Finanzen

Russland und China bilden kein Militär- oder Handelsbündnis, sondern eine Finanzallianz

Viele hatten erwartet, dass Russland und China im geopolitischen Streit mit den USA ein Militärbündnis oder ein Handelsbündnis bilden würden. Doch nun zeigt sich, dass die beiden Staaten stattdessen eine schlagkräftige Allianz im Banken- und Finanzensektor aufgebaut haben.
07.08.2020 15:55
Aktualisiert: 07.08.2020 15:55
Lesezeit: 4 min
Russland und China bilden kein Militär- oder Handelsbündnis, sondern eine Finanzallianz
05.06.2019, Russland, Moskau: Xi Jinping (l), Präsident von China, und Wladimir Putin, Präsident von Russland, geben sich im Kreml nach einer Unterzeichnungszeremonie die Hand. (Foto: dpa) Foto: Alexander Zemlianichenko

Schon seit vielen Jahren bemühen sich Russland und China, ihre Abhängigkeit vom Dollar zu verringern. Im vergangenen Monat konnten die beiden Staaten nun einen großen Erfolg vermelden. Der Anteil des Dollars am Handel zwischen Russland und China fiel im ersten Quartal dieses Jahres zum ersten Mal in der Geschichte unter die Marke von 50 Prozent.

Nach Angaben der russischen Zentralbank und des Zolldienstes des Landes wurde der Dollar nur noch für 46 Prozent der Abrechnungen zwischen den beiden Ländern verwendet. Gleichzeitig wurde der Euro mit 30 Prozent so stark verwendet wie niemals zuvor. Auch der Anteil des russischen Rubels und des chinesischen Yuans erreichte mit zusammen 24 Prozent einen neuen historischen Höchststand.

Schon in den letzten Jahren hatten Russland und China den Dollar im bilateralen Handel viel weniger genutzt. Noch im Jahr 2015 wurden rund 90 Prozent der bilateralen Transaktionen in Dollar abgewickelt. Nach dem Ausbruch des Handelskriegs zwischen den USA und China und gemeinsamen Bemühungen Moskaus und Pekings, sich vom Dollar abzuwenden, war dieser Anteil jedoch bis 2019 auf 51 Prozent gesunken.

Kampf gegen den Dollar ist Basis für Bündnis

Alexey Maslov, Direktor des Instituts für fernöstliche Studien an der Russischen Akademie der Wissenschaften, sagte gegenüber der Nikkei Asian Review, dass die "Entdollarisierung" Russlands und Chinas sich einem "Durchbruch" nähere, der die Beziehung zwischen den beiden Staaten zu einem De-facto-Bündnis aufwerten könnte.

"Die Zusammenarbeit zwischen Russland und China im Finanzbereich zeigt uns, dass sie endlich die Parameter für ein neues Bündnis miteinander finden", sagte er. "Viele erwarteten, dass dies ein Militärbündnis oder ein Handelsbündnis sein würde, aber jetzt bewegt sich das Bündnis mehr in Richtung Banken und Finanzen, und das ist es, was die Unabhängigkeit beider Länder garantieren kann".

Die Dedollarisierung ist für Russland und China seit 2014 eine Priorität, als sie nach der Entfremdung Moskaus vom Westen im Zuge der Annexion der Krim mit dem Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit begannen. Die Ersetzung des Dollars in Handelsabkommen wurde zu einer Notwendigkeit, um den US-Sanktionen gegen Russland auszuweichen.

"Jede Überweisungstransaktion in der Welt, bei der es um US-Dollar geht, wird irgendwann über eine US-Bank abgewickelt", erklärte Dmitry Dolgin, Chefökonom der ING Bank für Russland. "Das bedeutet, dass die US-Regierung dieser Bank sagen kann, dass sie bestimmte Transaktionen einfrieren soll."

Trump treibt China in die Arme Russlands

Der Prozess gewann weiter an Dynamik, nachdem die US-Regierung unter Donald Trump Zölle auf chinesische Waren im Wert von Hunderten von Milliarden Dollar verhängt hatte. Während zuvor Moskau die Initiative zur "Entdollarisierung" ergriffen hatte, wurde sie nun auch von Peking als entscheidend angesehen.

