Finanzen

Analyst: Spanien-Bailout wird zu Flucht aus Staatsanleihen führen

Die Konstruktion für den spanischen Banken-Bailout dürfte negative Reaktionen auf dem Bond Markt nach sich ziehen. Die die EU als Gläubiger erhält Vorrang vor privaten Gläubigern, die Staatsanleihen halten. Damit könnte sich die Flucht aus spanischen und italienischen Papieren beschleunigen. Der Druck auf Deutschland, für die Schulden der andere zu haften, dürfte sich damit ebenfalls weiter erhöhen.
10.06.2012 01:15
Lesezeit: 2 min

Die von der Euro Gruppe beschlossene Form (Originalerklärung hier) für den spanischen Banken-Bailout dürfte es den Spaniern noch schwerer machen, sich an den Märkten mit frischem Kapital zu versorgen. Zwar ist die scheinbar clevere Konstruktion dazu gedacht, das spanische Staatsdefizit nicht weiter zu erhöhen. Doch die geplante Auszahlung über den ESM bewirkt, dass die offiziellen Gläubiger – in diesem Fall der ESM – vorrangig gegenüber allen privaten Gläubigern Spaniens behandelt werden. Dies bedeutet, dass die EU im Falle einer Pleite besser geschützt ist als die gegenwärtigen Halter von Staatsanleihen. Eine vergleichbare Konstruktion hat es bereits in Griechenland gegeben, wo die Europäische Zentralbank (EZB) und der IWF bevorzugten Gläubigerstatus innehaben.

Nicholas Spiro, Analyst bei Spiro Sovereign Strategy, sagte dem Nachrichtendienst Bloomberg: „Es ist unwahrscheinlich, dass die Reaktion der Märke positiv sein wird, denn der Bailout senkt die Bonität Spaniens.“ Die Ratingagentur Fitch hatte am Freitag angekündigt, die Ratings von Spanien und Italien zu überprüfen, wenn es zu dem Bailout kommt. Die Märkte rechnen mit einer Ansteckung Spaniens, weil man davon ausgeht, dass Italien der nächste Kandidat für EU-Hilfen sein dürfte.

Wenn aber der Kauf von Staatsanleihen für private Anleger riskanter wird als das Engagement der supranationalen Organisationen, dann ist zu erwarten, dass sich die Kapitalflucht aus spanischen und italienischen Bonds weiter beschleunigen wird.

Zu Irritationen dürfte auch führen, dass die neuen Schulden, die Spanien nun über seinen Bankenrettungsfonds FROB bei der Eurozone macht, mit 4 Prozent deutlich günstiger sein werden als die 6 Prozent, die Spanien derzeit für Kredite am Markt aufnehmen muss. Dies wird auch andere Euro-Staaten veranlassen, lieber Geld beim ESM abzuholen als auf dem freien Markt darum kämpfen zu müssen. Irland versucht schon seit längerem, eine Umschuldung auf den EFSF zu versuchen. Nach dem Spanien-Deal werden die Iren diese Anstrengung verstärken. Der irische Wirtschaftsprofessor Seamus Coffey hat seiner Regierung nach Bekanntwerden des Deals empfohlen, bei der EU zu erreichen, dass die Rückzahlung der irischen Schulden auch über den EFSF laufen solle. Vor allem wollen die Iren eine längere Rückzahlungsfrist gewährt bekommen.

Der amerikanische Finanzminister Timothy Geithner begrüßte den Deal, weil er in ihm den ersten Schritt zu einer echten Finanz-Union sieht. Damit hat er recht: Denn künftig werden andere Länder versuchen, ähnliche Deals zu schließen. Vor allem die italienischen Banken könnten nun angeregt werden, sich ebenfalls von den europäischen Steuerzahlern retten zu lassen. Beobachter sprechen schon von einer "Einladung zum Selbstmord" für die italienischen Banken.

Klar ist auch, dass dieser erste Schritt in eine Finanzunion den Druck auf Deutschland signifikant erhöhen wird: Denn irgendjemand muss auch bei der raffiniertesten Konstruktion am Ende für die Schulden aufkommen. Mit dem Spanien-Deal sitzen die deutschen Steuerzahler in dieser Hinsicht auf jeden Fall in der ersten Reihe.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Geopolitischer Showdown in der Türkei: Selenskyj, Putin – und Trump im Anflug
13.05.2025

Ein historisches Treffen bahnt sich an: Während Selenski den russischen Präsidenten zu direkten Friedensgesprächen nach Istanbul...

DWN
Panorama
Panorama Umwelt? Mir doch egal: Klimaschutz verliert an Bedeutung
13.05.2025

Klimaschutz galt lange als gesellschaftlicher Konsens – doch das Umweltbewusstsein in Deutschland bröckelt. Eine neue Studie zeigt, dass...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohntraum wird Luxus: Preise schießen in Städten durch die Decke
13.05.2025

Die Preise für Häuser und Wohnungen in Deutschland ziehen wieder deutlich an – vor allem in den größten Städten. Im ersten Quartal...

DWN
Finanzen
Finanzen Wird die Grundsteuer erhöht? Zu viele Ausgaben, zu wenig Einnahmen: Deutsche Kommunen vorm finanziellen Kollaps
13.05.2025

Marode Straßen, Bäder und Schulen: Fast neun von zehn Städten und Gemeinden in Deutschland droht in absehbarer Zeit die Pleite. Bereits...

DWN
Politik
Politik EU im Abseits: Trump bevorzugt London und Peking – Brüssel droht der strategische Bedeutungsverlust
12.05.2025

Während Washington und London Handelsabkommen schließen und die USA gegenüber China überraschend Konzessionen zeigen, steht die EU ohne...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona nie wieder gesund? Die stille Epidemie der Erschöpfung
12.05.2025

Seit der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der ME/CFS-Betroffenen in Deutschland nahezu verdoppelt. Rund 600.000 Menschen leiden inzwischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtkampf der Tech-Eliten: Bill Gates attackiert Elon Musk – „Er tötet die ärmsten Kinder der Welt“
12.05.2025

Ein milliardenschwerer Konflikt zwischen zwei Symbolfiguren des globalen Technologiekapitalismus tritt offen zutage. Der frühere...

DWN
Politik
Politik Pflege am Limit? Ministerin fordert Reform für mehr Eigenverantwortung
12.05.2025

Pflegekräfte sollen mehr dürfen und besser arbeiten können – das fordert Gesundheitsministerin Nina Warken zum Tag der Pflegenden....