Die im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Coronavirus von vielen Ländern erlassenen Maßnahmen wirken sich zunehmend negativ auf den weltweiten Handel mit Grundnahrungsmitteln wie beispielsweise Weizen und Reis aus. Internationale Organisationen warnen vor Engpässen und stark steigenden Preisen, falls die Lieferketten noch stärker unter Druck geraten sollten. Die im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie erlassenen Ausgangsbeschränkungen, Grenzschließungen und Exportverbote haben in mehreren Staaten bereits dazu geführt, dass der Export von Grundnahrungsmitteln eingeschränkt oder gänzlich verboten wurde:
So hat Vietnam, der drittgrößte Reisproduzent der Welt, die Exporte des Getreides vorerst gestoppt, um die Nahrungsmittelversorgung der eigenen Bevölkerung sicherzustellen. Sowohl die Corona-Pandemie als auch eine schwere Dürre und ein Eindringen von Salzwasser in das Mekong-Delta im Süden des Landes böten Grund zur Sorge, begründete die Regierung in Hanoi den Schritt. Nahrungsmittel könnten knapp werden, warnte Ministerpräsident Nguyen Xuan Phuc in einer Mitteilung. Zudem ordnete er an, das Land solle zusätzliche Reisvorräte einkaufen. Vietnam ist nach Indien und Thailand der drittgrößte Exporteur von Reis weltweit. Das Land exportierte im vergangenen Jahr rund 6,37 Millionen Tonnen im Wert von umgerechnet 2,6 Milliarden Euro.
Völlig unklar und auch chaotisch stellen sich die Entwicklungen beim weltgrößten Reisproduzenten Indien dar. Eine dreiwöchige Ausgangssperre hat hier Medienberichten zufolge dazu geführt, dass die landwirtschaftliche Infrastruktur und die Handelsstrukturen für den Reisexport zusammengebrochen sind und Hamsterkäufe der Milliarden-Bevölkerung ausgelöst haben.
Kasachstan hat inzwischen Ausfuhren von Weizenmehl verboten und den Export von Gemüsesorten wie Zwiebeln, Karotten und Kartoffeln eingeschränkt, berichtet der Guardian.
Russland hatte den Export von verarbeitetem Getreide wie Buchweizen, Reis oder Haferflocken ausgesetzt und den Export des wichtigsten Grundnahrungsmittels Weizen zwischen April und Juni auf 7 Millionen Tonnen beschränkt. Der Branchendienst Agrar Heute berichtet, dass die Maßnahme bei den Käufern zu Unruhe geführt habe, obwohl sie derzeit noch nicht drastisch sei: „Die Höhe des aktuellen Export-Limits ist nach Einschätzung von Händlern eigentlich nicht besonders kritisch zu sehen. Die bisherigen Erwartungen der Analysten für das russische Exportvolumen bis zum Ende der aktuellen Saison 2019/20 am 30. Juni lagen nämlich ebenfalls bei der jetzt genannten Größenordnung von etwa 7 Millionen Tonnen.
Der Schritt der russischen Regierung zur Exportregulierung hat jedoch bei vielen Händlern und Analysten die Befürchtung geweckt, dass weitere Schritte folgen werden. Russland hatte schon in der Vergangenheit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer wieder die Getreideexporte begrenzt. Beispielsweise wenn eine Rubelschwäche zu einem kräftigen Anstieg der Inlandspreise geführt hat (wie jetzt) oder die Aussichten für die neue Ernte enttäuschend waren. „Es ist zunächst nur eine symbolische Geste, aber eine besorgniserregende", sagte ein Händler gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Die Frage ist jedoch: „Ist dies nur ein erster Schritt zur längerfristigen Reduzierung der Exporte, um Russlands eigene Nahrungsmittelversorgung inmitten der Coronakrise zu sichern? Dies ist die Sorge.“
Auch die Ukraine – wie Russland einer der wichtigsten Getreideproduzenten der Welt, welcher ebenfalls wie der große Nachbar im Osten über die besonders fruchtbaren Schwarzerde-Regionen verfügt, hatte den Export von Weizen und anderen Getreidesorten verboten oder eingeschränkt, wie Agrar Heute berichtet. Bäcker und Müller im Land hätten dem Bericht zufolge im Vorfeld des Verbots mehrfach dazu aufgefordert, die Getreideexporte zu begrenzen, um einen Anstieg der Brotpreise zu verhindern. Die Weizenpreise hätten sich aufgrund der Corona-Maßnahmen bereits um rund 18 Dollar pro Tonne verteuert. Normalerweise übersteigt die Weizen-Produktion der Ukraine ebenso wie jene Russlands den Inlandsverbrauch deutlich – was Exporte ermöglicht – doch die Ausgangsbeschränkungen haben die Landwirtschaften beider Staaten in Mitleidenschaft gezogen.
Betroffen von den derzeitigen Einschränkungen sind in erster Linie Staaten, welche auf den Import von Grundnahrungsmitteln angewiesen sind – etwa der Irak. Dessen Regierung hatte vor einigen Tagen angekündigt, eine Million Tonnen Weizen und 250.000 Tonnen Reis anzukaufen, nachdem ein Krisenausschuss den zügigen Aufbau eines strategischen Lebensmittelvorrates empfohlen hatte.
