Politik

Die USA und China steuern auf einen Kalten Krieg zu

Lesezeit: 5 min
05.02.2021 15:00
Eine direkte militärische Konfrontation zwischen den USA und China ist einem US-Bericht zufolge ausgeschlossen. Doch beide Länder werden einen neuen Kalten Krieg austragen, was sich bereits in Myanmar beobachten lässt.
Die USA und China steuern auf einen Kalten Krieg zu
US-Vizepräsident Joe Biden, rechts, unterhält sich mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang, bevor er zu seinem Treffen auf dem diplomatischen Gelände von Zhongnanhai in Peking aufbricht. (5. Dezember 2013)

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Das „Atlantic Council“ hat einen Bericht veröffentlicht, in dem dargelegt wird, wie die USA gegen China vorgehen sollen. Der anonym veröffentlichte Bericht besagt, dass „die wichtigste Herausforderung für die USA“ im 21. Jahrhundert das aufstrebende China ist. Dazu heißt es in dem Bericht, dass die USA „die Macht ihres Militärs“, die Rolle des Dollars als globale Reservewährung und die amerikanische Kontrolle über Technologie und Kommunikation nutzen müssen, um China einzudämmen. Der Think Tank rät US-Präsident Joe Biden, eine Reihe von „roten Linien“ zu ziehen, hinter denen die USA direkt (vermutlich militärisch) eingreifen würden. Dazu gehören chinesische Versuche, in das Südchinesische Meer zu expandieren, ein Angriff auf die umstrittenen Senkaku-Inseln oder Maßnahmen gegen Taiwans Unabhängigkeit. Ein nordkoreanischer Angriff gegen einen seiner Nachbarn würde auch eine amerikanische Reaktion gegen China erfordern, betont der Bericht, weil „China die volle Verantwortung für das Verhalten seines nordkoreanischen Verbündeten tragen muss“.

Ein Rückzug aus dieser Haltung, so der Think Tank, würde zu einer nationalen „Demütigung“ der USA führen. In dem Bericht wird auch ausgemalt, wie es zu einer Entmachtung des chinesischen Präsidenten Xi Jinping kommen könnte, indem er durch eine Person ersetzt wird, die die Linie der Kommunistischen Partei Chinas in Frage stellt.

Zu den größten Sponsoren des „Atlantic Council“ zählen Waffenhersteller wie Raytheon, Lockheed Martin, Northrop Grumman und Boeing. Das „Board of Directors“ ist voll von hochrangigen Staatsleuten wie Henry Kissinger, Colin Powell und Condoleezza Rice sowie hochrangigen Militärs wie den pensionierten Generälen Wesley Clark, David Petraeus, HR McMaster, James „Mad Dog“ Mattis, Generalleutnant Brent Scowcroft und Admiral James Stavridis. Mindestens sieben ehemalige CIA-Direktoren sind ebenfalls im Vorstand. Man könnte also sagen, dass der Think Tank die Konsensmeinung des nationalen Sicherheitsstaates vertritt.

Der neue anonyme Bericht mit dem Namen „The Longer Telegram“ bezieht sich direkt auf das „Long Telegram“ des amerikanischen Diplomaten George Kennan von 1946. Kennans Bericht aus Moskau argumentierte damals, dass die USA ihr Kriegsbündnis mit der Sowjetunion vollständig aufgeben und sofort eine Strategie der feindlichen „Eindämmung“ verfolgen sollten, und gilt als eines der Gründungsdokumente des Kalten Krieges. Indem der „Atlantic Council“ sich bewusst mit Kennan zusammenschließt, kündigt er implizit die Ankunft eines neuen globalen Konflikts mit China an.

