Finanzen

Zypern: Deutsche Steuer-Milliarden versickern im Geldwäsche-Sumpf

Angela Merkel hat den Deutschen versprochen, sie werde in Zypern aufräumen, wenn deutsche Steuergelder dorthin fließen. Nun belegt ein Geheimbericht: Bei den zypriotischen Banken herrscht das pure Chaos, fast 60 Prozent aller Konten haben mit Schwarzgeld zu tun. Beobachter sagen: Solch einem Land würde ich privat niemals Geld geben. Und Merkel?
21.05.2013 10:16
Lesezeit: 2 min

Fast 60 Prozent der zypriotischen Bankkunden stellen ein hohes Risiko im Hinblick auf Geldwäsche dar, und fast ein Drittel aller Anleger-Daten enthalten Fehler, so ein vertraulicher EU-Bericht. Im April hatte Merkel dem Bundestag versprochen, sie werde in Zypern aufräumen, wenn die Abgeordneten der EU-Rettung für Zypern zustimmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte  gesagt, sie werde dafür sorgen, dass das Geld der deutschen Steuerzahler in sichere Hände kommt.

Das ist ihr offenbar gelungen.

Das Geld der Deutschen ist in die Hände von Schwarzgeld-Oligarchen aus aller Herren Länder geraten.

Dort ist es sicher, das stimmt.

Doch ein Bericht, der auf der zypriotischen Webseite Stockwatch veröffentlicht wurde, zeigt, dass von Aufräumen nicht die Rede sein kann.

Der Bericht ist eine einzige Ernüchterung (Die Original-Zusammenfassung/Englisch - hier).

Für Merkel kann die Sache noch sehr unangenehm werden. Es dürfte sich nämlich herausstellen, dass Merkel und Schäuble einen geradezu abenteuerlich lockeren Umgang mit den deutschen Steuergeldern gepflogen haben - die Überweisung nach Zypern hätte unter den gegebenen Umständen niemals erfolgen dürfen. Selbst Euro-Retter in Brüssel sind schockiert: „Wenn die Deutschen den Bericht sehen, könnten sie sagen: ‚Einem solchen Land würde ich kein Geld geben‘“, sagte ein EU-Diplomat dem EUObserver.

Der US-Wirtschaftsprüfer Deloitte prüfte im Auftrag der Euro-Finanzminister die sechs zypriotischen Banken, die 2 Milliarden Euro oder mehr an Einlagen halten. Zudem prüfte der Wirtschaftsprüfer 90 große Schuldner mit Krediten in Höhe von insgesamt 16 Milliarden Euro, 180 Großanleger mit Einlagen von insgesamt 8 Milliarden Euro und 120 zufällig ausgewählte Bank-Kunden.

Zehn Prozent der Personen sind „politisch verwickelt“, 58 Prozent stellen ein „hohes Risiko“ im Hinblick auf Geldwäsche dar, so der Bericht. Deloitte erlangte diese Informationen durch „einfache Checks bei geschäftlichen Datenbanken“. Die Banken hatten diese Prüfungen nicht durchgeführt.

Zudem enthielten 27 Prozent der Daten von Kontoinhabern und 11 Prozent der Daten von Kreditnehmern „inkorrekte Informationen“. Die zypriotischen Banken verlassen sich meist auf Informationen, die sie von Seiten der Kunden erhalten. Dadurch ist die Identität der Kunden nicht sicher.

Bei komplizierteren Fällen, wenn zwischen der Bank und dem wirklichen Kontoinhaber mindestens drei Zwischenfirmen existieren, führen die Banken sogar nur in 9 Prozent der Fälle ordentliche Identitäts-Überprüfungen durch.

Zwischen 2008 und 2012 führten die Banken nur vier interne Prüfungen zu möglicher Geldwäsche durch. Dabei meldeten sie null „verdächtige Transaktionen“ an die zypriotischen Behörden in den Jahren 2008, 2010 und 2011. Im Jahr 2012 meldeten sie „einige“ verdächtige Transaktionen, so der Bericht. Deloitte hingegen bemerkte allein in den vergangenen 12 Monaten 29 Fälle, von denen der Wirtschaftsprüfer einige als „sehr zwingende Fälle“ beschreibt.

Der Bericht sagt: „Die Analyse von Deloitte deckt systemische Mängel bei der Umsetzung präventiver Maßnahmen durch die geprüften Institutionen.“ Politiker, die den Medien in den vergangenen Monaten versicherten, dass Zypern sich an internationale Standards halte, werden durch den Deloitte-Bericht korrigiert.

Auch Moneyval, eine Einheit des EU-Rats, hatte Zypern in früheren Berichten ein gutes Zeugnis ausgestellt und steht nun blamiert da. Als zwischenstaatliche Institution kann Moneyval nur auf Daten der zypriotischen Regierungsbehörden zugreifen. Aus diesem Grund hatten die Euro-Finanzminister Deloitte mit dem nun vorliegenden Bericht beauftragt.

Was man an der Sache am allerwenigsten versteht: Warum haben die Finanzminister erst geprüft, nachdem die ersten Milliarden nach Zypern geflossen sind? Die EU hatte Monate Zeit, die europäischen Banken vor dem Haircut zu warnen - hätte man in der Zeit nicht auch prüfen können, in welchem Zustand die Banken sind?

Der Fall zeigt neben dem grenzenlosen Dilettantismus auch, wie man sich den Vorgang von Bankenrettungen in Zukunft vorstellen muss. Die EU wird nicht bloß Zugriff auf die Zwangsabgabe erhalten. Die Banken werden gezwungen, alle Daten der Kunden herauszurücken.

Der Schulden-Wahn treibt die europäische Politik immer weiter auf Abwege.

Der Fall Zypern zeigt jedoch: Niemand ist unfähiger, sich um das Geld der Bürger zu kümmern als der Staat.

Allerdings ist der Staat, wie man sieht, auch unverfroren wie kein anderer, wenn es um das Geld der Bürger geht und er selbst bis zum Hals im Schuldensumpf steckt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...