Politik

Mittelstand: Warum von der Leyens Corona-Konjunkturprogramm gefährlich ist

Der Mittelstand kritisiert das Corona-Wiederaufbauprogramm der EU-Kommission scharf. „Geplant ist eine massive Schuldenaufnahme über den europäischen Haushalt, bei dem Krisenstaaten wie Italien und Spanien teilweise direkte und nicht rückzahlbare Zuschüsse erhalten sollen“, sagt Mittelstand-Präsident Mario Ohoven.
29.05.2020 08:45
Aktualisiert: 29.05.2020 08:45
Lesezeit: 2 min
Mittelstand: Warum von der Leyens Corona-Konjunkturprogramm gefährlich ist
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. (Foto: dpa) Foto: Zhang Cheng

Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BMVW), hat den Plan der EU-Kommission für ein europäisches Konjunkturprogramm im Umfang von 750 Milliarden Euro scharf kritisiert.

„Der Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, ein europäisches Hilfspaket im Volumen von 750 Milliarden Euro zu schnüren, ist angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland unverantwortlich. Geplant ist eine massive Schuldenaufnahme über den europäischen Haushalt, bei dem Krisenstaaten wie Italien und Spanien teilweise direkte und nicht rückzahlbare Zuschüsse erhalten sollen“, sagte er den Deutschen Wirtschaftsnachrichten.

Zu den Folgen für den Mittelstand führt Ohoven aus: „Für den deutschen Mittelstand ist eine Vergemeinschaftung der Schulden durch die Hintertür absolut inakzeptabel, gerade in Zeiten der Krise. Denn finanziert werden die Zuschüsse letztlich von deutschen, niederländischen, österreichischen und schwedischen Steuerzahlern, die perspektivisch ohnehin stark durch den Abbau der nationalen Schulden durch die Coronakrise belastet sein werden. Kurzum: Warum deutsche Steuerzahler für die im Durchschnitt wohlhabenderen italienischen Steuerzahler den Gürtel enger schnallen sollen, ist nicht einzusehen.“

Ein großer Teil der Milliarden stamme zudem aus der Druckerpresse. „Und die Behauptung, die Zentralbanken verfügten über Instrumente, um diese Summen wieder einzusammeln, trifft nicht zu. Die Lösung für eine zukunftsfähige Eurozone kann nicht in der gemeinsamen Flucht in die roten Zahlen liegen. Das geplante Hilfspaket gefährdet den Zusammenhalt der EU und die Bereitschaft der stabilitätsorientierten Länder, einen angemessenen Beitrag für den mittelfristigen Finanzplan der Jahre 2021 bis 2027 zu leisten“, kritisiert der Mittelstands-Chef.

Der Bund der Steuerzahler sieht das ähnlich. „In letzter Konsequenz haben wir eine Vorstufe von gemeinschaftlichen Schulden“, sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel dem Portal t-online.de. Er sprach von einer Vernebelung der Tatsachen und einem Weichklopfen von Steuergeldern. Besser wäre zunächst eine „knallharte Bedarfsanalyse“ der EU-Staaten, ehe Geld aus Brüssel fließt.

Auch die Idee einer neuen Digitalsteuer lehnt Holznagel ab. „Der Glaube, dass große Digitalkonzerne wie Google oder Amazon die Kosten für eine solche Steuer nicht in Form von Preisen an die Verbraucher weiterreichen, ist naiv“, sagte er. „Die Steuererhöhung wird uns voll treffen.“ Zudem stehe der EU kein Recht zur Steuererhebung zu.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte ihren Vorschlag für ein Wiederaufbauprogramm nach der Corona-Krise am Mittwoch präsentiert. So sollen 500 Milliarden Euro als nicht rückzahlbare Zuwendungen und weitere 250 Milliarden Euro als Kredite an Krisenstaaten fließen. Finanziert werden soll das Programm über Schulden, die die EU-Kommission mit Hilfe von Garantien der EU-Staaten aufnehmen und dann zwischen 2028 und 2058 über den EU-Haushalt zurückzahlen will. Helfen sollen neue eigene Einnahmen für die EU aus Steuern und Abgaben, etwa eine Digitalsteuer oder eine Plastikabgabe.

Die Einigung der EU-Staaten dürfte ein hartes Stück Arbeit werden. Am 19. Juni soll ein EU-Gipfel den Aufbauplan beraten, ebenso den von der EU-Kommission vorgelegten neuen Entwurf für einen siebenjährigen EU-Haushaltsrahmen in Höhe von 1,1 Billionen Euro. Nötig wäre Einstimmigkeit der 27 EU-Staaten sowie anschließend die Zustimmung nationaler Parlamente und des EU-Parlaments. Die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark haben jedoch Vorbehalte angemeldet.

EU-Haushaltsverhandlungen sind wegen der Interessenskonflikte immer extrem schwierig. Diesmal geht es nicht nur um das völlig neuartige und schuldenfinanzierte Konjunkturprogramm. Ein Konfliktpunkt dürfte auch der Vorschlag sein, die Vergabe von EU-Mitteln an die Einhaltung von EU-Werten und Rechtsstaatlichkeit zu koppeln. Die EU-Kommission und auch Deutschland legen darauf großen Wert. Doch Ungarn und Polen wehren sich.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Lufthansa-Aktie hebt nach Kaufempfehlung ab: Worauf Anleger nun achten müssen
12.12.2025

Die Lufthansa-Aktie springt nach einer Kepler-Kaufempfehlung auf ein Hoch seit August 2023. Doch hinter dem Kursschub lauern Tarifrisiken,...

DWN
Politik
Politik Freie Wirtschaftszone im Donbass? Kiew zeigt sich zurückhaltend
12.12.2025

Die USA schlagen eine „freie Wirtschaftszone“ im Donbass als möglichen Kompromiss vor – doch die ukrainische Führung reagiert...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB testet Banken auf Krisenfestigkeit – 110 Institute im Fokus
12.12.2025

Geopolitische Spannungen und Konflikte belasten Europas Finanzsystem. Die Europäische Zentralbank (EZB) will deshalb 2026 mit einem...

DWN
Politik
Politik Umfrage: Deutsche lehnen US-Einfluss auf Europa klar ab
12.12.2025

Eine aktuelle Umfrage zeigt deutlich: Die Mehrheit der Deutschen spricht sich gegen eine stärkere Einmischung der USA in europäische...

DWN
Technologie
Technologie OpenAI kontert Google: Neue ChatGPT-Version setzt zum nächsten KI-Sprung an
12.12.2025

Nachdem Googles Gemini zuletzt für Schlagzeilen sorgte, meldet sich OpenAI mit einem neuen ChatGPT-Modell zurück. Die Entwickler wollen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Preise ziehen weiter an: Inflation verharrt über dem Zielwert
12.12.2025

Trotz einer insgesamt moderaten Entwicklung verharrt die Inflation im November bei 2,3 Prozent und damit weiterhin über dem angestrebten...

DWN
Finanzen
Finanzen Lebenshaltungskosten: Geringverdiener geben 60 Prozent ihres Geldes nur für Essen und Wohnen aus
12.12.2025

Steigende Lebenshaltungskosten: Haushalte in Deutschland wenden inzwischen mehr als die Hälfte ihres Geldes alleine für Wohnen und...

DWN
Politik
Politik Koalition verspricht sanierte Straßen und stabile Beiträge
12.12.2025

Im neuen Jahr sollen Millionen Menschen spürbar von Reformen profitieren. Bundeskanzler Merz und Vizekanzler Klingbeil versprechen...