Politik

Wer Bürger als Verschwörungs-Theoretiker verunglimpft, tappt in eine gefährliche Falle

Lesezeit: 3 min
16.05.2020 19:07  Aktualisiert: 16.05.2020 19:07
Medien und Politiker erheben in der Corona-Krise gegenüber den Bürgern den Vorwurf der “Verschwörungstheorie”. Dabei merken sie nicht, dass sie erneut in eine gefährliche Falle tappen - wie im Jahr 2014.
Wer Bürger als Verschwörungs-Theoretiker verunglimpft, tappt in eine gefährliche Falle
Die Corona-Krise wird durch falsche Aktionen verschärft. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Es ist sehr auffällig, dass Menschen, die deutschlandweit auf die Straßen gehen, um gegen die Corona-Regeln zu demonstrieren, trotz ihrer Vielzahl als “Verschwörungstheoretiker” abgestempelt werden. Dieser Begriff wird inflationär von Moderatoren, Medien und Wissenschaftlern unter dem Vorwurf einer politischen Motivation benutzt. Doch in den Ohren der Bürger kommt der Begriff der “Verschwörungstheorie” den Worten “Häresie” und “Ketzerei” gleich, was wiederum den Eindruck erweckt, dass derjenige, der den Vorwurf erhebt, der “Inquisitor” ist. Es geht auch gar nicht mehr um die Eindämmung der gefährlichen Pandemie.

Nun ist es sehr richtig, dass es Elemente in diesem Land gibt, die die Verunsicherung der Bürger nutzen wollen, um diese Verunsicherung gegen die staatlichen Institutionen des Landes und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu kanalisieren. Es ist offenbar auch richtig, dass subversive in- und ausländische Elemente unter dem Deckmantel der “Systemkritik” das Land destabilisieren wollen.

Doch rechtfertigt dies jenen Kollektiv-Vorwurf, verunsicherte Menschen aus der Mitte der Gesellschaft seien allesamt “Verschwörungstheoretiker”? Ist hier die Stoßrichtung nicht komplett falsch? Müssten wir uns in diesen schweren Zeiten, in denen sich die Menschen ihrer Einsamkeit bewusst werden, nicht untereinander solidarisieren?

Ich möchte hier kurz ausführen, wem die hysterischen Reaktionen der Medien und der Journalisten wirklich dienen - ohne ihnen einen böswilligen Vorwurf machen zu wollen, denn sie handeln oftmals im Affekt.

Als am 11. Oktober 2014 Pegida gegründet wurde, konzentrierte sich die Politik mit ihren Vorwürfen und Aktionen nicht gegen die Organisatoren von Pegida, sondern auf die Menschen, die jeden Montag an den Pegida-Kundgebungen teilnahmen. Auf die Pegida-Slogans “Lügenpresse” und “Volksverräter”, die beide aus einer dunklen Zeit stammen, wurde mit einer heftigen Gegenreaktion und mit dem Kampfbegriff “Fake News” gekontert, der faktisch der Definition des Wortes "Lügenpresse" gleichkommt. Aber genau diese Gegenreaktion war offenbar gewollt. Denn nur durch die Schaffung eines dialektischen Verhältnisses war es möglich, eine noch größere Reaktion herbeizuführen und noch mehr Bürger auf die Straßen zu ziehen. Die Masterminds dieser Bewegung wollten ja angegriffen werden, um wachsen zu können.

Die heftigen Vorwürfe der Fremdenfeindlichkeit und des Rechtsextremismus griffen hier viel zu kurz. Erst viel später erkannten die Parteien, dass sie in eine verdammt gefährliche Falle getappt waren, die die Reaktion der Bürger nur noch beflügelt hatte. Stattdessen hätte man von Anfang an jene Surrealität in den sozialen Medien drosseln müssen, um die Bürger zurück in die Realität zu holen, und sie nicht den Rattenfängern zum Fraß vorzuwerfen. Warum fand hier keine Früherkennung statt?

Einen weiteren schwerwiegenden Fehler hat man im Zusammenhang mit der emotionalen Entstehungsgeschichte der AfD gemacht. Diese Partei wurde im Jahr 2013 gegründet. Doch entstanden ist sie eigentlich in der Atmosphäre des Jahres 2011, die durch jene Medien und Politiker kreiert wurde, die sich mittlerweile aus Angst um die eigenen Privilegien gegen die AfD und Pegida stellen.

Exakt im Jahr 2011 wurde von den Medien und Politikern eine menschenfeindliche Kampagne gegen einen neuen Sündenbock losgetreten, die nicht wenige Menschen im Alltag an Leib und Seele spüren sollten. Nachbarn und Freunde wurden plötzlich zu Feinden. Es setzte ein großer Aufklärungs-Feldzug gegen den Sündenbock ein. In den Medien wurden die Deutschen darüber aufgeklärt, dass sie einem Irrtum unterlegen seien, wenn sie den Sündenbock bisher für einen normalen Menschen gehalten haben. Er sei vielmehr etwas gefährlich anderes. Welche Folgerungen daraus zu ziehen seien, blieb erstmal unausgesprochen.

Medienmacher nutzten die Kampagne, um möglichst viele Leser und Applaus zu bekommen und daran zu verdienen. Politiker gingen auf Stimmenfang, um sich ihre “Diäten” zu sichern. Das Unsagbare wurde dann doch noch sagbar gemacht, Wortgewalt schlug in Tatgewalt um, aber damals gab es die AfD und Pegida noch gar nicht. Sie konnten nicht die Urheber dieser Enthemmung gewesen sein.

Ganz im Gegenteil: Es waren Menschen, Organisationen, Medien und Politiker, die sich der Welt gegenüber als “demokratisch” verkauften und sie hatten allesamt eine nahezu masochistische Freude an der Kampagne. Niemand von ihnen kam auf die Idee, dass sich die “medialen Dolche”, die sie den aufgehetzten Bürgern in die Hände gedrückt hatten, auch alsbald gegen sie richten würden. Es hatte ja schließlich Spaß gemacht und sie hatten ausgiebig gelacht. Aber nun lachen sie nicht mehr, weil sie wissen, es ist bitterer Ernst.

Das Jahr 2011 markierte den Startschuss für eine Reaktion, die nun das gesamte Gebilde, in dem wir leben, bis aufs Äußerste bedroht. Und genau das war das Geburtsjahr der eigentlichen Verschwörung gegen die Republik.

Der “Verrat” der Demokraten an den menschlichen idealen der Demokratie hat alles erst möglich gemacht. Dieser “Verrat” hat den Acker, auf dem sich nun organisierte “Verschwörungstheoretiker” tummeln und unschuldige Polizeibeamte attackieren lassen, erst fruchtbar gemacht. Sie ziehen die unbescholtenen Bürger mit einer großen Geschwindigkeit mit sich.

Man erntet, was man gesät hat!

                                                                                ***

Cüneyt Yilmaz ist Absolvent der oberfränkischen Universität Bayreuth. Er lebt und arbeitet in Berlin.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...