Politik

Die Mär vom „Sturm auf den Reichstag“ stinkt zum Himmel

Lesezeit: 3 min
17.09.2020 11:48  Aktualisiert: 17.09.2020 11:48
Am 29. August fand kein „Sturm auf den Reichstag“, sondern eher eine groteske Inszenierung statt. Das Spektakel löste einen „Mega-Orgasmus-Effekt“ aus, weshalb auch hinterher etwas Ruhe ins Land einkehrte. Doch das politische Establishment missbraucht die Symbolik des Reichstags, um politisch Andersdenkende und Kritiker - und eben nicht Extremisten - mundtot zu machen.
Die Mär vom „Sturm auf den Reichstag“ stinkt zum Himmel
Die Fahne am Reichstag weht am 24.02.2017 in Berlin kräftig im Wind. (Foto: dpa)

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Am 29. August 2020 hatten sich Zehntausende von mehrheitlich friedlichen Demonstranten entlang der Straße des 17. Juni, am Brandenburger Tor bis „Unter den Linden“ versammelt. Diese Kundgebung wurde von der Initiative „Querdenken“ organisiert. Zeitgleich fand eine Kundgebung mit maximal 400 Demonstranten, die mehrheitlich die Reichsflagge in den Händen trugen, vor dem Reichstag statt. Diese Kundgebung hatte nichts mit der Demonstration der Initiative „Querdenken“ zu tun.

Zu Beginn der Demo vor dem Reichstag waren Barrikaden und zahlreiche Polizisten vor dem Reichstag zu sehen. Die Polizeibeamten hatten zudem die Anweisung, die beiden Demonstrationen voneinander zu isolieren. Dann passierte etwas sehr Seltsames. Während die Menge vor dem Reichstag von Provokateuren aufgewiegelt wurde, wurden die Polizeibeamten vor dem Reichstag abgezogen. Es hielten sich dann plötzlich zahlreiche Polizisten nicht mehr vor, sondern am Reichstag auf.

Spektakel vor dem Reichstag

Dann kam eine Dame namens T.K. ins Spiel. Sie ergriff das Mikrofon auf dem Podium neben dem Reichstags-Gebäude und sagte: „Wir schreiben heute, hier in Berlin Weltgeschichte. Guckt euch um, die Polizei hat die Helme abgesetzt. Vor diesem Gebäude steht keine Polizei mehr. Und Trump ist in Berlin. Die ganze Botschaft ist hermetisch abgeriegelt. Wir haben fast gewonnen.“

Anschließend forderte sie die aufgeheizte Menge auf, auf die „Treppe“ des Reichstags zu gehen, um „friedlich“ zu demonstrieren.

Es sollte vielleicht durch den Einsatz erfahrener Investigativ-Journalisten erörtert werden, ob K. eine Art „Agent Provocateur“ ist. Eigentlich sollten alle Teilnehmer an dieser Mini-Demo vor dem Reichstag von den unabhängigen und demokratischen Medien durchleuchtet werden. Entlastend kann gesagt werden, dass K. zumindest das Wort „friedlich“ benutzt hat. Sie muss nicht zwangsläufig ein „Agent Provocateur“ sein. Voraussichtlich wird sie nun taktisch bei diversen umstrittenen Medien auftreten, um den Verdacht gegen sie zu entkräften, damit sich ihre Zielgruppe nicht hintergangen fühlt.

