Politik

Trump hat das Ansehen der USA in der Welt gestärkt

Lesezeit: 4 min
10.11.2020 11:50
DWN-Gastautor Jurij Kofner blickt auf die Präsidentschaft von Donald Trump zurück und bewertet seine Außen-, Wirtschafts- und Kulturpolitik. Darüber hinaus gibt er einen Ausblick auf die bevorstehende Präsidentschaft Joe Bidens. Sein Fazit: Besser wird es nicht.
Trump hat das Ansehen der USA in der Welt gestärkt
Er scheint sich über den Ausgang der Wahlen nicht zu freuen. (Foto: dpa)
Foto: Marcio Jose Sanchez

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Deutsche und europäische Massenmedien waren Trump während seiner Präsidentschaft gegenüber genauso negativ eingestellt wie die größten amerikanischen Sender. Sie nannten ihn unberechenbar, protektionistisch und reaktionär. Und obwohl Trump nie ein Freund der Europäer war, war er ein wahrer amerikanischer Patriot. Paradoxerweise verschaffte genau dies den Europäern eine Pause und die Gelegenheit, um politisch und wirtschaftlich erwachsen zu werden – eine Chance, die sie jedoch nicht nutzten. Gleichzeitig erneuerte Trumps Patriotismus pro-amerikanische Sentiments unter den europäischen Konservativen. Biden hingegen wird den langsamen Untergang der transatlantischen Beziehungen fortsetzen.

Politik

Donald Trump war der erste US-Präsident seit 40 Jahren (Jimmie Carter), der keinen Krieg geführt hat. Dies ist von großer Bedeutung, denn US-Militär-Interventionen sind ein wichtiger Grund für die Migrationskrise. Nach Schätzungen der Washington University haben Kriege mit amerikanischer Beteiligung nach dem 11. September 2001 37 bis 59 Millionen Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten gewaltsam vertrieben. Ein großer Teil dieser Flüchtlinge wanderte nach Europa und Deutschland.

Seine „America First“-Politik bedeutete eine Rückbesinnung auf inneramerikanische Angelegenheiten, um die wachsenden sozioökonomischen Probleme des Landes zu lösen, unter anderem Armut, Ungleichheit, Kriminalität und Deindustrialisierung. Gleichzeitig bedeutete es eine stärkere Konzentration auf regionale, also nord- und südamerikanische Angelegenheiten, zum Beispiel das neue USA-Mexiko-Kanada-Abkommen, aber auch die Sanktionen gegen Venezuela.

Diese Politik beinhaltete auch einen relativen Rückzug aus dem eigenen militärischen Interventionismus in Eurasien und eine stärkere Betonung des „Lead From Behind“- Ansatzes, ähnlich wie damals, als die alten Römer auf ihre Foederati (Verbündeten) setzten, um die Grenzen des Reiches zu verteidigen. Und im 21. Jahrhundert sind nun mal die Europäer die wichtigsten Foederati der Vereinigten Staaten.

Zum ersten Mal seit Charles de Gaulle erhielt Europa die Möglichkeit einer größeren außenpolitischen Entscheidungsfreiheit. Aber statt diese historische Chance zu nutzen, um ein wirklich souveränes Europa zu schaffen, klammerten sich die meisten europäischen Politiker weiter in transatlantischer Nibelungentreue an den großen Bruder.

Wirtschaft

Der wirtschaftliche Aspekt von Trumps "America First" -Politik hatte sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die deutschen und europäischen Wirtschaftsinteressen. Eines ist jedoch sicher: Sein Protektionismus war nie überraschend, noch unvorhersehbar. Im Gegenteil, er war über die Zeit sehr konstant. Nur entsprach diese Strategie nicht den Erwartungen der transatlantischen Eliten.

Der zentrale Punkt der „America First“-Agenda war es, die heimische Industrie zu schützen und das Wohlergehen der amerikanischen Industrie-Arbeiter zu gewährleisten. Aus diesem Grund hat Trump die geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) verhindert. Damit hat er den Europäern einen großen Gefallen getan, da dieses Abkommen die europäischen Ernährungs- und Arbeitsschutzbestimmungen aufgehoben, die europäische Landwirtschaft zerstört und die großen US-amerikanischen Unternehmensgruppen noch mächtiger gemacht hätte, als sie es jetzt schon sind.

Natürlich war Trumps merkantilistischer und protektionistischer Ansatz in Sachen Außenhandel für Europa nicht immer von Vorteil. Als Antwort auf die EU-Subventionen für Airbus sowie dem europäischen Handelsüberschuss mit den USA verhängte er Strafzölle auf europäische Aluminium-, Stahl- und Lebensmittelprodukte im Wert von 6,3 Milliarden Euro. Die US-amerikanischen Drohungen gegen deutsche Unternehmen und Häfen wegen Nord Stream 2 waren ebenfalls alles andere als diplomatisch.

Was Trump dabei „übersah“, war der Umstand, dass seine Regierung Boeing ebenfalls stark subventionierte, dass die USA selbst 190 Milliarden Barrel Öl aus Russland importierten und einen großen Handelsüberschuss bei Dienstleistungen mit der EU verzeichneten, hauptsächlich dank des Erfolgs der großen amerikanischen Digital- und Plattform-Unternehmen.

Letztendlich war das Ziel seiner handelspolitischen Druckmethoden, die anderen Akteure zu günstigen Abkommen mit Washington zu drängen. Dies erreichte er mit dem „Phase-One-Deal“ mit China im Januar und schließlich auch mit der EU im September dieses Jahres.