"Erst vor kurzem begannen der chinesische Staat und die großen Wirtschaftsführer das Gefühl zu bekommen, dass sie in eine ähnliche Situation geraten könnten wie unsere russischen Kollegen: Ziel von Sanktionen zu sein und möglicherweise sogar aus dem SWIFT-System ausgeschlossen zu werden", sagte Zhang Xin, ein Forschungsstipendiat am Center for Russian Studies an der East China Normal University in Shanghai.

Bereits im Jahr 2014 unterzeichneten Russland und China ein dreijähriges Währungs-Swap-Geschäft im Wert von 150 Milliarden Yuan (24,5 Milliarden Dollar). Das Abkommen ermöglichte es jedem der beiden Länder, Zugang zur Währung des anderen Landes zu erhalten, ohne diese auf dem Devisenmarkt erst kaufen zu müssen. Das Abkommen wurde 2017 um drei Jahre verlängert.

Ein weiterer Meilenstein war der Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Russland im Juni 2019. Moskau und Peking vereinbarten dort, den Dollar für den Zahlungsverkehr zwischen den beiden Ländern durch die eigenen Währungen zu ersetzen. Die Vereinbarung sah auch vor, dass beide Seiten alternative Zahlungsmechanismen zum SWIFT-Netzwerk für den Handel mit Rubel und Yuan entwickeln sollten.

Russland hat äußerst schnell Yuan-Reserven angehäuft

Anfang 2019 gab Russlands Zentralbank bekannt, dass sie ihre Dollar-Bestände um 101 Milliarden Dollar gekürzt hatte, also um mehr als die Hälfte. Ein großer Nutznießer neben Gold war der Yuan, dessen Anteil an Russlands Devisenreserven von 5 Prozent auf 15 Prozent stieg, nachdem die Zentralbank 44 Milliarden Dollar in die chinesische Währung investiert hatte. Nun hält Russland ein Viertel der weltweiten Yuan-Reserven.

Anfang dieses Jahres erteilte der Kreml dem russischen Staatsfonds die Erlaubnis, mit Investitionen in Yuan und chinesische Staatsanleihen zu beginnen. Russlands Bestreben, Yuan anzuhäufen, dient nicht nur der Diversifizierung seiner Devisenreserven, erklärte Alexey Maslov. Moskau wolle Peking vielmehr auch dazu ermutigen, die globale Wirtschaftsführung Washingtons stärker herauszufordern.

"Russland hat eine wesentlich entschiedenere Position gegenüber den Vereinigten Staaten als China", sagte Maslov. "Russland ist es gewohnt zu kämpfen, es führt keine Verhandlungen. Eine Möglichkeit für Russland, die Position Chinas entschlossener und kampfbereiter zu machen, besteht darin, zu zeigen, dass es Peking in finanzieller Hinsicht unterstützt.

Entthronung des Dollars wird nicht einfach

Laut Jeffery Frankel, einem Wirtschaftswissenschaftler an der Harvard-Universität, hat der Dollar drei große Vorteile gegenüber allen anderen Währungen: (i) die Fähigkeit, seinen Wert zu erhalten, da die Inflation begrenzt ist, (ii) die schiere Größe der amerikanischen Binnenwirtschaft und (iii) die Tatsache, dass die USA über tiefe, liquide und offene Finanzmärkte verfügen.

Bisher habe sich keine konkurrierende Währung als fähig erwiesen, den Dollar in diesen drei Punkten zu übertreffen, sagte Frankel gegenüber Nikkei Asian Review. Er warnt jedoch auch davor, dass die Position des Dollars zwar vorerst gesichert sei, dass jedoch die Schuldenspirale und eine übermäßig aggressive Sanktionspolitik langfristig seine Vormachtstellung untergraben könnten.

"Sanktionen sind ein sehr mächtiges Mittel für die Vereinigten Staaten, aber wie bei jedem Mittel besteht auch hier die Gefahr, dass andere nach Alternativen suchen, wenn man sie überstrapaziert", sagte er. "Ich denke, es wäre töricht anzunehmen, dass es in Stein gemeißelt ist, dass der Dollar als internationale Währung Nummer eins für immer unangefochten bleiben wird."

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