Finanzen

China treibt die Öffnung seiner Finanzmärkte voran – und wertet den Yuan zu einer globalen Währung auf

Lesezeit: 4 min
11.10.2020 10:00
Investoren auf der ganzen Welt entdecken das chinesische Anlage-Universum zunehmend als renditestarke und vergleichsweise sichere Alternative zu amerikanischen und europäischen Märkten. Die Strategie der Chinesen, die eigene Währung als weltweit akzeptierte Reserve- und Handelswährung zu positionieren, erhält dadurch neuen Schwung.
China treibt die Öffnung seiner Finanzmärkte voran – und wertet den Yuan zu einer globalen Währung auf
Börsenkurse in China. (Foto: dpa)
Foto: Wu Hong

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Anleger aus der ganzen Welt verstärken ihre Investitionen im chinesischen Finanz-Universum seit einigen Monaten deutlich. Insbesondere das Kaufvolumen bei Staatsanleihen und Aktien verzeichnete spürbare Zuwächse. So soll es zwischen August 2019 und August 2020 Netto-Zuflüsse in die chinesischen Anleihemärkte von rund 615 Milliarden Renminbi (etwa 90 Milliarden US-Dollar) gegeben haben. In die chinesischen Aktienmärkte flossen im selben Zeitraum netto rund 93 Milliarden Renminbi – umgerechnet etwa 13,7 Milliarden Renminbi, wie die Financial Times berichtet.

Mit Blick auf die vergangenen Jahre zeigt sich ein langsamer, aber permanenter Anstieg des Investitionsvolumens internationaler Vermögensverwalter und Anleger in China. So belief sich das finanzielle Engagement von Ausländern in China in den Bereichen Anleihen, Aktien, Krediten und Bankeinlagen im Jahr 2017 auf etwa 3,5 Billionen Renminbi. Im August des laufenden Jahres waren es insgesamt etwa 7 Billionen Renminbi – wobei insbesondere in den Anleihe- und Aktienmärkten starke Zuwächse verzeichnet wurden.

Vertrauen in realwirtschaftliche Fundamentaldaten

Hinter der zunehmenden Bereitschaft, Geld in chinesische Wertpapiermärkte zu investieren, steht ein positives Risiko-Nutzen-Kalkül der Anleger. So bieten beispielsweise Staatsanleihen aus China deutlich höhere Renditen als vergleichbare Papiere aus dem Westen. Für Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von zehn Jahren zahlt der chinesische Staat derzeit beispielsweise 2,7 Prozent – verglichen mit 0,77 Prozent in den USA, minus 0,5 Prozent (!) in Deutschland, 0 Prozent in Japan und 0,3 Prozent in Großbritannien – bei einer mit diesen Ländern vergleichbaren gesellschaftlichen und politischen Stabilität.

Derselbe Befund gilt auf dem Aktienmarkt. „Die Chinesen haben ein Pro-Kopf-Einkommen von 25 Prozent des OECD-Durchschnitts. Da werden wir noch viel Wachstum sehen, und Deutschland ist sehr gut positioniert, daran teilzuhaben“, sagte der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Achim Wambach, vor Kurzem der dpa. Es sei richtig, dass die internationalen Spannungen (etwa im Südchinesischen Meer) zunähmen – aber auf der anderen Seite sei das Potenzial vorhanden.

Unterstützung kommt zudem von der chinesischen Zentralbank, welche den Wechselkurs der Landeswährung trotz deutlicher Aufwertungstendenzen gegenüber dem Dollar lange Zeit nicht wie in der Vergangenheit geschehen überraschend drückte – und damit die real erzielten Renditen ausländischer Investoren verringerte. Am Freitag erreichte der Renminbi mit rund 6,70 Renminbi für den Dollar den höchsten Stand seit April 2019 ohne das die Zentralbank Hinweise auf eventuelle Interventionen ausgab. Am Wochenende gab die Notenbank jedoch bekannt, Maßnahmen gegen die Stärke des Yuan zu ergreifen. Demnach müssen Banken für bestimmte Fremdwährungsgeschäfte keine Sicherungseinlage mehr leisten, was von den meisten Beobachtern als Förderung von Shortwetten gegen die Landeswährung angesehen wird und was die Aufwertung erschweren dürfte.

In einem Bericht vom August ermutigte die Volksbank darüber hinaus Ausländer zu einem stärkeren Engagement in China und sprach dafür Quasi-Garantien aus. Die „Allokation von Renminbi-Anlagen durch Ausländer wird weiter erleichtert“ und man erwarte, dass „mehr internationale Zentralbanken Renminbi-Anlagen als Reserven halten“ werden.

„Chinas wirtschaftliche Fundamentaldaten sind sehr positiv, die Erholung der Wirtschaft (nach der Corona-Pandemie – der Verf.) fiel stärker als andernorts aus und es bestehen derzeit keine Sorgen hinsichtlich einer zweiten Virus-Welle“, wird ein Vermögensverwalter von BlueBay Asset Management zitiert. Der Vergleich mit den derzeit von schweren politischen und gesellschaftlichen Krisen erschütterten USA verstärkt diese Einschätzung noch. Einer Umfrage der Schweizer Großbank UBS zufolge steht die Sorge vor einer Wirtschaftskrise in China nur noch vierter Stelle bei den befragten Vermögensverwaltern – hinter der politisch-gesellschaftlichen Krise in den USA, neuen Handelskriegen und einer neuen Weltwirtschaftskrise.

