Politik

Ringen um Balkan eskaliert: Sondergericht der EU verhindert Trumps Gipfel mit Serbien und Kosovo

Die EU und die USA ringen auf dem westlichen Balkan um Einfluss. Nun haben sich die Spannungen deutlich zugespitzt, die Methoden werden rauer.
25.06.2020 12:47
Aktualisiert: 25.06.2020 12:47
Lesezeit: 3 min
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Sowohl die EU als auch die US-Regierung versuchen seit geraumer Zeit, ihren Einfluss auf dem westlichen Balkan auszuweiten. Dabei versuchen beide Mächte nicht nur, ein stärkeres Engagement Russlands und der Türkei in der strategisch wichtigen Region zu unterbinden, sondern fallen sich neuerdings auch gegenseitig mit ihren Aktionen in den Rücken.

Besonders deutlich wird dies am Beispiel Serbiens und des Kosovo – welcher von manchen EU-Staaten wie beispielsweise Deutschland als eigenständiger Staat eingestuft, von anderen Ländern wie Spanien oder Russland hingegen als gewaltsam abgetrennter Teil Serbiens klassifiziert wird.

Die Rivalität zwischen EU und USA stieg beträchtlich, nachdem die US-Regierung vor einigen Tagen überraschend ankündigte, am 27. Juni ein Gipfeltreffen mit den Premierministern Serbiens und des Kosovo im Weißen Haus in Washington zu veranstalten. Organisiert hat das Treffen ausgerechnet der umstrittene ehemalige US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell. Das Thuner Tagblatt aus der Schweiz schreibt zu den Hintergründen für Grenells Offensive:

Innerhalb eines Jahres hat der bisherige US-Botschafter in Berlin zwei Regierungen des Balkanlandes (Kosovos – die Red.) zu Fall gebracht, weil sie sich gegen einen raschen „Deal“ mit Serbien wehrten, der offenbar auch Grenzveränderungen nicht ausschliesst. Donald Trump hatte Grenell 2019 zu seinem Sondergesandten für „Friedensverhandlungen“ zwischen Serbien und Kosovo ernannt. Der Haudegen will um jeden Preis eine Einigung auf dem Balkan herbeiführen, damit sein Chef sich im Wahlkampf als Dealmaker in der Aussenpolitik rühmen kann. Um den Druck auf Pristina zu erhöhen, wurde indirekt mit der Schliessung des US-Militärstützpunkts Camp Bondsteel gedroht. (…) Seit Anfang Juni gibt es in Pristina eine neue Regierung, die sofort und bedingungslos alle Forderungen Grenells erfüllt hat: Die Strafzölle auf serbische Produkte wurden aufgehoben, vorläufig beantragt Kosovo keine Aufnahme in internationale Organisationen, auf das „Prinzip der Reziprozität“ gegenüber Serbien wird ebenfalls verzichtet. Das heisst: Kosovo darf serbischen Firmen keine Hindernisse in den Weg legen, Serbien kann dagegen willkürlich kosovarische Produkte blockieren. Die Strafzölle wurden 2018 eingeführt, nachdem Serbien die Aufnahme Kosovos in internationale Organisationen verhindert hatte.

Die Chancen, dass das Treffen im Weißen Haus von Erfolg gekrönt gewesen wäre, standen deshalb recht gut – zumal auch die serbische Premierministerin Ana Brnabic sagte, das Engagement der USA habe neue Hoffnung geweckt für eine Lösung im langjährigen Konflikt der beiden Erzfeinde.

Brüssel fühlt sich hintergangen

Die EU war über die Pläne offenbar nicht frühzeitig informiert und auch nicht eingeladen worden, was in Brüssel als Affront und Alleingang der US-Regierung gewertet wurde. Der Hauptgrund dafür, dass sich EU und USA in der Kosovo-Frage kritisch gegenüberstehen, liegt in der unterschiedlichen Auffassung beider Seiten zu möglichen Grenzänderungen und Gebietstauschen im Zuge eines Friedensvertrages. Die EU wie auch die Schweiz ist mehrheitlich strikt gegen Grenzänderungen, weil sie in der unruhigen Region zu neuen Animositäten zwischen den religiösen und ethnischen Gruppen führen könnten. Die Erfahrungen des gewaltsamen Abfalls des Kosovo von Serbien im Zuge des völkerrechtlich illegalen Nato-Krieges gegen Serbien 1999 und den im Zuge der Auseinandersetzung von serbischen und kosovarischen Milizen verübten Verbrechen an der jeweils anderen Seite haben dazu geführt, dass man lieber den Status Quo behalten möchte und keine Experimente eingehen will.

Nun hat die EU das geplante Treffen mit handfesten Methoden unterbunden. Wie der EU Observer berichtet, hat ein eigens für die Kosovo-Frage eingerichtetes EU-Gericht den kosovarischen Präsidenten Hashim Thaçi am 24. Juni – drei Tage vor dem Gipfel in Washington – als Kriegsverbrecher eingestuft, dem der Tod von rund 100 Serben, Roma und oppositioneller Kosovaren zur Last gelegt wird.

Das Spezialgericht Kosovo Specialist Chambers (KSC) in Den Haag war ursprünglich vor einigen Jahren gegründet worden, weil Thaci infolge Schweizer Ermittlungen in den Verdacht geriet, am internationalen Organschmuggel der Kosovo-Mafia führend beteiligt gewesen zu sein.

Die geplanten Gespräche sind so gut wie geplatzt. Denn nach Thaci sagte nun auch der kosovarische Ministerpräsident Avdullah Hoti seine Teilnahme ab. „Aufgrund der neuen Entwicklungen (...) muss ich in mein Land zurückkehren“, teilte er am Donnerstagmorgen über Twitter mit.

Der Sonderankläger des Kosovo-Strafgerichts in Den Haag hatte am Mittwoch vorläufige Anklage gegen Thaci und mehrere andere Akteure des kosovarischen Unabhängigkeitskrieges gegen Serbien 1998/99 erhoben. Thaci hatte damals die kosovo-albanische Untergrundarmee UCK kommandiert. Die vorläufige Anklage legt den Beschuldigten schwere Verbrechen in zehn Punkten zur Last, darunter Mord, Verfolgung und Folter.

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