Politik

Österreich: Europas Labor für die Abschaffung der Marktwirtschaft

Lesezeit: 6 min
11.01.2020 16:06  Aktualisiert: 11.01.2020 16:06
Österreich hat seit wenigen Tagen eine Regierung aus ÖVP und den Grünen. In Brüssel wurde die Nachricht mit Begeisterung aufgenommen, da man sich eine Unterstützung des von der EU-Kommission gestarteten „Green Deal“ erhofft. Die Pläne der neuen Regierung zielen auf die Abschaffung oder zumindest die drastische Einschränkung der Marktwirtschaft und den Ausbau der Kontrolle durch Beamte ab. Der Spruch von Friedrich Hebbel aus dem Jahr 1872 ist hoch aktuell: „Dies Österreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält.“
Österreich: Europas Labor für die Abschaffung der Marktwirtschaft
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz. (Foto: dpa)

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Österreich hat seit wenigen Tagen eine Regierung aus der rechtskonservativen ÖVP und den Grünen. In Brüssel wurde die Nachricht mit Begeisterung aufgenommen, da man sich eine Unterstützung des von der EU-Kommission gestarteten „Green Deal“ erhofft. Tatsächlich ähnelt das Regierungsprogramm in Wien den Vorstellungen in Brüssel und geht sogar weit darüber hinaus, sodass, wenn das Programm umgesetzt wird, Österreich sich als Labor für grüne Politik empfiehlt. Die Pläne ergeben, in einem Satz zusammengefasst, die Abschaffung oder zumindest die drastische Einschränkung der Marktwirtschaft und den Ausbau der Kontrolle durch Beamte. Um die Betroffenen zu beschwichtigen kommt in dem 326 Seiten starken Programm 176 Mal das Wort fördern vor. Der Spruch von Friedrich Hebbel aus dem Jahr 1872 ist hoch aktuell: „Dies Oesterreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält.“

In Brüssel blickt man gespannt auf das österreichische Experiment

Die Grünen sind zwar der Juniorpartner in der Koalition, doch dominiert die Bekämpfung des Klimawandels das Regierungsprogramm und erfasst mit vielen Details alle Bereiche. Wie auch beim Brüsseler „Green Deal“ geht man von der Überzeugung aus, dass Regelungen, die in die Abläufe in den Unternehmen und Privathaushalten eingreifen, den CO2-Ausstoß verringern werden. Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, und ihr für den „Green Deal“ zuständiger Vize, Frans Timmermans, müssen allerdings zur Kenntnis nehmen, dass außer in Wien der Umbau der Wirtschaft zu einer vom Staat gesteuerten, grünen „Kreislaufwirtschaft“ wenig Anhänger hat. Also blickt man gespannt auf das Experiment in der Alpenrepublik.

Eine CO2-Steuer, die nicht CO2-Steuer heißen darf

Die Politiker im Hochsteuerland Österreich wissen, dass man mit einer neuen Steuer die Wähler verärgert. Im Regierungsprogramm ist daher auch viel von einer Steuersenkung die Rede. Und so findet man das Wort „CO2-Steuer“ nicht. Sie ist aber sehr wohl in einer, man kann fast sagen, diabolischen Form enthalten. In einer Form, die auch zu den bisher publizierten Elementen des Green Deal passt.

  • Man werde die „Kostenwahrheit bei den CO2-Emissionen erheben und eine CO2-Bepreisung vornehmen“, lautet die Formulierung. Und man ergänzt: Dies werde „über bestehende Abgaben oder ein nationales Emissionshandelssystem erfolgen“. Diese Satz heißt auf Deutsch übersetzt „Einführung einer CO2-Steuer“.
  • Damit nicht genug. Was heißt „Kostenwahrheit“ in diesem Bereich? Niemand kann heute beziffern, in welchem Ausmaß CO2 für den Klimawandel verantwortlich ist und in der Folge eine Klima-Erwärmung auslöst. Auch sind die Kosten der Klima-Erwärmung nicht abschätzbar. Also muss eine staatliche Stelle bestimmen, welche Kosten verursacht werden. Entscheidend wird die Meinung von Beamten und Experten sein, die von persönlichen Schätzungen ausgehen müssen.
  • Und die so ermittelten Kosten werden den Unternehmen und den Privathaushalten aufgebürdet.
  • „Über bestehende Abgaben“, die entsprechend der „Kostenwahrheit“ steigen müssen.