Der Yuan: mit kleinen Schritten auf dem Weg zur globalen Reservewährung

Die Kapitalzuflüsse in chinesische Wertpapiere unterstützen die Bestrebungen der Pekinger Regierung, die Landeswährung Renminbi (Kurzform: Yuan) zu einer international akzeptierten Handels- und Reservewährung aufzuwerten. Denn je größer der Anteil der in Yuan abgewickelten Wertpapiergeschäfte am globalen Gesamtmarkt ist, desto größer ist auch das Volumen der in Yuan notierten Bankeinlagen und Devisenreserven und die Rolle, welche die Währung in den Strategieüberlegungen der großen institutionellen Anleger und Vermögensverwalter spielen kann.

Chinas Jahrzehnte währender Aufstieg und die starke Startposition nach der Corona-Pandemie spiegeln sich auch in den Erwartungen der von der UBS befragten Devisenmanager wider. Diese glauben, dass in zehn Jahren etwa 5 Prozent der weltweit gehaltenen Devisenreserven auf den Yuan entfallen werden. Bei der Umfrage des vergangenen Jahres lag der Schätzwert bei 4 Prozent – aktuell sind es etwa 2 Prozent.

Der US-Dollar wird mittelfristig aber die unangefochtene Reservewährung der Welt bleiben, weil der amerikanische Finanzmarkt – insbesondere der wichtige Anleihemarkt – sehr liquide ist und weil der Yuan noch nicht frei konvertierbar ist, also noch Handelsbeschränkungen bei gewissen Geschäften mit der Währung von Peking aufrechterhalten werden. Trotzdem ist der Trend zu einer gewissen De-Dollarisierung weltweit weiterhin intakt, wie aus mehreren aktuellen Berichten hervorgeht. Die Verschiebungen im Weltwährungsgefüge vollziehen sich nicht sprunghaft, sondern finden in kleinen Schritten statt. „Wenn Sie ein Währungsmanager sind, dann muss das Thema Rendite eine Rolle spielen und der Investment Case für China ist im Bereich der festverzinslichen Wertanlagen sehr attraktiv. Der Aufstieg des Renminbi zu einer globalen Reservewährung ist kein Sprint, sondern ein Marathon“, zitiert die FT einen führenden Anlagestrategen der UBS. Ein Analyst der britischen HSBC sagte: „In den vergangenen Jahren behandelten die Investoren den Renminbi mit viel Vorsicht, aber im laufenden Jahr gab es einen kompletten Sinneswandel.“

Renommierter Anleihe-Index öffnet dem Yuan die Türen

Der nächste Schritt im „Marathon“ steht kommendes Jahr an. Dann dürften chinesische Staatsanleihen in einen der wichtigsten Indizes des Segmentes, den World Government Bond Index (WGBI) des Anbieters FTSE Russell, aufgenommen werden. Die Zusammensetzung des WGBI hat Einfluss auf Billionen von Dollar, für welche Vermögensverwalter eine möglichst rentable Anlage in Staatsanleihen suchen. Beobachter schätzen, dass alleine durch die Aufnahme in den Index netto etwa 140 Milliarden Dollar in chinesische Anleihen fließen könnten. Kurz vor der Bekanntgabe der Aufnahmepläne hatte der bedeutende Hongkonger Vermögensverwalter CSOP zudem im Frühherbst einen auf chinesische Staatsanleihen spezialisierten ETF im Finanzplatz Singapur lanciert.

Im vergangenen Jahr gelangen den Chinesen bereits zwei wichtige Durchbrüche, als ihre Anleihen Aufnahme in den Bloomberg Barclays Index und einen wichtigen Schwellenland-Anleihe-Index der US-Großbank JPMorgan fanden. Seit dem Jahr 2017 können ausländische Investoren zudem mithilfe des Bond Connect-Programmes von Hongkong aus in chinesischen Anleihemärkten investieren. Hongkong, welches seinen historisch gewachsenen Status als „Chinas Tor zur Welt“ auch in Zukunft behalten möchte, kündigte Ende September die Schaffung neuer Anlageprodukte und Währungsoptionen für den Bond Connect an, wie die South China Morning Post damals berichtete. Analog zum Bond Connect existiert seit einigen Jahren auch ein Stock Connect genanntes Programm zur Vereinfachung des Aktienhandels zwischen China, Hongkong und der Welt.

Den wichtigsten Meilenstein in der jüngeren Geschichte der Internationalisierung des Yuan stellte die 2016 erfolgte Aufnahme in jenen Währungskorb dar, welchen der Internationale zur Berechnung seiner Kunstwährung „Sonderziehungsrechte“ verwendet.

Noch wird das chinesische Anleiheuniversum von einheimischen Geldgebern dominiert, obwohl der Anteil ausländischer Gläubiger seit Jahren kontinuierlich zunimmt. Waren es vor ein paar Jahren nur rund 2 Prozent, so besitzen Ausländer inzwischen immerhin etwa 9 Prozent aller chinesischen Staatsanleihen.

„Die Zulassung chinesischer Wertpapiere in große Anleihe- und Aktienindizes ist ein bedeutender Hinweis für die Intention der Kommunistischen Partei hinsichtlich des Renminbi und sie zeigt uns, dass es der Zentralbank darum geht, ihren Markt zu liberalisieren“, sagt ein Manager des Anlagegiganten State Street Global Advisors.

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