Am 13. September 2020 enthüllte das US-Außenministerium eine neue Webseite, auf der die Missbräuche gegen Uiguren und andere ethnische Gruppen in der chinesischen Region Xinjiang katalogisiert werden. „Die USA sind entschlossen, den weltweiten Kampf gegen diese ungeheuren Menschenrechtsverletzungen zu führen“, teilte das Außenministerium in einem Tweet mit.
Die neue Seite mit dem Titel „Menschenrechtsverletzungen der Kommunistischen Partei Chinas in Xinjiang“ ist eine eigenständige Seite auf der Website des Außenministeriums. Es stellt eine neue Ebene in der Reaktion der USA dar, um die Notlage der Uiguren hervorzuheben - und nicht zufällig China auf internationaler Ebene zu diskreditieren -, nachdem immer wieder Sanktionen gegen chinesische Beamte und Unternehmen verhängt wurden, die angeblich an Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren und andere muslimisch-türkischen Volksgruppen beteiligt sind.
Das US-außenministerium unter der Führung von Mike Pompeo wirft China in der westchinesischen Provinz Xinjiang (ursprünglich Ost-Turkestan und seit dem Jahr 1949 besetzt) „Zwangsbevölkerungskontrolle“, „Zwangsarbeit“ und „Verstöße gegen die Religionsfreiheit“ vor. Zuvor hatte Pompeo bereits den Vatikan aufgefordert, gegen die Menschenrechtsverletzungen in China Stellung zu beziehen.
„Die Kommunistische Partei Chinas führt eine gezielte Kampagne gegen uigurische Frauen, Männer und Kinder sowie gegen Mitglieder anderer türkisch-muslimischer Minderheitengruppen in Xinjiang, China, durch. Dokumentierte Menschenrechtsverletzungen umfassen Methoden zur Kontrolle der Bevölkerung, Zwangsarbeit, willkürliche Inhaftierung in Internierungslagern, Folter, körperlichen und sexuellen Missbrauch, Massenüberwachung, Trennung von Familien und Unterdrückung der kulturellen und religiösen Entfaltung“, heißt es auf der neuen Webseite des US-Außenministeriums.
Auf einem Bannerzitat wird Pompeo mit folgenden Worten zitiert: „Wir fordern die Kommunistische Partei Chinas auf, diese schrecklichen Praktiken unverzüglich zu beenden. Wir rufen alle Nationen dazu auf, gemeinsam mit den USA ein Ende dieser entmenschlichenden Missbräuche zu fordern.“
Die Regierung in Peking meint hingegen, dass der neue Webauftritt des US-Außenministeriums „voller Lügen und Gerüchte“ ist.
„Xinjiang-bezogene Angelegenheiten sind Chinas innere Angelegenheiten, die keine Einmischung von außen zulassen. China fordert die USA erneut auf, die politischen Manipulationen und Eingriffe in die inneren Angelegenheiten Chinas unter dem Vorwand von Angelegenheiten im Zusammenhang mit Xinjiang zu stoppen“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Wang Wenbin, auf einer Pressekonferenz am 14. September 2020.
Wang meint, dass es den Uiguren gut gehen würde. Repressive Maßnahmen würden nur im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus in der Region stehen. „Die Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung und Entradikalisierung, die die lokalen Regierungen von Xinjiang in den letzten Jahren ergriffen haben, haben zu bemerkenswerten Ergebnissen geführt, und die Region hat in den letzten vier Jahren keinen einzigen Terroranschlag erlebt“, meint er.
Türkische Nationen liegen entlang der alten und neuen Seidenstraße
Die USA üben seit geraumer Zeit wirtschaftlichen und politischen Druck auf China aus, um seinen weltweiten Aufstieg zu verhindern. Dabei haben sich die USA bisher mehrerer Mittel bedient, die von der Bildung einer anti-chinesischen militärischen Allianz im Südchinesischen Meer bis hin zu einer Medienkampagne im Verlauf der Corona-Krise reichen. Nun wollen die Amerikaner offenbar die gesamte türkische Welt, die sich von der chinesischen Mauer bis nach Südosteuropa erstreckt, gegen China positionieren, um Chinas Neue Seidenstraße, die entscheidend ist für Chinas machtpolitische Ambitionen, zu blockieren. Denn die türkische Welt befindet sich komplett auf dem Landweg der Neuen Seidenstraße.
