Technologie

Die Verunglimpfung des Diesels ist großes Unrecht

Die Entscheider hierzulande machen es dem Dieselmotor zunehmend schwer, viele wollen ihn sogar ganz verbieten. Doch er ist viel umweltfreundlicher als sein Ruf - gerade auch im Vergleich zum Elektromotor.
Autor
26.03.2020 16:00
Lesezeit: 5 min
Die Verunglimpfung des Diesels ist großes Unrecht
Illustration: Timo Würz

Im Kampf um die Zukunft der Mobilität in Deutschland ist das Dieselauto auf dem Rückzug. Inzwischen fordern nicht mehr nur die Grünen Mindestquoten für Elektroautos und in naher Zukunft sogar den kompletten Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor. Die Kritiker werfen dem Dieselmotor vor, dass er zu viel Feinstaub, Stickstoffdioxid (NO2) und Kohlenstoffdioxid (CO2) ausstößt. Denn Feinstaub und Stickstoffdioxid sind in höheren Konzentrationen gesundheitsschädlich und Kohlenstoffdioxid trägt nach Ansicht der Kritiker dazu bei, das Klima auf negative Weise zu verändern. Daher wollen sie nun möglichst schnell durchsetzen, dass Dieselautos und Benziner durch emissionsfreie Autos ersetzt werden, etwa durch Elektroautos oder Wasserstoffautos.

Die Befürworter des Diesels weisen die drei Kritikpunkte zurück. Zwar räumen sie ein, dass Dieselautos tatsächlich Stickstoffdioxid und Kohlenstoffdioxid ausstoßen – im Gegensatz zu Elektroautos, doch nach Ansicht der Dieselbefürworter ist der NO2-Ausstoß bei modernen Dieselmotoren so gering, dass der gesundheitliche Schaden zu vernachlässigen ist. Und auch zum vermeintlichen Schaden durch CO2-Ausstoß haben sie starke Gegenargumente. Zudem weisen sie auf den Schaden für den Wirtschafts- und Technikstandort Deutschland hin, der mit der Abkehr vom Diesel einhergeht. Denn deutsche Verbrennungsmotoren sind äußerst effizient, kräftig und zuverlässig sowie auch sauberer als die Motoren ausländischer Hersteller.

Moderne Dieselmotoren aus Deutschland sind weitaus umweltfreundlicher als man es in der aktuellen Diskussion hierzulande vermuten würden. So hat zum Beispiel die durch den Straßenverkehr verursachte Feinstaubbelastung im Verlauf der letzten Jahrzehnte stark abgenommen – trotz des deutlich höheren Verkehrsaufkommens. Und der größte Teil des Feinstaubs auf deutschen Straßen wird heute nicht etwa durch Motoren verursacht, sondern durch den Abrieb von Bremsen, Kupplungen und Reifen, der bei allen Fahrzeugtypen und unabhängig vom Antrieb anfällt. Wenn Dieselmotoren in Zukunft allesamt mit modernen Partikelfiltern ausgerüstet sind, wird der durch sie verursachte Feinstaub auch kein Problem mehr darstellen.

Auch die Kritik am Dieselmotor wegen des Ausstoßes von Stickoxid ist massiv übertrieben. Zwar tragen die Abgase von Dieselfahrzeugen hierzulande an vielen Straßen in den Ballungsräumen durchaus maßgeblich dazu bei, dass die strengen EU-Grenzwerte immer wieder überschritten werden, doch lediglich die älteren Dieselmotoren verursachen einen hohen Stickoxidausstoß. Und diese Modelle werden nach und nach durch moderne ersetzt. Jene Diesel-PKW, welche die seit September letzten Jahres geltenden Euro-6d-Abgasnormen erfüllen, stoßen auch unter realen Bedingungen kaum noch Stickoxid aus.

Die Kritik der Dieselgegner am CO2-Ausstoß der Verbrennungsmotoren trifft gleich auf eine ganze Reihe von Gegenargumenten. So wird von den sogenannten „Klimaleugnern“ ganz grundsätzlich in Frage gestellt, inwiefern ein bisschen mehr CO2 überhaupt ein Problem darstellen soll. Denn Pflanzen benötigen dieses Gas, um wachsen und gedeihen zu können. Der durch den Menschen bewirkte Anstieg der CO2-Konzentration fördert das Pflanzenwachstum, sodass die zusätzlichen Pflanzen wieder mehr CO2 binden können, bis sich ein stabiles Gleichgewicht einstellt.

Doch selbst wenn man kein „Klimaleugner“ ist und das vorgegebene Ziel akzeptiert, dass weniger CO2 ausgestoßen werden soll, so sind Dieselautos dazu weitaus besser geeignet als Elektroautos. Denn letztere sind nicht nur sehr teuer, da für ihre Herstellung im großen Umfang knappe Ressourcen eingesetzt werden müssen – vor allem für die Batterien. Sondern man müsste für eine Umstellung auf Elektroautos auch eine flächendeckende Ladeinfrastruktur aufbauen, was ebenfalls massiv Ressourcen kosten würde. Zudem haben E-Autos für viele Zwecke viel zu geringe Reichweiten und das umweltschonende Recycling der Batterien ist ebenfalls noch nicht geklärt.

