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VDMA: „Der schwelende US-Handelskonflikt mit China hat dem deutschen Maschinenbau enorm geschadet“

Lesezeit: 4 min
22.01.2020 05:48  Aktualisiert: 22.01.2020 05:48
Der Maschinenbau ist eines der Flaggschiffe der Deutschen Wirtschaft. Olaf Wortmann, Volkswirt beim Fachverband VDMA, sprach mit den DWN über Probleme und Herausforderungen, vor denen die Branche derzeit steht.
VDMA: „Der schwelende US-Handelskonflikt mit China hat dem deutschen Maschinenbau enorm geschadet“
Der deutsche Maschinenbau kämpft derzeit an allen Fronten (Foto: dpa).
Foto: Oliver Berg

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Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Solange ist das abgelaufene Jahr noch nicht her. Deswegen werfen wir noch einmal einen Blick zurück. Aktuellen Zahlen zufolge hat die Gesamtwirtschaft Deutschlands 2019 ihre Leistung um 0,6 Prozent erhöht. Wie bewerten Sie die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und welche Rolle hat der Maschinenbau dabei gespielt?

Olaf Wortmann: Das vergangene Jahr war konjunkturell gesehen ein schwaches Jahr. Das liegt daran, dass nur der Konsum und die Bauinvestitionen wachsen konnten. Die Ausrüstungsinvestitionen kamen nur ganz knapp ins Plus, der Außenbeitrag war sogar rückläufig. Während die Dienstleistungen auf Wachstumskurs blieben, spürten nahezu alle Industriebranchen starken Gegenwind. Auch der Maschinenbau konnte keinen Beitrag zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts leisten. In Zeiten wie diesen, in denen die Weltkonjunktur deutlich an Schwung verloren hat, zu viele politisch motivierte Verwerfungen zur Zurückhaltung bei der Auftragsvergabe durch potenzielle Investoren geführt haben und – als wäre das noch nicht genug – der Automobilbau als einer der bedeutendsten Kunden des Maschinenbaus in einem tiefen strukturellen Wandel steckt, kann der Maschinenbau nicht zu einem Wachstum beitragen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Branchen innerhalb des Maschinenbaus waren hier besonders wichtig?

Olaf Wortmann: Die Produktion im Maschinenbau ist im vergangenen Jahr voraussichtlich um rund zwei Prozent gesunken. Das ist natürlich nur eine Durchschnittsbetrachtung. Und wie immer eröffnet sich fachlich differenziert eine große Bandbreite für die Teilbranchen. Das Dezember-Ergebnis können wir erst Anfang Februar errechnen. Daher muss ich mich in meiner Aussage auf die Resultate für die ersten elf Monate des Jahres beschränken. In diesem Zeitraum konnten Bergbaumaschinen, Power Systems, Aufzüge und Fahrtreppen, Baumaschinen und Baustoffanlagen, Armaturen, Flüssigkeitspumpen und auch Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen expandieren. Einige dieser Fachzweige konnten sogar starke Plusraten verzeichnen, andere hingegen kamen nur knapp über die Stagnation hinaus.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Können Sie den Schaden beziffern, den der schwelende Handelskonflikt zwischen den USA und China den deutschen Maschinenbauern bisher gebracht hat?

Olaf Wortmann: Das ist leider nicht möglich. Jeder Geschäftsverlauf geht auf mehrere Ursachen zurück. Nichts ist wirklich monokausal. Aber ich gehe davon aus, dass er den deutschen Maschinenbauern enorm geschadet hat. Weit mehr noch: Der Konflikt hat die gesamte globale Wirtschaftslage in starkem Maße mitgeprägt.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Bedeutung hat dieser Konflikt grundsätzlich für den deutschen Maschinenbau?

Olaf Wortmann: Die chinesische Wirtschaft wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Auch die Industrie in den USA und die amerikanischen Verbraucher wurden belastet, allerdings weniger stark. Und gerade die USA und China sind unsere größten Auslandskunden. Außerdem geht es nicht nur darum, dass unsere Exporte in diese Länder über die verminderten konjunkturellen Auftriebskräfte tangiert sind oder dass deutsche Auslandstöchter in China schlechter laufen. Es geht vor allem auch um das hohe Maß an Unsicherheit, das entstanden ist. Lange Zeit musste man nicht nur fürchten, dass sich die Zollspirale weiterdreht, sondern auch, dass es zu einem Abwertungswettlauf der Währungen kommt. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die globalen Wertschöpfungsketten. Insofern haben sich auch einige potenzielle Investoren mit dem Bestellen von Maschinen zurückgehalten, weil sie einfach nicht wissen, wo in Zukunft was und wieviel produziert wird. Und leider ist dieser Attentismus nicht auf die Kunden aus diesen beiden Ländern beschränkt.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie bewerten Sie die neueste Etappe im Streit – das sogenannte Phase-1-Handelsabkommen?