1948 skizzierte Kennan die Position und die Interessen der USA: „Wir haben ungefähr 50 Prozent des Weltvermögens, aber nur 6,3 Prozent der Bevölkerung (…) In dieser Situation können wir es nicht versäumen, Gegenstand von Neid und Ressentiments zu sein. Unsere eigentliche Aufgabe in der kommenden Zeit ist es, ein Beziehungsmuster zu entwickeln, das es uns ermöglicht, diese Position der Ungleichheit aufrechtzuerhalten (…) Wir sollten aufhören, darüber über vage und unrealistische Ziele wie Menschenrechte, Erhöhung des Lebensstandards und Demokratisierung (…) weniger wir dann von idealistischen Parolen behindert werden, desto besser.“

Während des gesamten Jahres 2020 erklärte das Team von US-Präsident Biden, dass sich ihre gesamte Industrie- und Außenpolitik um den „Wettbewerb mit China“ drehen werde. Ihre obersten Prioritäten seien „Umgang mit autoritären Regierungen und Verteidigung der Demokratie und Bekämpfung der Korruption“. Doch sie gingen auch auf einen technologischen Wettbewerb mit China ein. Die Trump-Regierung hatte bereits damit begonnen, Maßnahmen gegen Huawei und TikTok zu treffen.

Viele Spitzenbeamte in Washington sehen die Aussicht auf eine direkte militärische Konfrontation mit China jedoch als weit entfernt an. „Der größte Teil des Wettbewerbs zwischen den USA und China wird nicht im dritten Weltkrieg ausgetragen“, sagte eine anonyme Quelle des US-Militärs den Financial Times. Andere plädieren für einen weltweiten Kulturkrieg gegen Peking, darunter das Pentagon, das „taiwanesische Romane von Tom Clancy“ in Auftrag gibt, um China zu kritisieren und seine Bürger zu demoralisieren.

Noch vor drei Jahren hatten die Amerikaner eine neutrale Sicht auf China, während sie vor neun Jahren sogar eine positive Sichtweise auf China vorzuweisen hatten. Dieselben Umfragen zeigen heute, dass 73 Prozent der Amerikaner China nicht mögen. Nur 22 Prozent der Amerikaner vertreten eine positive Meinung über das Land, so das „Pew Research Center“.

Stellvertreter-Konflikt in Myanmar

Der aktuelle Konflikt in Myanmar zeigt, wie in diesem Land aktuelle in Stellvertreter-Konflikt wie zu Zeiten des Kalten Krieges zwischen Russland und den USA tobt. Denn die Putschisten von Myanmar werden von Peking unterstützt, worüber die Deutschen Wirtschaftsnachrichten als erstes Medium in Deutschland hingewiesen hatten (HIER). Schon in alten Zeiten hatte Peking der Militärjunta in Naypyidaw den Rücken gestärkt. Allerdings bemühte sich Chinas Führung in den vergangenen Jahren auch auffällig um die demokratisch gewählte faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Auch wegen der Kritik am Umgang mit den Rohingya-Flüchtlingen hatte sich Suu Kyi vom Westen abgewandt und ihren Blick stärker nach China gerichtet.

Die Beziehungen liefen gut. Seine letzte Auslandsreise vor Ausbruch der Corona-Pandemie führte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping im Januar 2020 nach Myanmar. 33 Kooperationsabkommen wurden unterzeichnet. Chinas Außenminister Wang Yi war nur einen Monat vor dem Putsch noch in Naypyidaw. Seine Visite wurde von den Militärs offenbar auch als Anerkennung von Suu Kyis großem Wahlerfolg vom November gedeutet - eben jenem Sieg, den die Armee jetzt offiziell zum Grund für ihren Putsch machte. Wahlbetrug, so lautet der Vorwurf. Beweise dafür wurden nie vorgelegt.

