Das weltweite Volumen an Fusionen und Übernahmen ist laut Daten des Finanzmarktdienstleisters Refinitiv im dritten Quartal auf 729 Milliarden US-Dollar gefallen. Das ist ein Rückgang um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal und das niedrigste Quartalsvolumen seit 2016.
Die Sorgen der Unternehmen im Hinblick auf den Handelskrieg zwischen den USA und China hat das globale Wirtschaftswachstum auf den niedrigsten Stand seit einem Jahrzehnt gebracht und offenbar auch die Risikobereitschaft der Unternehmen gedämpft.
"Das Volumen an Fusionen und Übernahmen ist zurückgegangen, weil befürchtet wird, dass die Risiken an mehreren Stellen steigen könnten, in den Märkten und anderswo", zitiert Reuters Michael Carr, den globalen Co-Chef für Fusionen und Übernahmen bei Goldman Sachs.
Besonders betroffen von dem Rückgang waren die USA, wo die Konsumausgaben im Sommer kaum gestiegen sind und die Unternehmensinvestitionen weiterhin gedämpft bleiben. Das Volumen an Fusionen und Übernahmen sank im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent auf 246 Milliarden Dollar und damit auf den niedrigsten Stand seit 2014.
Asien, das nach einer Welle von Protesten von der Sorge um die Zukunft Hongkongs als Finanzzentrum betroffen war, entwickelte sich kaum besser. Die Fusionen und Übernahmen (merger & ain der Region sanken im Jahresvergleich um 20 Prozent auf 160 Milliarden Dollar, den niedrigsten Stand seit 2017.
"Unternehmen, die sich mit Transaktionen befassen, sind risikoaversiver geworden, was das M&A-Volumen für das laufende Jahr voraussichtlich verringern wird. Wir gehen jedoch davon aus, dass die M&A-Aktivitäten auch im nächsten Jahr stark sein werden", zitiert Reuters Robin Rankin, den globalen Co-Chef für Fusionen und Übernahmen bei der Credit Suisse.
Der einzige Lichtblick im dritten Quartal war Europa, wo Fusionen und Übernahmen im dritten Quartal 249 Milliarden Dollar erreichten, mehr als 45 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
"In Europa haben wir eine echte Mischung aus verschiedenen Arten von Transaktionen gesehen, die über verschiedene Sektoren und Regionen verteilt waren", sagte Eamon Brabazon, Co-Leiter Fusionen und Übernahmen für den Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika bei der Bank of America. "Dies ist ein Zeichen für einen gesunden Markt, denn wir verlassen uns nicht nur auf einen bestimmten Strang. Es gibt keinen offensichtlichen Grund zu der Annahme, dass der Markt für Fusionen und Übernahmen in absehbarer Zeit einbrechen wird", fügte er hinzu.
Großbritannien, wo sich die Unternehmen wegen der Unsicherheit im Hinblick auf den Brexit in billigere Übernahmeziele verwandelt haben, war mit einem Anteil von 6,4 Prozent am globalen Markt und einem Transaktionsvolumen von 177 Milliarden Dollar der größte Markt für Fusionen und Übernahmen in Europa.
Die Rekordschwäche des britischen Pfund Sterling ermutigte ausländische Käufer, britische Unternehmen zu kaufen. So hat Hongkongs reichster Mann Li Ka-shing den Pub-Betreiber Greene King erworben. Und die US-Investmentgesellschaft Blackstone hat fremdfinanzierte Übernahmen für Madame Tussauds und den Legoland-Besitzer Merlin vorgelegt. Ein großer Transaktionsversuch im dritten Quartal war Hong Kong Exchanges and Clearing's (HKEX) vorgeschlagener Übernahmeversuch für die London Stock Exchange (LSE) im Wert von 39 Milliarden Dollar. Letzterer hat jedoch die Angebote von HKEX bisher abgelehnt.
Der größte versuchte Deal im dritten Quartal war das Angebot des Marlboro-Herstellers Philip Morris International, wieder mit der Altria Group fusionieren. Dies wäre die größten Unternehmensfusion seit 2016 gewesen und hätte einen Tabakriesen mit einem Marktwert von mehr als 200 Milliarden Dollar geschaffen. Der Deal wurde aber letzte Woche wegen des Vorgehens der US-Regulierungsbehörden gegen E-Zigaretten aufgegeben.
Zu den großen Deals im Quartal, die es bis ins Ziel schafften, gehörten die 24,6 Milliarden Dollar Fusion des patentfreien Markenmedikamentengeschäfts des US-Arzneimittelriesen Pfizer mit dem niederländischen Arzneimittelunternehmen Mylan sowie die Fusion der beiden US-Medienunternehmen CBS und Viacom in einem 20 Milliarden Dollar umfassenden Aktiendeal.
Der Rückgang bei Fusionen und Übernahmen hat unter anderem auch die Folge, dass die Banken, die solche Deals abwickeln, in den kommenden Quartalen rückläufige Erträge verzeichnen werden. Die Entwicklung ist ein weiterer Hinweis auf eine mögliche bevorstehende globale Rezession, nachdem sich im laufenden Jahr bereits Börsengänge als historisch unprofitabel für Investoren erwiesen haben und Unternehmensinsider zuletzt massiv Aktien abgestoßen haben.