Finanzen

Warum die Fed nun mehr als zwei Prozent Inflation anstrebt

Mit neuen Regeln hat sich die Federal Reserve auf eine deutlich höhere Inflation in den USA vorbereitet. Dies ist die logische Folge ihrer lockeren Geldpolitik und wird in ähnlicher Form auch nach Europa kommen.
05.09.2020 16:32
Lesezeit: 2 min
Warum die Fed nun mehr als zwei Prozent Inflation anstrebt
Hauptsitz der Federal Reserve in Washington. (Foto: dpa) Foto: Ting Shen

Anders als die Europäische Zentralbank, deren wichtigstes erklärtes Ziel die Preisstabilität in der Eurozone ist, verfolgt die Federal Reserve neben der Preisstabilität in den USA noch zwei weitere als ebenso wichtig erachtete Ziele. Und zwar will sie außerdem für moderate langfristige Zinssätze sorgen und für ein Maximum an Beschäftigung.

Mit dieser unterschiedlichen Zielsetzung hat die Fed es deutlich leichter als die EZB, gegenüber den Bürgern eine etwas höhere Inflation zu rechtfertigen. Die US-Notenbank muss dazu zum Beispiel lediglich erklären, dass eine höhere Inflation nötig sei, damit in den USA mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können.

Die EZB verfolgt offiziell das Ziel, eine Inflation von knapp unter 2 Prozent zu schaffen. Erst wenn sie dieses Ziel erreicht hat, widmet sich die EZB auch der Unterstützung anderer wirtschaftspolitischer Maßnahmen, wie zum Beispiel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der Eurozone.

Seit 2012 verfolgte die Fed das erklärte Ziel, die Inflation bei 2 Prozent zu halten. Die US-Notenbank darf somit sogar noch mehr Inflation schaffen als die EZB, in beiden Fällen ist die Zielsetzung "Preisstabilität" also eigentlich irreführend. Denn "Preisstabilität" würde bedeuten, dass die Preise stabil bleiben, dass die Inflation also nahe null liegt.

Jedenfalls hat die US-Notenbank in der vergangenen Woche ihr offizielles Inflationsziel nun noch weiter nach oben verschoben. Sie will künftig Inflationsraten von über 2 Prozent akzeptieren und als Ziel festlegen, wenn die zuvor gemessene Inflation unter 2 Prozent lag. Sie strebt nun ein sogenanntes "durchschnittliches Inflationsziel" an.

Wenn beispielsweise die Inflationsrate über einen längeren Zeitraum unter 2 Prozent lag, dann kann die Fed in der Folgezeit zum Ausgleich auch eine Inflationsrate von weit über 2 Prozent anstreben. Und da die Inflationsrate in den USA in den letzten Jahren meist unter 2 Prozent lag, könnte die Federal Reserve nun auch ein Inflationsziel von 5 Prozent ansetzen.

Mit dieser neuen Strategie hat die Fed sich die Option geschaffen, noch mehr Geld zu drucken, als sie es in den vergangenen Jahren und vor allem in diesem Jahr schon getan hat. Zudem gibt sie sich damit den Anschein, sie wäre in der Lage, die Inflation unter Kontrolle zu halten. Sollte die Inflation auf 5 Prozent ansteigen, so kann die Fed dies einfach als ihr Ziel ausgeben.

Der Strategiewechsel war notwendig. Er ist die logische Folge des extremen Gelddruckens, mit dem Fed die überschuldete US-Regierung liquide hält und den Investoren an den Finanzmärkten massive Gewinne verschafft. Dass dies bisher nicht zu einer starken Inflation geführt hat, liegt vor allem daran, dass die Menschen wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit Geld sparen.

Auch die EZB wird in diesem Jahr erneut ihre Strategie überprüfen und möglicherweise anpassen, sich also mehr Spielraum für eine höhere Inflation einräumen. Denn auch die EZB (wie alle anderen großen Zentralbanken) hat in den letzten Jahren und vor allem dieses Jahr massiv Geld gedruckt, was schließlich zu einer starken Inflation führen muss.

Der Strategiewechsel der Fed, der künftig ein Inflationsziel über 2 Prozent erlaubt, war sicherlich nicht der letzte. Denn wenn die Inflation künftig über einen längeren Zeitraum 3 oder 4 Prozent beträgt, dann liegt die durchschnittliche Inflation schnell über 2 Prozent. Und dann braucht es schon wieder eine neue Regel - oder einen Reset des Weltwährungssystems.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Novo Nordisk-Aktie: Wie Analysten die Zukunft nach dem Crash bewerten
28.11.2025

Die jüngsten Turbulenzen rund um die Novo Nordisk-Aktie haben Anleger verunsichert und den Blick auf Chancen und Risiken neu geschärft....

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krise: Trumps wechselhafte Politik erschüttert Vertrauen
28.11.2025

Die diplomatischen Bemühungen in Genf zeigen, wie stark der Ukrainekrieg inzwischen von wechselhaften Signalen aus Washington geprägt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Forschungsdominanz: Wachsende Risiken für Europas Sicherheit
28.11.2025

China treibt den globalen Technologiewandel voran und zwingt Europa zu einer strategischen Neubewertung seiner Abhängigkeiten. Welche...

DWN
Politik
Politik Sicherheitsgarantien Ukraine: Warum Washington plötzlich auf einen Deal drängt
27.11.2025

Wachsende Irritationen in Europa treffen auf ein Washington, das den Ton sichtbar verschärft und ein Friedensabkommen zur Bedingung für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Studie von KfW Research: Industriestandort Deutschland benötigt mehr Wagniskapital
27.11.2025

Deutschlands Industrie steht unter Druck: KfW Research sieht schrumpfende Wertschöpfung und zu wenig Risikokapital. Chefvolkswirt Dirk...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Immer mehr Arbeitsplätze wandern ins Ausland ab: Wirtschaftsstandort Deutschland wackelt
27.11.2025

Hohe Preise für Energie, belastende Lohnnebenkosten, eine ausufernde Bürokratie und politische Vorgaben des Staates: Immer mehr Firmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Microsoft-Aktie im Fokus: Rekordinvestitionen in Cloud und KI stärken das Wachstum
27.11.2025

Microsoft setzt mit massiven Investitionen in Cloud-Infrastruktur und künstliche Intelligenz auf Wachstum und Innovation. Können diese...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundespräsident Steinmeier: Europa muss Potenzial als Wirtschaftsmacht ausschöpfen
27.11.2025

Krieg, Machtverschiebungen und zähe Entscheidungen in der EU belasten die Wirtschaftsmacht Europa. Auf dem Wirtschaftsforum in Madrid...