Um Auto fahren zu dürfen, wird man ein CO2-Zertifikat kaufen müssen

Oder über einen „nationalen Emissionshandel“.

o Dieser soll neben dem seit 2005 betriebenen EU-Emissionshandel errichtet werden. Die großen Energieversorger und Industriebetriebe, die im Rahmen des europäischen und internationalen Systems das Recht erwerben, CO2 auszustoßen, würde man ausklammern, und alle anderen erfassen.

o „Alle anderen“ sind alle kleinen- und mittleren Unternehmen, alle Privathaushalte, die heizen und Warmwasser verbrauchen, alle Autofahrer, die künftig Zertifikate zu kaufen hätten, um CO2 ausstoßen zu dürfen. Sprich: Um eine Unternehmen zu betreiben, zu heizen, Auto zu fahren etc. Wie viele Scheine gekauft werden müssen, ergibt sich aus der von einer Behörde festgestellten „Kostenwahrheit“.

  • Bei anderen Themen ist man nicht um derart komplizierte Umschreibungen bemüht:

o Flugticket-Preise sollen eine CO2-Abgabe enthalten. Dass jetzt schon die Steuern höher sind als der Flugpreis selbst, spielt keine Rolle.

o In Österreich muss man beim Kauf eines Autos schon lange eine zusätzliche Umsatzsteuer bezahlen, die Öko-Elemente enthält. Diese will man CO2-bezogen zusätzlich „spreizen“, wie es im Programm heißt.

Auf Seite 117, in einem Nebensatz, ist der Kern des Programms versteckt

Die Findung der Kostenwahrheit öffnet den Behörden die Möglichkeit, die Betriebe und die Privathaushalte einzustufen und dementsprechend je nach der verfügten Höhe Steuern vorzuschreiben. Doch haben die Verfasser des Regierungsprogramms in Wien offenbar erkannt, dass man eine derartige Maßnahme politisch nicht leicht überlebt. Und so haben sie eine Entschärfung eingebaut, die aber die Sache für die Betriebe im Endeffekt sogar verschlimmert.

  • Man werde unter den verschiedensten Titeln Förderungen einführen, um den Effekt der CO2-Besteuerung zu mildern.
  • Allerdings werden die Hilfen nur gewährt, um die „Energie-Effizienz in der Produktion in Industrie- und Gewerbe-Unternehmen …“ zu fördern. Diese Formulierung mag noch als akzeptabel durchgehen.
  • Der zweite Teil des Satze enthält jedoch einen Sprengstoff, der die Führung eines Unternehmens in Frage stellt:

o Förderung „der Erzeugnisse über deren Lebenszyklus, Einrichtung von Anreizsystemen für Unternehmen zum Ersatz ineffizienter Technologien“.

o Diese im ersten Moment harmlos klingende Bombe ist auf der Seite 117 in einem Unterabsatz versteckt und so ist die Dimension nicht offensichtlich.

  • Hier kommt das eigentliche Prinzip der viel zitierten und im Programm auch eifrig betonten „Kreislaufwirtschaft“ zum Ausdruck.

o Eine staatliche Stelle - sei es das Bundesumweltamt, die Gewerbebehörde, das Finanzamt oder eine sonstige vom Staat bestimmte Institution – beschließt die „Kostenwahrheit“.

o In der Folge will das betroffene Unternehmen den Betrieb umstellen und beantragt eine Förderung. Dann kommt wieder eine staatliche Stelle und beurteilt,

o ob die geplante Umstellung die entsprechende CO2-Reduktion bewirkt, ob sie nachhaltig ist und nicht zuletzt ob in allen weiteren Etappen der Wertschöpfungskette die Wiederverwertung der beim geplanten Produktionsprozess eingesetzten Rohstoffe gesichert ist.

o Bei der Entscheidung, welche Investition förderungswürdig ist, will man sich in Österreich auch an Brüssel orientieren: In Rahmen der EU-Kommission wird derzeit an einem Katalog von Projekten gearbeitet, die als „nachhaltig“ eingestuft werden. Dieser Katalog wird als „Taxonomie“ bezeichnet, ist aber in der derzeit vorliegenden Fassung noch nicht ausreichend klar für eine Anwendung in der Praxis.

  • Die neue, österreichische Regierung will sich mit der Wirtschaftslenkung allein nicht zufrieden geben. Man traut den Betrieben nicht und möchte daher Musterprojekte schaffen.

o „Spezielle Förderungen für industrielle Cluster-Leitprojekte von Branchenführern, bei denen Klimaschutz, Forschung und Entwicklung und Innovation einen hohen Stellenwert genießen“ sollen den Weg weisen.

Österreichs politische Landschaft bildet die europäischen Trends ab

Nicht nur bei der Umsetzung der „Kreislaufwirtschaft“ ist Österreich eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält. Auch die politische Landschaft passt in dieses Bild.