Doch um dieses Ziel zu erreichen müssen in der türkischen Welt - in Zentralasien, im Kaukasus und in der Türkei - Regierungen an der Macht sein, die dieses Spiel mitmachen. Der wichtigste potenzielle Mitspieler dürfte nach Wunsch der USA die Türkei sein. Allerdings unterstützt die aktuelle Regierung in Ankara das Projekt zur Neuen Seidenstraße.
Peking und Ankara wollen unter allen Umständen den Plan der Amerikaner verhindern. Ob dies gelingen wird, wird sich sehen lassen. Im Zusammenhang mit der türkisch-uigurischen Minderheit in China hatten die Regierungen von Ankara und Peking im vergangenen August einen Entschluss gefasst, um die weltweite Kritik an der Menschenrechtspolitik Chinas zu zerstreuen. Die Türkei entsandte Menschenrechtsbeobachter in die westliche Provinz Xinjiang, um die Lage dort zu beobachten.
„Unsere Erwartung ist, dass unsere uigurischen Geschwister im Rahmen der Ein-China-Politik in Frieden leben. Während des Besuchs unseres Präsidenten in China hat der chinesische Präsident vorgeschlagen, eine Gruppe von türkischen Beobachtern zu entsenden. Am 24. Juli 2019 erfolgte diese Einladung schriftlich durch die chinesische Botschaft in Ankara. Wir werden eine Gruppe von zehn Beobachtern entsenden, um die Lage vor Ort zu beobachten“, zitiert die Nachrichtenagentur Anadolu den türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu.
Der Vorwurf der Zwangssterilisation von muslimischen Uiguren wurde erstmals vom Population Research Institute mit Hauptsitz in Virginia (USA) erhoben. “Die gegenwärtige uigurische Bevölkerung macht weniger als 1 Prozent der Gesamtbevölkerung Chinas aus. Das natürliche Wachstum einer Bevölkerung dieser Größe in einem beliebigen Land einzuschränken und zu kontrollieren, bedeutet, sie vollständig zu vernichten und Völkermord zu begehen. Daher ist die chinesische Geburtenkontrollpolitik der Zwangsabtreibung und Sterilisation von Uiguren keine Politik zur Sicherung der Gesamtqualität der uigurischen Bevölkerung. Im Gegenteil, es geht darum, sie schrittweise auszurotten, indem ihnen alle politischen, wirtschaftlichen und sozialen Mittel und Beschränkungen auferlegt werden”, so das Population Research Institute in einer Mitteilung.
Nicht nur die chinesischen, sondern auch die türkischen Medien stufen diese Berichte als Propagandakampagne ein, um eine politische und wirtschaftliche Annäherung zwischen China und der Türkei - und damit das Projekt der Neuen Seidenstraße - zu verhindern.
Anfang Juli 2019 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan seinen chinesischen Amtskollegen in Peking besucht. Erdoğan machte deutlich, dass die Türkei die Ein-China-Politik Pekings unterstützt. „Die Ein-China-Politik ist von strategischer Bedeutung für die Türkei“, zitiert die Pressestelle des türkischen Präsidenten Erdoğan. Der türkische Präsident fügte hinzu, dass das Verhältnis zwischen Türken und Chinesen Tausende von Jahren alt ist. Dieses Verhältnis beruhe auf dem Vorteil der Seidenstraße, die verschiedenste Zivilisationen miteinander verbunden hatte. Diesen Worten liegt die Tatsache zugrunde, dass vor allem die Türkei von der Neuen Seidenstraße als Brückenkopf zwischen Ost und West profitieren würde.
Es bleibt abzuwarten, ob die Türkei und China die Kraft haben werden, sich den USA zu widersetzen, um sich nicht gegeneinander aufwiegeln zu lassen. Schließlich ist der Umgang Chinas mit den Uiguren ein hochemotionales Thema.