Unternehmen

Pandemie bringt gewaltige Strom-Abgaben in Deutschland wieder auf den Tisch

Lesezeit: 2 min
11.11.2020 17:14  Aktualisiert: 11.11.2020 17:14
Eigentlich müsste der Strompreis derzeit zurückgehen, weil sich auch der Verbrauch durch den Lockdown immer weiter verringert. Doch trotzdem zahlen die Mittelständler momentan dafür so viel wie nie. Was ist da los?
Pandemie bringt gewaltige Strom-Abgaben in Deutschland wieder auf den Tisch
Die Stromkosten schießen derzeit weiter durch die Decke. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Dass die Strompreise in Deutschland zu den höchsten der Welt gehören, ist nicht neu. Doch wird während der Pandemie noch einmal deutlich, zu welch überhöhten Preisen die mittelständischen Unternehmen ihre Rechnungen bezahlen: Während der Stromverbrauch aufgrund des Lockdowns immer weiter zurückgeht, steigen trotzdem die Preise.

So wurden in den ersten drei Quartalen des Jahres des laufenden Jahres 383 Milliarden Kilowattstunden Strom verbraucht. Das sind 4,7 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Der Grund: Die Industrieproduktion ist vor allem im zweiten Quartal durch die Corona-Pandemie stark gesunken. Sie macht mit 46 Prozent den größten Anteil am Gesamtverbrauch aus. „Hochgerechnet auf das Kalenderjahr könnte der Rückgang des Stromverbrauchs somit 3,5 Prozent betragen“, rechnen die Volkswirte des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) damit, dass sich der Trend für das Gesamtjahr so fortsetzt.

Trotzdem haben sich die Strompreise bis Ende Juni weiter vergrößert. So verteuerte sich eine Kilowattstunde Strom um 6,8 Prozent im Vergleich zur zweiten Jahreshälfte 2019 auf durchschnittlich 31,94 Cent. Das berichtete das Statistische Bundesamt Ende Oktober.

Damit wird das grundsätzliche Prinzip von Nachfrage und Angebot ausgehebelt. Wenn die Energiepreise nur den freien Handel der internationalen Strombörsen abbilden würde, dann müssten sie eigentlich zurückgehen. Doch da in diesem Fall dieser Grundsatz nicht gilt, wird hier noch einmal besonders klar, wie groß andere Faktoren in Deutschland sind, die zu den Kosten beitragen. So wird der Preis hierzulande mit insgesamt acht Steuern und Abgaben belastet, die rund die Hälfte des Gesamtvolumens ausmachen.

Preis hat sich durch Abgaben seit 1998 vervierfacht

Wie sehr die Politik hier ihre Finger im Spiel hat, wird auch an den Statistiken deutlich, aus denen die Entwicklung des Preises in den vergangenen Jahren hervorgeht. So hat sich dadurch das Niveau zwischen 1998 und 2020 fast vervierfacht. Wie aus einer aktuellen Tabelle des BDEW abzulesen ist, gehört dazu die EEG-Umlage, die unter anderem dazu dient, Strom aus erneuerbaren Quellen bevorzugt ins Netz einzuspeisen. Allein dieser Posten macht derzeit 20 Prozent am Gesamtpreis aus und steht stark in der politischen Diskussion.

„Die hohen Strompreise in Deutschland zeigen, dass das kostenintensive Subventionsregime des EEG dringend auf den Prüfstand gehört“, sagt Hubertus Struck, der Sprecher der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT). „In der Energiepolitik insgesamt ist es höchste Zeit, dem Wettbewerb und dem Markt eine Chance zu geben. Nur so wird es gelingen, die Kosten für die Unternehmen perspektivisch zu senken“, erklärt der Funktionär auf Anfrage der DWN.

Grundsätzlich ist das Thema politisch sehr aufgeheizt. Wohl aus diesem Grund wollten sich viele Einrichtungen, die sich mit dem Mittelstand befassen, nicht dazu äußern, wie groß die konkreten Verluste sind, die den Unternehmen dadurch entstehen.