Besonders schwierig dürfte die Situation zudem für die in der arabischen Wüste gelegenen Golfmonarchien werden. Emirate wie Katar, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und auch Saudi-Arabien sind nicht nur auf den Import von Lebensmitteln angewiesen, sondern der gegenwärtige Einbruch des Ölpreises verringert auch die finanziellen Spielräume der Staaten, vor allem angesichts gestiegener Preise. „Die Fähigkeit der Ölexporteure, Getreide und andere Nahrungsmittel (wie etwa Milchprodukte) zu kaufen, ist angesichts des Absturzes der Ölpreise und der Abwertung ihrer Währungen erheblich gesunken“, wird ein Ökonom der Welternährungsorganisation FAO von Agrar Heute zitiert. „Es wird in diesen Ländern auch weniger Kapazitäten geben, um politische Maßnahmen zur Ankurbelung der Volkswirtschaften zu ergreifen.“ Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten hatten vor einigen Wochen schon auf die Verletzlichkeit der Vereinigten Arabischen Emirate hingewiesen, deren Wirtschaft stark vom Ölpreis abhängt.
Derzeit steigen die Weltmarktpreise für Güter wie Weizen oder Reis deutlich – und könnten im Zuge der gegenwärtigen Unsicherheit noch weiter steigen. „Sie brauchen nur Panikkäufe von großen Importeuren oder Regierungen, um eine Krise auszulösen. Was ist, wenn Großabnehmer glauben, im Mai oder Juni keine Weizen- oder Reisimporte mehr erhalten zu können? Das könnte zu einer globalen Nahrungsmittelkrise führen“, sagte der FAO-Ökonom.
Der Preis für Weizen ist seit Mitte März deutlich von 175 Euro pro Tonne auf rund 195 Euro pro Tonne gestiegen, wie aus Daten der Raiffeisenbank hervorgeht. Aus Daten von Börse Online geht hervor, dass der Reispreis derzeit so hoch liegt wie seit Mitte 2014 nicht mehr.
In Deutschland soll den Angaben von Branchenverbänden zufolge keine akute Knappheit an grundlegenden Lebensmitteln wie Getreide und vielen Gemüse- und Obstsorten drohen. Doch das Einreiseverbot für Gastarbeiter aus Osteuropa könnte bei einigen Sorten zu Ernteausfällen und Engpässen führen, warnen etwa der Handelsverband und der Deutsche Bauernverband, wie der Deutschlandfunk berichtet. Der Einreisestopp müsse deswegen so kurz wie möglich gehalten werden, lauten die Forderungen. Der Plan der Bundesregierung, Studierende, Kurzarbeiter, Arbeitslose und Asylbewerber für die Ernte heranzuziehen, stößt in der deutschen Landwirtschaft deshalb auf Wohlwollen.
Die deutschen Landwirte können inzwischen mit einer eigens dafür eingerichteten Online-Plattform nach arbeitswilligen Helfern im Inland suchen. So hat das Bundesministerium für Landwirtschaft die Onlineplattform „Das Land hilft“ vorgestellt, die es in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Maschineringe entwickelt hat – einem Verband landwirtschaftlicher Betriebe. Diese Plattform ist eine Art Jobbörse, die Erntehelfer an Betriebe und umgekehrt vermittelt. Auf einer Karte kann man Angebote und Gesuche nach Region suchen und finden. Mehrere zehntausende Einträge sollen bislang auf der Plattform eingegangen sein.
„Die Logistikketten arbeiten unter Volllast, aber sie funktionieren“, sagte der Sprecher des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH), Christian Böttcher, der dpa. Der Nachschub sei da, aber teilweise könnten die Regale nicht so schnell aufgefüllt werden, wie die Ware verkauft werde. Die Lage sei von Geschäft zu Geschäft, von Region zu Region unterschiedlich. Es sei nicht so, dass Mehl und Nudel in allen rund 30 000 Lebensmittelgeschäften in Deutschland zuletzt gefehlt hätten. Auch die Bundesregierung versicherte, es gebe keine Versorgungsengpässe. Hamsterkäufe sollten deshalb vermieden werden.
Trotz Hamsterkäufen ist die Lebensmittelversorgung in Deutschland aus Sicht des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe nicht gefährdet. Es gebe im Moment auch „keine Planung, die staatlichen Nahrungsmittelreserven in irgendeiner Form anzutasten“, sagte der Präsident des Bundesamtes, Christoph Unger. Auch die Wasser- und die Stromversorgung seien nicht gefährdet. Die staatlichen Notreserven bestehen nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums aus Weizen, Roggen und Hafer zur Mehl-Produktion sowie Reis, Erbsen, Linsen und Kondensmilch. Die Nahrungsmittel sollen im Krisenfall vor allem an Verbraucher in den Ballungsregionen abgegeben werden, um die dortige Bevölkerung zumindest mit einer warmen Mahlzeit am Tag verpflegen zu können.