Juraforum.de definiert einen „Agent Provocateur“ mit folgenden Worten: „Bei einem ,Agent Provocateur' handelt es sich um eine Person, welche eine andere Person zu einer Tat veranlasst beziehungsweise die Begehung der Tat fördert. Der Agent Provocateur tut dies aber nicht aus kriminellen Gründen, sondern genau aus gegenteiligen: er möchte die angestiftete Person der Tat überführen. Stiftet ein Agent Provocateur eine Person zu einer Tat an, so ist sein Ziel, diese dingfest zu machen, bevor die Tat an sich komplett ausgeführt worden ist - also bevor Rechtsgut beschädigt wurde. Strafbar macht sich ein Agent Provocateur nicht. In der Praxis werden Agents Provocateurs häufig von Staatsseite aus engagiert, um andere Personen zu einer Tat anzustiften, welche nicht gesetzeskonform ist. Werden die angestrebten Taten dann tatsächlich ausgeführt, so ergeben sich dadurch für die staatliche Stelle die Möglichkeiten, einzuschreiten und den Täter zu bestrafen.“

K. behauptet, dass ihre Aktion am Reichstag völlig spontan erfolgt sein soll. Doch zuvor war sie in der Gegend herumgelaufen, um Demoteilnehmer dazu zu bewegen, zum Reichstag zu gehen. Dabei sagte sie: „Kommt zum Reichstag. Wir haben gleich gewonnen.“

Gleich gewonnen? Wusste sie denn schon vor dem „Sturm auf den Reichstag“, dass die Polizeibeamten abgezogen werden? Denn dann hätte sie auch voraussagen können, dass sie „gleich gewonnen“ haben.

Auf der Bühne vor dem Reichstag sagte sie später: „Wir haben fast gewonnen.“

Es ging also offenbar von Anfang an darum, die Menschen auf die Reichstagstreppe zu manövrieren. Doch von einem „Sturm auf den Reichstag“ kann nicht die Rede sein. Eher von einem „Berliner Treppensturm“ nach dem Vorbild des „Grünen Reichstagssturms“ vom 18.09.2010.

K. hat zwar zu keiner Straftat aufgerufen, doch ihr Handeln sollte offenbar etwas anderes bewirken. Wenige Tage vor der Demo in Berlin war die Stimmung im Land wegen der Corona-Debatte derart aufgeheizt, dass es fast schon gefährlich werden konnte. Die Luft musste raus. Die Aktionen von K. und der angebliche „Sturm auf den Reichstag“ hatten einen Orgasmus-Effekt, der den Anschein erweckte, dass etwas erreicht wurde („Wir haben gewonnen“).

Man musste sich nur die Reaktionen der Zuschauer am Reichstag und die Reaktionen in den sozialen Medien vergegenwärtigen, um zu verstehen, welchen „Ejakulations-Effekt“ diese scheinbar vorsätzlich dirigierte Aktion vor dem Reichstag hatte. In diesem Sinne hatte die „Dirigentin“ sogar einen positiven Effekt erzeugt, der hauptsächlich medial einen großen Einschlag fand. Denn nach dem Spektakel vor dem Reichstag war erstmal eine Beruhigung und eine Entspannung in den sozialen Medien und innerhalb der Bevölkerung zu beobachten – wie nach einem gelungenem Mega-Orgasmus.

Die Politik instrumentalisiert die Geschehnisse

Trotzdem wird dieses kleinteilige und harmlose Ereignis, das eher den Anschein einer grotesken Inszenierung hatte, in Talkshows des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dafür herangezogen, um die Teilnehmer an den anderen friedlichen Kundgebungen vom 29. August 2020 als „Rechtsextremisten“ und „Nazis“ zu diffamieren. Doch diese friedlichen Kundgebungen fanden nicht vor dem Reichstag statt.

Die gesamte Medienlandschaft konzentriert sich ausschließlich auf diese maximal 400 Demonstranten, die offenbar in die Falle getappt sind, oder aber teilweise Mitwirkende waren? Dialog und Kritik werden nicht mehr zugelassen, sondern massiv unterdrückt. Sogar harmlose Nachfragen werden als Angriff gewertet, um natürlich sofort zum Gegenangriff zu blasen.

Was am Ende steht, ist das Gefühl, dass man seine Meinung nicht mehr frei äußern darf. Und dieses Gefühl spielt wiederum den Extremisten und Staatsfeinden in die Hände.

Wer schadet denn hier der Demokratie?

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