundesnetzagentur will mit einem Beratungsangebot...

DWN
Panorama
Panorama Sprit ist 40 Cent teurer an der Autobahn
03.07.2025

Tanken an der Autobahn kann teuer werden – und das oft völlig unnötig. Eine aktuelle ADAC-Stichprobe deckt auf, wie groß die...

DWN
Politik
Politik Brüssel kapituliert? Warum die USA bei den Zöllen am längeren Hebel sitzen
03.07.2025

Die EU will bei den anstehenden Zollverhandlungen mit den USA Stärke zeigen – doch hinter den Kulissen bröckelt die Fassade. Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen USA dominieren die Börsen
03.07.2025

Die Börsenwelt bleibt fest in US-Hand, angeführt von Tech-Giganten wie Nvidia und Apple. Deutsche Unternehmen spielen nur eine...