Mittlerweile ist hier ein Markt von Anbietern entstanden, die Verbrauchern und Unternehmen Dienstleistungen anbieten, damit diese ihre Energiekosten senken können. Dazu gehört beispielsweise Switchup – eine Firma, die Sparpotenziale errechnet. „Viele Unternehmen unterschätzen, wie viel ihnen aufgrund der Treue zu ihrem Anbieter mehr berechnet wird. Bei Strom spart man in der Regel rund 10 Prozent der Kosten pro Jahr, bei Gas sind die Einsparungen üblicherweise noch höher“, sagt Arik Meyer, der Gründer des Anbieters.

KfW: Energiekosten kein Schaden für den Mittelstand

Doch gibt es auch Stimmen am Markt, die sich zurückhaltend äußern: So haben sich die Energie-Experten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bereits 2016 in einer Studie mit der Belastung der Stromkosten für den Mittelstand auseinandersetzt. Die Untersuchung ist zwar schon älter, gilt in ihren Grundaussagen aber immer noch.

Die Fachleute weisen darauf hin, dass die Stromkosten nur ein Teil der Energiekosten seien. Sie stellen ihren Aussagen zufolge für den Mittelstand als Ganzes keine große Belastung dar - sowohl relativ als Anteil an den Gesamtkosten wie auch als Absolutbetrag. Davon unbenommen sei, dass es natürlich strom- und energieintensive mittelständische Unternehmen gebe, bei denen die entsprechenden Kosten stärker ins Gewicht fielen.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Händler setzen auf Apps und Bonusprogramme: So sparen Verbraucher mit digitalen Treueangeboten
23.12.2024

Die großen Handelsketten wie Lidl, Rewe und Penny gehen neue Wege, um Kunden langfristig an sich zu binden. Mit Apps und Treueprogrammen...

DWN
Politik
Politik Wahljahr 2025: Neue Regierung bis Ostern?
23.12.2024

Kurz, kalt und knackig: So wird der Wahlkampf 2025. Wie lange es danach dauert, bis Deutschland wieder gut regiert wird, ist schwer...

DWN
Politik
Politik Steuerverschwendung: Regierung verschleudert massiv Steuergelder auch ans Ausland - ohne jede Prüfung
23.12.2024

Angeblich muss die Politik künftig unbegrenzt Schulden machen, weil der Staat zu wenig Geld hat: Doch Deutschland hat kein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Stromnetz als Supergau - Dunkelflaute macht Wahnsinnspreise kurzfristig real
23.12.2024

Der Strompreis an der Pariser Strombörse erreichte letzte Woche einen außergewöhnlich hohen Stand. Wie Energieexperten dies erklären -...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ex-VW-Chef Winterkorn lehnt Richter als befangen ab
23.12.2024

Im Strafverfahren zur Dieselaffäre hat der frühere VW-Chef Martin Winterkorn den Vorsitzenden Richter für befangen erklärt. Er...

DWN
Panorama
Panorama Russland: Ölkatastrophe könnte 200.000 Tonnen Boden verseuchen
23.12.2024

Zwei Tanker sind vor mehr als einer Woche im Schwarzen Meer verunglückt, seither läuft Öl aus. Die Folgen für die Umwelt zeigen sich...

DWN
Finanzen
Finanzen EU: 13,5 Milliarden Euro für Deutschland
23.12.2024

Mehr saubere Energie und Digitalisierung: Deutschland erhält 13,5 Milliarden Euro aus Brüssel – und weitere Finanzhilfen könnten...

DWN
Panorama
Panorama Privater Gebrauchtwagenmarkt: Diese Vorteile bieten Privatkäufe für Käufer und Verkäufer
23.12.2024

In einer aktuellen Analyse haben die Experten des Internetportals AutoScout24 den Privatmarkt für Gebrauchtwagen untersucht. Laut einer...