Olaf Wortmann: Dieser Abschluss wird häufig zurecht kritisch beäugt, weil beispielsweise nicht sicher ist, ob die Chinesen das vereinbarte höhere Importvolumen aus den USA auch realisieren. Außerdem wird die Chance auf den Abschluss eines Folgeabkommens angezweifelt, weil die Positionen der Verhandlungspartner extrem weit auseinander liegen. Doch davon abgesehen: Es lässt sich ganz klar feststellen, dass durch das Phase-1-Abkommen eine weitere Eskalation des Konflikts vermieden worden ist. Das ist also durchaus ein positives Signal. Ich bin sicher, dass sich das auch auf den Bestelleingang im Maschinenbau auswirken wird.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Ein sehr wichtiges Thema bleibt der Brexit. Großbritannien wird wohl die EU verlassen, auch wenn die Bedingungen dafür noch nicht klar sind. Wie dürfte sich der Konflikt auf den deutschen Maschinenbau auswirken – sind insbesondere Arbeitsplätze betroffen?

Olaf Wortmann: Im vergangenen Jahr lieferten die deutschen Unternehmen Maschinen im Wert von rund 7,7 Milliarden Euro in das Vereinigte Königreich. Das entspricht einem Anteil an den gesamten Maschinenexporten in Höhe von 4,3 Prozent. Das Vereinigte Königreich ist damit unser fünftgrößter Auslandskunde. Der Brexit wirkt sich nicht erst jetzt, sondern bereits seit der Volksbefragung im Juni 2016 auf den Maschinenbau aus. Denn auch hier geht es wieder um Unsicherheit, konkret um die Unsicherheit über die künftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und den Ländern der Europäischen Union. Und Unsicherheit ist Gift für das Investieren und damit für unser Geschäft. Wir können also einen weiteren Rückgang unserer Exporte nicht ausschließen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Zwischen Deutschland und Großbritannien gibt es bereits über Jahrzehnte hin Handelsstrukturen, die durch den Brexit gestört werden. Lassen sich die Verluste, die der Austritt Großbritanniens aus der EU wohl für den Maschinenbau bringt, überhaupt ersetzen?

Olaf Wortmann: Nicht nur Handelsstrukturen werden durch den Brexit in Mitleidenschaft gezogen, auch Wertschöpfungsketten sind betroffen. All das kostet auch den Maschinenbau Aufträge. Allerdings kann es vereinzelt auch zu positiven Effekten kommen. Wenn beispielsweise eine Produktion von Großbritannien in ein anderes Land verlagert wird, könnten dort neue Maschinen aus Deutschland bestellt werden.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Lassen sich die Verluste durch den Brexit durch verstärkten Handel mit anderen Ländern ersetzen?

Olaf Wortmann: Für Maschinenbauer gehören starke Schwankungen zum Alltag. Sie haben gelernt damit umzugehen und sind kontinuierlich dabei, neue Märkte zu erschließen bzw. in angestammten Märkten noch stärker Fuß zu fassen. Insofern ist es keine neue Herausforderung für sie, Verluste auf einem Markt durch zusätzliche Verkäufe auf einem anderen Markt zu kompensieren. Aber es ist doch frustrierend, dass es soweit kommen musste. Der Brexit bringt aus unserer Perspektive sowohl für UK als auch für die Länder der EU überwiegend Nachteile mit sich. Besser wäre es, wenn gar nichts hätte kompensiert werden müssen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie dürfte sich der Maschinenbau im laufenden Jahr und in den kommenden Jahren wohl entwickeln – wagen Sie eine Wachstumsprognose?

Olaf Wortmann: Für 2020 rechnet der VDMA mit einem weiteren Rückgang der Produktion um rund zwei Prozent. Der Auftragseingang hat in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres mit einem Minus von 9 Prozent gegenüber Vorjahr kontraktive Impulse gesetzt. Da die Vorlaufzeit des Auftragseingangs zur Produktion mehrere Monate beträgt, dürfte die Produktion im laufenden Jahr noch viele Monate lang unter Druck sein. Selbst wenn bedeutende Frühindikatoren möglicherweise schon die Talsohle erreicht haben, könnten die Orders von Maschinen frühestens in ein paar Monaten darauf reagieren. Doch das wäre zu spät, um bereits in diesem Jahr mit der Produktion wieder auf Wachstumskurs zu kommen. Eine Produktionsprognose für 2021 werden wir im Herbst dieses Jahres veröffentlichen. Gegenwärtig lässt sich aber schon sagen, dass einige Frühindikatoren wie auch das Ifo-Geschäftsklima möglicherweise auf der Talsohle angelangt sind und das Phase-1-Abkommen sicherlich positiv wirken wird. Unklar ist hingegen, wie die künftigen Beziehungen zwischen UK und den EU-Ländern sein werden und wie stark der Strukturwandel im Fahrzeugbau den Maschinenbau auch in Zukunft belasten wird.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Herr Wortmann, herzlichen Dank für das Gespräch.

 


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