Kai Konrad, Chef des Wissenschaftlichen Beirats beim Finanzministerium, prognostiziert einen Austritt Deutschlands aus der Eurozone in ein paar Jahren. Ein abgewerteter Euro sei gut für die angeschlagene Wirtschaft im Süden Europas. Eine neue starke D-Mark sei gut für die Deutschen.
Der Wissenschaftliche Beirat versteht sich als wissenschaftliches Gewissen der Bundesregierung.
Die Aussagen von Konrad sind daher von Bedeutung: Sie sind nicht bloß die Privatmeinung eines Gelehrten. Es ist davon auszugehen, dass der Beirat seine Bedenken über die Zukunft der Eurozone auch Schäuble mitgeteilt hat.
Griechenland sei zu einem „Fass ohne Boden“ geworden, sagte Konrad im Interview mit Die Welt. Die Wirtschaftsleistung des Landes schmelze dahin und seine Schulden stiegen. Die Lösung dieses Problems sei jedoch nicht, dass Griechenland aus dem Euro aussteigt.
„Die dann wegen der Währungsabwertung höheren Auslandsverbindlichkeiten würden das Land erdrücken. Wenn man die Währungsunion aufbrechen will, sollte man dies an der Nordgrenze tun. Wenn, dann muss Deutschland aus dem Euro raus.“
Die wirtschaftlichen Zustände in einigen Ländern würden unerträglich, so Konrad. Hinzu kämen politische Unruhen. „Wenn Deutschland und ein paar andere starke Länder die Währungsunion verlassen, wird der Euro abwerten und die südeuropäischen Länder kämen wirtschaftlich wieder auf die Beine.“
Auch die deutsche Wirtschaft könnte vom Euro-Austritt profitieren. „Sie hat die regelmäßigen Aufwertungen der D-Mark in früheren Jahrzehnten immer wieder gemeistert und wurde so fit für den Wettbewerb“, sagte Konrad.
Allerdings müsste dann auch die Bundesbank viel Geld drucken und große Summen in Fremdwährungen aufkaufen, um dem Aufwertungsdruck der neuen D-Mark entgegenzuwirken. Dass daraus ein Währungskrieg entsteht, fürchtet Konrad nicht. Denn Deutschland würde eine gemäßigte Aufwertung zulassen. Die gemäßigte Aufwertung sei ja genau das Ziel des Euro-Austritts. Konrads Äußerungen legen nahe, dass der Euro den Deutschen geschadet hat:
„In der jüngst veröffentlichten Vermögensstatistik in Europa hat Deutschland weit unterdurchschnittlich abgeschnitten. Die Politik und die Medien haben diese Ergebnisse heruntergespielt. Wir müssen aber akzeptieren: Deutschland ist klein im Verhältnis zur EU. Und Deutschland ist relativ zu seinen Nachbarn in den vergangenen 15 Jahren deutlich ärmer geworden.“
Daher könne Deutschland die Eurozone nicht retten, sagte Konrad. Und auch die EZB sei dazu nicht in der Lage. Sie könne zwar den augenblicklichen Zustand noch einige Zeit aufrechterhalten, „und zwar mit weit geöffnetem Geldhahn und indem sie sich in die Fiskalpolitik einmischt“. Doch dadurch werde das Gefälle in der Eurozone weiter verstärkt, was zu Spannungen führen werde. Daher könne die Eurozone nur noch „ein paar Jahre“ überleben.
Wenn die Eurozone zerfalle, hafte Deutschland mit gut 27 Prozent für die bis dahin von der EZB gekauften Staatsanleihen von Krisenländern, sagte Konrad. Je länger also die Eurozone andauere und je mehr Staatsanleihen die EZB kaufe, desto teurer werde es für Deutschland.
Eigentlich hätte eine Währungsunion auch ohne eine politische Union gut funktionieren können, so Konrad. Doch dazu hätten Staaten mit überschuldeten Haushalten wirklich in die Umschuldung gemusst. Sie hätten eine viel striktere Haushaltsdisziplin einhalten müssen.
„Ich denke da an Staatsschuldenquoten in der Gegend von zehn Prozent der Wirtschaftskraft. Die politische Wirklichkeit sieht ja bekanntlich anders aus. Die andere Alternative ist eine echte politische Union in einem sehr starken und demokratisch legitimierten Zentralstaat in Europa. Aber das ist eine Wunschvorstellung, die mit den politischen Realitäten in Europa nichts zu tun hat.“
Die Meinung Konrads ist nicht der erste Vorstoß in Richtung eines Euro-Austritts Deutschland. Vor einigen Monaten hatte George Soros in Frankfurt am Main den Austritt Deutschlands als einzige Alternative zu einer umfassenden Vergemeinschaftung der Staatsschulden in der Euro-Zone genannt (hier).