China verfolgt starke wirtschaftliche und strategische Interessen in Myanmar. Im Mittelpunkt steht der China-Myanmar-Wirtschaftskorridor (CMEC). Er soll Chinas Südwesten mit dem Golf von Bengalen und damit mit dem westlichen Indischen Ozean verbinden. Mit Argwohn beobachtet der Rivale Indien Chinas geostrategischen Ambitionen mit dem Ausbau eines Tiefseehafens in Kyaukphyu. Eine Hochgeschwindigkeitsbahn soll Chinas Provinz Yunnan mit Myanmars Küstenregion verbinden. Beide Projekte sollen zusammen rund zehn Milliarden US-Dollar kosten.

Der Hafen würde China einen Zugang zum Indischen Ozean bieten, könnte dort die chinesische Militärpräsenz erweitern - und auch eine Alternativroute für Öllieferungen durch die enge Straße von Malakka schaffen. Geplant sind auch Öl- und Gaspipelines. Der große Nachbar ist der größte Handelspartner Myanmars, das umgekehrt ein wichtiger Lieferant von Gas und anderen Rohstoffen wie Holz und Jade ist.

Der Putsch bereitet Peking somit Kopfschmerzen. „Die Beziehungen sind sehr wichtig“, sagte Professor Shi Yinhong von der Volksuniversität in Peking. Er glaubt, dass Chinas Regierung «beunruhigt» sei. Auch vor dem Coup habe das Militär viel Macht gehabt. Aber die verfassungsmäßige Regierung sei von Suu Kyi angeführt worden, hebt der außenpolitische Experte hervor. Diese Regierungsform habe sich über Jahre auch schon aus Turbulenzen entwickelt. Aber im Ergebnis habe Myanmar endlich politische Stabilität und Einheit erreicht.

„Wenn Myanmar instabil ist, werden Chinas wirtschaftliche Kerninteressen natürlich direkt und indirekt beeinträchtigt“, sagte der Professor. Aber Peking könne nicht bestimmen, in welche Richtung sich Myanmar entwickele. Chinas Regierung könne nur hoffen, dass politische Vereinbarungen gefunden und akzeptiert werden - und diese „die Stabilität Myanmars und seine Freundschaft zu China sichern“.

Es ist aber kompliziert. Unter Myanmars Generälen gibt es altes Misstrauen gegen Peking. Die neue Militärführung unter dem mächtigen General Min Aung Hlaing weiß nur zu gut, dass viele Guerillaaufstände in dem multiethnischen Staat von Waffen aus China gespeist werden. „China spielt in Myanmar ein doppeltes Spiel, weil es gleichzeitig Vermittler bei den bewaffneten Konflikten und Waffenlieferant für die Rebellen ist“, schrieb die „Asia Times“.

Andererseits wird die auf ihren eigenen Gewinn bedachte Armee aber aus wirtschaftlichen Interessen versuchen, sich Chinas Unterstützung weiter zu sichern. Schließlich ist Peking als ausländischer Investor unabkömmlich. Das Militär arbeitet mit dem 1990 gegründeten Konglomerat Myanmar Economic Holdings Limited (MEHL) bei Milliardenprojekten mit China zusammen, vor allem im Bergbau.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty meinte: „Die Zuständigen für einige der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen in der jüngeren Geschichte Myanmars gehören zu denen, die von den Geschäftsaktivitäten der MEHL profitieren.“ Vor allem Militärchef Min Aung Hlaing, der jetzt die Macht an sich gerissen hat.

Der Putsch erschwert China aber auch die erhoffte Annäherung an die neue US-Regierung. Peking steht im UN-Sicherheitsrat am Pranger, weil es grundsätzlich Sanktionen ablehnt - nicht nur im Falle Myanmars. Biden will sich genau anschauen, „wer in dieser schwierigen Stunde aufseiten der Menschen“ in Myanmar stehe. Die USA wollten China „zur Rechenschaft ziehen“, sagte ein Außenamtssprecher und deutete den neuen China-Kurs an: „Die Biden-Regierung ist bereit, die Chinesen durch die Bank zu überflügeln, einschließlich in den Vereinten Nationen.“


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