Diese Probleme im Zusammenhang mit der Elektromobilität zeigen, warum Dieselautos wahrscheinlich besser für die Umwelt sind als E-Autos. Der einzige Vorteil der batteriebetriebenen Autos ist, dass sie dort, wo sie fahren, wirklich überhaupt keine Abgase ausstoßen, während moderne Dieselfahrzeuge minimale Mengen Stickoxid und größere Mengen CO2 ausstoßen. Doch auch wenn E-Autos beim Fahren selbst keine Emissionen verursachen, so fallen diese einfach an anderer Stelle an, nämlich bei der energieaufwendigen Herstellung der Lithium-Ionen-Batterien und natürlich bei der Stromerzeugung.

Die Stromerzeugung kommt in Deutschland zumindest derzeit noch etwa zur Hälfte aus Kohle und Gas. Daher wird auch die insgesamte CO2-Bilanz eines Elektroautos hierzulande auf absehbare Zeit viel schlechter sein, als die von Autos mit Verbrennungsmotoren. Dieselautos stoßen sogar noch deutlich weniger CO2 aus als Benziner. Wer also wirklich der Ansicht ist, dass man im Kampf gegen die Klimaerwärmung den CO2-Ausstoß verringern muss, der sollte heute den Diesel unterstützen.

Und selbst wenn irgendwann einmal ausreichend „grüner Strom“ für E-Autos verfügbar sein sollte, so braucht es bis dahin trotzdem noch über viele Jahre Verbrennungsmotoren. Denn es ist bisher überhaupt nicht absehbar, wie alternative Energien in Deutschland die Stromerzeugung aus Kohle und Gas ersetzen sollen. Und erst wenn hierzulande ausreichend Strom aus alternativen Energiequellen zur Verfügung steht, kann das Argument der Dieselgegner überhaupt ernst genommen werden, dass ein Umstieg auf Elektroautos den CO2-Ausstoß verringert.

Es gibt noch einen weiteren entscheidenden Unterschied zwischen den Befürwortern und den Gegnern des Dieselmotors. Und zwar sind die Befürworter in der Regel vergleichsweise tolerant und bescheiden. Sie wollen den Dieselmotor ihren Mitbürgern nicht aufdrängen. Vielmehr wollen sie die Dieselmotoren einfach weiter fahren lassen, bis clevere Ingenieure in Zukunft möglicherweise etwas Besseres finden, mit dem sie dann wahrscheinlich auch einverstanden wären, selbst wenn es kein Diesel sein sollte.

Die Dieselgegner hingegen sind weder tolerant noch bescheiden. Weder wollen sie selbst die modernste Dieseltechnologie tolerieren – vielmehr wollen sie diese bald verbieten. Noch sind sie bescheiden. Denn sie glauben hier und heute zu wissen, dass in zehn Jahren die vielen Millionen Autos auf Deutschlands Straßen mit Elektromotoren angetrieben werden müssen und mit nichts anderem. Diese Einstellung grenzt schon an Größenwahn, wenn von ihren Fähigkeiten in technologischen und unternehmerischen Fragen äußerst überzeugte Politiker ganz ernsthaft glauben, dass sie mit der erzwungenen Ablösung der fossilen Verbrenner durch E-Autos nicht nur die deutsche Autoindustrie retten werden, sondern natürlich auch das Weltklima.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
15.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzielles Notfallpaket: So sichern Sie Ihr Vermögen in Krisenzeiten
15.11.2025

In Zeiten wachsender Unsicherheiten rückt neben Notvorräten und Fluchtplänen auch die finanzielle Absicherung in den Fokus. Marek...

DWN
Politik
Politik Für einen Kampfjet braucht es 400 Kilogramm seltene Erden: Europa im Wettbewerb mit China und den USA
15.11.2025

Seltene Erden sind zu einem entscheidenden Faktor in globalen Machtspielen geworden und beeinflussen Industrie, Verteidigung und Hightech....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klassengesellschaft 2.0 – Warum Demokratie ohne soziale Gleichheit zerbricht
15.11.2025

In Deutschland redet kaum jemand über Klassen – als wäre soziale Herkunft heute keine Machtfrage mehr. Doch die Soziologin Prof. Nicole...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzblasen 2025: Wo der nächste große Crash drohen könnte
15.11.2025

An den Finanzmärkten steigt die Nervosität. Künstliche Intelligenz treibt Bewertungen auf Rekordhöhen, Staaten verschulden sich wie nie...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienpreise: Boom zu Neuverträgen – eine Prognose
15.11.2025

Laut ifo sind Neuverträge in Großstädten um 48 Prozent teurer als Bestandsverträge. Das, so Experten, ist nicht nur ein Problem für...

DWN
Finanzen
Finanzen So profitiert Trumps Familie im Kryptosektor: CZ-Deals bringen Milliarden
14.11.2025

Der Fall um Čangpeng Žao und die Trump Familie wirft ein Schlaglicht auf die Verknüpfung von Kryptowährungen, Finanzströmen und...