Die deutsche Wirtschaft befindet sich auf dem Weg der Besserung. Das an den Finanzmärkten viel beachtete Geschäftsklima-Barometer des Münchner Ifo-Instituts hellte sich im August den vierten Monat in Folge auf. „Die deutsche Wirtschaft ist auf Erholungskurs", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am heutigen Dienstag zu dem Anstieg des Barometers um 2,2 auf 92,6 Zähler. Die wirtschaftliche Aufholjagd folgt auf einen beispiellosen Einbruch der Konjunkt im Frühjahr um 9,7 Prozent, der zudem ein tiefes Loch in die Staatskassen gerissen hat.
Trotz der immer positiver werdenden Stimmung werfen steigende Corona-Infektionszahlen und vor allem die Gefahr einer Pleitewelle auch weiterhin einen langen Schatten auf die wirtschaftlichen Aussichten. "Wir sind noch nicht auf dem Vorkrisenniveau angekommen. Die zweite Corona-Welle zeigt, dass wir noch nicht über dem Berg sind", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe.
Union und SPD kündigten an, als Folge der Coronavirus-Krise die Lockerung des Insolvenzrechts verlängern, um die Zahl von Unternehmenspleiten zu dämpfen. Für überschuldete, aber noch zahlungsfähige Firmen soll die Insolvenzantragspflicht bis Jahresende 2020 ausgesetzt werden. Das Bundesjustizministerium erklärte, ein entsprechender Entwurf sei in die Ressortabstimmung gegangen.
Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte eigentlich vorgeschlagen, die Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen bis Ende März 2021 auszusetzen. Die Unions-Fraktion drängte jedoch darauf, dies bis Jahresende 2020 zu befristen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte, er denke, dass es in der Koalition eine Einigung gebe. Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, ist gegen eine Verlängerung. Man müsse der Wahrheit ins Auge schauen: "Es werden viele Firmen in die Insolvenz gehen", sagte er der "Rheinischen Post".
Ähnlich äußerte sich der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger. Eine weitere Verlängerung der Aussetzung sei keine Antwort auf die drohende Insolvenzwelle, sondern vertage nur die Probleme. "Sie birgt die Gefahr, dass gesunde Unternehmen von zahlungsunfähigen Betrieben in den Insolvenzstrudel gezogen werden", sagte Steiger den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Seit dem 1. März ist die Antragspflicht für Firmenpleiten vorerst bis Ende September ausgesetzt. Die Zahl der Insolvenzen ist zuletzt laut Statistischem Bundesamt weiter gesunken, was aber die wirtschaftliche Not vieler Firmen nicht widerspiegelt. Denn die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hatten im Frühjahr weite Teile der Wirtschaft lahmgelegt: Geschäfte, Hotels und Restaurants mussten schließen, Fabriken machten dicht, Messen, Konferenzen und Konzerte wurden abgesagt. "Das zweite Quartal war ein einziges Desaster", sagte der Chefökonom der VP Bank aus Liechtenstein, Thomas Gitzel. Die Ausgaben der Verbraucher sanken im Frühjahr um 10,9 Prozent, während die Konsumausgaben des Staates im Zuge der Rettungspakete um 1,5 Prozent stiegen.
Als Folge der Corona-Krise war der Staatshaushalt erstmals seit acht Jahren wieder tief in die roten Zahlen gerutscht. "Das war zu erwarten und ist richtig. Das öffentliche Geld ist in den raschen und umfangreichen Stabilisierungsmaßnahmen gut angelegt, wie auch der anhaltende Stimmungsaufschwung in den Unternehmen unterstreicht", sagte die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib. Vernunft, gegenseitige Rücksicht und das strikte Einhalten der Regeln zum Infektionsschutz seien der Schlüssel, damit die konjunkturelle Erholung weitergehe: "Schließlich ist das Vorkrisenniveau noch in weiter Ferne, und das weltweit heftige Wüten der Pandemie bleibt ein großes Risiko für uns als Exportnation."
Laut Ifo-Experte Wohlrabe sind die Exporterwartungen zuletzt leicht gesunken: "Das Auslandsgeschäft bleibt schwierig. Angesichts der fragilen Lage in den anderen europäischen Ländern schlägt sich die deutsche Exportwirtschaft aber ganz gut." Helaba-Ökonom Ralf Umlauf verweist darauf, dass die Verunsicherung in Deutschland wegen der zuletzt verschärften Corona-Einschränkungen weiter hoch sei: "Solange es aber keinen flächendeckenden Shutdown gibt, sollte Wachstum erwartet werden." Die Münchner Ifo-Experten rechnen damit, dass im Sommer-Quartal ein BIP-Wachstum von knapp sieben Prozent herausspringen wird.