Im Mittelpunkt steht der erst 33jährige ÖVP-Obmann und Bundeskanzler Sebastian Kurz. Der junge Politiker punktet vor allem durch seine Ausstrahlung, die an einen Wunderheiler, einen Erlöser erinnert. Er spricht die weit verbreitete Enttäuschung über die etablierten Politiker an und weckt die Hoffnung, dass er als Junger die Probleme lösen werde. Das Image überzeugt nicht nur 37,5 Prozent der österreichischen Wähler, europaweit schwimmt der österreichische Kanzler auf einer Sympathiewelle.

Seine politische Ausrichtung entspricht dem aktuellen, europaweit zu beobachtenden Rechtsruck. Sein dominantes Thema ist die Abwehr der Flüchtlinge. In diesem Sinne bildete er auch seine erste Regierung 2017 gemeinsam mit der extrem rechten FPÖ, die allerdings in einer Serie von Skandalen unterging und allgemein nicht mehr als regierungsfähig angesehen wird.

  • Europaweit bekannt wurde das „Ibiza-Video“: Bei einem inszenierten Zusammentreffen mit einer vermeintlichen, russischen Oligarchin wünschte sich der bisherige Obmann der FPÖ, Heinz-Christian Strache, unter anderem den Kauf der größten österreichischen Tageszeitung und die Kündigung von FP-kritischen Journalisten. Im Gegenzug versprach er die Vergabe von Aufträgen an die Oligarchin unter Umgehung der gesetzlichen Richtlinien. Die Folge waren die Neuwahlen 2019.
  • Außerdem ist die FPÖ in kurzen Abständen gezwungen, sich von Nazi-Sprüchen ihrer Mitglieder zu distanzieren.

Kurz ist hingegen europaweit die Traumfigur der Rechten - immer höflich, aalglatt, nicht aus der Ruhe zu bringen, aber stramm rechts. Seine Botschaft an die FPÖ lautete auch, schafft Ruhe, dann machen wir gemeinsam weiter. Da aber immer noch ein Skandal dem nächsten folgt, gibt es nun die Koalition mit den Grünen. Wohl ohne zu ahnen, dass er eines Tages die Grünen wird umarmen müssen, hat Kurz 2017 die Farbe seiner Partei von „Schwarz“ zu „Türkis“ geändert. Zudem bringt er die Basis der Koalition auf einen einfachen Nenner ‚Die ÖVP kümmert sich um die Migration, die Grünen um den Klimawandel‘.

Auch die Entwicklung der Grünen passt zum europäischen Bild. Bei der Wahl 2017 flogen sie aus dem Parlament, bei den vorgezogenen Neuwahlen im Jahr 2019 erreichten sie unter ihrem neuen Obmann, Werner Kogler, 58, ein verblüffendes Comeback und erhielten 13,9 Prozent der Stimmen. Offensichtlich wirkte die weltweite Bewegung gegen den Klimawandel wie eine Schubkraft.

Die einst unter Bruno Kreisky und Hannes Androsch unschlagbare SPÖ ist, ebenfalls dem Europa-Trend entsprechend, zur Kleinpartei geschrumpft. Unter der neuen Obfrau, Pamela Rendi-Wagner, einer politisch unerfahrenen Quer-Einsteigerin, erhielt die SPÖ 2019 nur mehr 21,2 Prozent der Stimmen.

Keine liberale Alternative? Weder in Österreich noch in Europa?

Die unter dem Kürzel NEOS agierenden Liberalen kamen auf 8,1 Prozent der Stimmen. Das Ergebnis ist zwar für die in der österreichischen Politik nur schwach vertretene Gruppe eher hoch, zeigt aber die nach wie vor geringe Bedeutung dieser Ausrichtung.

Es ist auch bezeichnend für Österreich und angesichts des Green Deals wohl auch für ganz Europa, dass bei der Bekämpfung des Klimawandels der marktwirtschaftliche und liberale Zugang in den Hintergrund rückt. Liberale würden feststellen, welcher CO2 Ausstoß unter den derzeit technischen Gegebenheiten unvermeidlich ist und diesen Wert vorschreiben. Die Unternehmen und die Privathaushalte wären gezwungen, diesen Wert einzuhalten, auf welche Weise könnte jede und jeder für sich entscheiden. Und bei jedem technischen Fortschritt werden die Vorschriften entsprechend verschärft. Diese Methode wäre ohne Zweifel effektiver als der nun in Gang kommende Wust an Vorschriften. Man würde sich zudem Milliarden an Förderungen ersparen, die den drohenden Würgegriff durch die grüne Staatswirtschaft milden sollen.

                                                                            ***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.


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