In diesem Sinne setzte Trump nationale Interessen wie jeder andere amerikanische Präsident durch, nur halt mit anderen Mitteln und ohne vorzugeben, angeblich einen multilateralen Rahmen aufrechtzuerhalten.

Seine Missachtung multilateraler Abkommen zeigt sich am besten in seiner Blockade der Welthandelsorganisation (WTO). Zusammen mit seiner protektionistischen Tarifpolitik sind diese Maßnahmen in der Tat schädlich für die Export-Nationen Europas, allen voran Deutschland.

Der amerikanischen Wirtschaft kam Trumps Handeln sehr zugute. Wobei seine Steuerreform den USA wahrscheinlich noch mehr geholfen hat, als sein außenwirtschaftlichen Protektionismus – auf jeden Fall ist es eine Tatsache, dass die amerikanische Wirtschaft für ein entwickeltes Industrieland ein phänomenales Wachstum gezeigt hat. Nach Angaben des IfW Kiel stieg die Industrie-Produktion der USA zwischen 2016 und 2019 um insgesamt 7,2 Prozent, und laut der Weltbank wuchs das US-Bruttoinlandsprodukt jährlich um durchschnittlich 2,5 Prozent. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum war das Wachstum der deutschen Industrieproduktion negativ, und das deutsche BIP wuchs jedes Jahr durchschnittlich nur um 1,5 Prozent.

Kultur

Vor und nach Trump flankierte die amerikanische Soft Power in Form von Filmen, Fernsehserien, Computerspielen, Musik, Videos, Internetportalen, etc. die militärische und wirtschaftliche Agenda der Vereinigten Staaten mit einem – paradoxerweise – anti-westlichen Narrativ.

Daher war international gesehen der wichtigste Aspekt, dass Trump sich im Kulturkrieg auf die Seite der Verteidigung traditioneller christlicher Werte gegen die postmoderne „progressive“ Agenda stellte.

Obwohl Trump gegen den überwältigenden Druck von Massenmedien, allmächtiger Digital-Giganten (Google, Facebook) sowie kulturkämpferischer Universitäten und NGOs kämpfte und das konservative Lager deshalb letztendlich nicht zum Sieg führen konnte, kann dank ihm die Unterstützung konservativer nationaler Werte auf der ganzen Welt nicht länger als antiamerikanischer Aufstand angesehen werden. Mit anderen Worten: Trump ist es gelungen, eine Masse wohlwollender proamerikanischer Anhänger in Europa und anderswo zu gewinnen.

Seine Kritik an der unkontrollierten Einwanderung (anstelle der kontrollierten Einwanderung) und der – die politische und vor allem kulturelle Debatte immer stärker prägende – Identitätspolitik wird konservativen Bewegungen in Europa in den kommenden Jahren noch viel geistige Nahrung bieten.

Ausblick

Mit Biden als Präsident kann man erwarten, dass die Vereinigten Staaten ihren Weg als Imperium mit einer aggressiveren Haltung in der Außenverteidigungs-, Handels- und Wertepolitik wieder aufnehmen werden (DWN-Autor Moritz Enders hat kürzlich einen Artikel veröffentlicht, in dem er eine andere Meinung vertritt: “Die USA werden ihr Imperium aufgeben müssen“ – Anm. d. Red.).

Im politischen Bereich können wir eine aktivere Erneuerung der US-amerikanischen – unter Umständen militärischen – Einmischung in die eurasischen Staaten erwarten. Dies könnte zu einer weiteren Destabilisierung der östlichen und südlichen Nachbarschaft Europas führen, zu noch mehr Flüchtlingen und zu noch höheren "Unterhaltskosten" für amerikanische „Projekte“, die von den europäischen Steuerzahlern zu tragen sind.

In wirtschaftlicher Hinsicht werden wir wahrscheinlich die Unterzeichnung eines erneuerten „TTIP 2.0“-Vertrags sehen, das die von den großen amerikanischen Technologie-Unternehmen dominierte wirtschaftliche Vasallität Europas untermauern und den Schritt hin zu einer bipolaren Weltordnung zwischen einer transatlantischen Wirtschaftsunion und eines China-orientierten eurasischen Kernlandes abschließen wird.

Im kulturellen Bereich wird die Soft Power der Vereinigten Staaten von einer – bis zu einem gewissen Grad selbstzerstörerischen – progressiven Ideologie geprägt sein. Wie üblich werden sich Universitäten, Hollywood und Silicon Valley für diese Ideologie am stärksten einsetzen. Obwohl sie behauptet, das moralische Recht zu besitzen, sich in Europa und auf der ganzen Welt einzumischen, um die Menschenrechte diverser Gruppen zu verteidigen, wird sie, wie heute schon, kaum etwas gegen die Verfolgung von Christen, Frauen und Homosexuellen in verschiedenen – primär muslimischen – Ländern unternehmen.

Weder Trump noch Biden sind wahre Freunde Europas und natürlich weder Freunde Chinas noch Russlands. Aber wo Trump ein wahrer Freund seines Landes war und ein Patriot, dessen Motto immer „America First“ lautete, wird Biden die globalistische Agenda weiter vorantreiben.

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Jurij Kofner ist Junior-Ökonom des „MIWI - Institut für Marktintegration und Wirtschaftspolitik“ in München.

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