Inmitten des eskalierenden Brexit-Streits mit der Europäischen Union hat sich Großbritannien auf ein erstes großes Freihandelsabkommen mit einer anderen Nation geeinigt. Am 1. Januar 2021 solle eine umfassende Vereinbarung mit Japan gelten, kündigte das Handelsministerium am Freitag in London an. Das erste bedeutende Abkommen seit dem EU-Austritt zu Beginn dieses Jahres gewährleiste Zollfreiheit für 99 Prozent der britischen Exporte in die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Der Handel mit Japan könne langfristig um etwa 15,2 Milliarden Pfund (etwa 16,5 Milliarden Euro) im Vergleich zu 2018 wachsen.
"Das ist ein historischer Moment für Großbritannien und Japan", sagte die britische Handelsministerin Liz Truss. "Das Abkommen, das wir in Rekordzeit und unter schwierigen Umständen ausgehandelt haben, geht weit über das bestehende EU-Abkommen hinaus." Es sichere den britischen Unternehmen etwa in der Fertigungs-, Lebensmittel- und Getränke- sowie Technologieindustrie neue Geschäftsabschlüsse.
Der japanische Außenminister Toshimitsu Motegi sagte, die Gespräche seien schwierig gewesen. "Aber es ist uns gelungen, in nur drei Monaten mit außerordentlicher Schnelligkeit eine Grundsatzeinigung zu erzielen." Japan hofft, dass insbesondere die heimische Eisenbahn- und Autobranche davon profitiert. Große japanische Investoren in Großbritannien wie die Konzerne Nissan und Hitachi werden Motegi zufolge reduzierte Zölle auf Zulieferteile zugutekommen, die bis 2026 ganz wegfallen sollen.
Die Einigung mit Japan wird weithin als vergleichsweise einfache Übung für die britische Regierung angesehen, da sie sich weitgehend auf das Abkommen zwischen der EU und Japan stützt. Andere Handelsgespräche, insbesondere mit den USA, kommen deutlich langsamer voran. Der Handel zwischen Großbritannien und Japan summierte sich 2018 auf rund 29,5 Milliarden Pfund. Zum Vergleich: Die Exporte und Importe zwischen Großbritannien und der EU belaufen sich auf fast 700 Milliarden Pfund.
Großbritannien hat die EU am 31. Januar verlassen. Die Verhandlungen zwischen beiden Seiten um ein Freihandelsabkommen nach Ende der Brexit-Übergangsphase am Jahresende stecken derzeit in einer Sackgasse. Die britische Wirtschaft fordert deshalb mit Nachdruck, ein Handelsabkommen mit der EU abzuschließen. Dieses sei "von größter Bedeutung", sagte Allie Renison, Leiterin der Abteilung Europa und Handelspolitik beim Lobbyverband Institute of Directors.
Die Fronten in den Brexit-Gesprächen haben sich zuletzt verhärtet. Die Regierung von Premierminister Boris Johnson hat angekündigt, sich in einem geplanten Gesetz für den britischen Binnenhandel in Teilen über den ratifizierten Scheidungsvertrag mit der EU hinwegzusetzen. Die EU pocht aber darauf, dass sich London an den Vertrag und die Zusage halten muss, keine sogenannte harte Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Land Irland zuzulassen.
Weiterlesen: Brexit reißt 75-Milliarden-Lücke in EU-Kasse, Deutschland wird übernehmen