Der hessische Batteriehersteller Akasol wird amerikanisch. Der US-Autozulieferer BorgWarner will das Unternehmen für knapp 730 Millionen Euro kaufen. Den Anteilseignern werde 120 Euro je Aktie geboten, teilte Akasol am Montag in Darmstadt mit. Die Offerte liege rund ein Viertel über dem durchschnittlichen Niveau der vergangenen drei Monate. Am Freitag hatte die Aktie zum Xetra-Handelsschluss etwas mehr als 104 Euro gekostet und damit mehr als doppelt so viel wie beim Börsengang im Jahr 2018.
Die Übernahme aller Aktien würde BorgWarner rund 730 Millionen Euro kosten. Da Akasol-Gründer und Konzernchef Sven Schulz, der rund 47 Prozent der Anteile hält, und andere Gründer ihre Aktien verkaufen werden, hat sich der US-Konzern bereits 59 Prozent der Akasol-Papiere gesichert. Damit ist die von BorgWarner gesetzte Mindestannahmeschwelle von 50 Prozent plus eine Aktie schon erreicht. Zudem befürworten Aufsichtsrat und Vorstand von Akasol das Angebot, wie es hieß. Akasol-Aktien stiegen nach Bekanntwerden der Übernahmepläne am Montagmorgen um fast 19 Prozent.
Akasol – Schlüsselstein für die deutsche E-Strategie
Das 2008 gegründete Unternehmen stellt Lithium-Ionen-Batteriesysteme für Busse, Bahnen, Lastwagen, Industriefahrzeuge sowie Schiffe her und will von der zunehmenden Elektrifizierung schwerer Fahrzeuge profitieren. Zu den Kunden gehören unter anderem Daimler, Alstom und Volvo. Akasol wuchs zuletzt kräftig, steckt aber in den roten Zahlen. Die Mitarbeiterzahl lag Ende September 2020 bei rund 300.
Mit dem Deal kann Akasol von der globalen Reichweite von BorgWarner profitieren: der weitaus größere US-Konzern mit 48 000 Mitarbeitern ist nach eigenen Angaben in 24 Ländern aktiv und erzielte zuletzt 14,5 Milliarden Dollar Umsatz (fast 12 Milliarden Euro). Akasol-Gründer Schulz, der das Unternehmen weiterführen soll, sprach von einer „guten strategischen Perspektive“ für die Darmstädter.
Akasol hatte erst im vergangenen Oktober die Serienproduktion in einer neu errichteten „Gigafactory 1“ in Darmstadt gestartet. Zudem will Akasol eine „Gigafactory 2“ in der Nähe der US-Stadt Detroit aufbauen.
Ausverkauf deutscher Interessen
Der Verkauf von Akasol an einen amerikanischen Konkurrenten wirft bei genauerer Betrachtung Fragen auf. Denn bei jeder sich bietenden Gelegenheit verkünden Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Kanzlerin Angela Merkel, dass mit Hochdruck am Aufbau einer europäischen Batterie-Industrie gearbeitet werden müsse, um Abhängigkeiten von Produzenten und Zulieferern aus Asien und anderen Erdteilen zu verhindern.
Der Verkauf des auch mit deutschen Steuergeldern aufgebauten Unternehmens (die Firma ist eine Weiterentwicklung der 1989 gegründeten Akademischen Solartechnikgruppe der Technischen Universität Darmstadt, die Fabrik im hessischen Langen wurde von öffentlichen Krediten mitfinanziert, Akasol beteiligte sich ab 2012 an dem mit Bundesmitteln geförderten Forschungsvorhaben Hei-PhoSS sowie ab 2016 an dem Forschungsprojekt MoBat zur Schnellladetechnik) wirkt deshalb sonderbar.
Zudem hatte die Bundesregierung erst Ende 2018 ein Gesetz erlassen, das es ihr ermöglicht, Übernahmen deutscher Unternehmen aus strategisch wichtigen Bereichen durch ausländische Käufer zu blockieren. Im April forderte Altmaier weitergehende Eingriffsrechte der Bundesregierung bei Übernahmen deutscher Firmen aus dem Nicht-EU-Ausland, wurde dafür aber vom Bundesverband der deutschen Industrie scharf kritisiert.
Die Übernahme verwundert, weil Akasol als Hersteller von Batterien eigentlich als Paradebeispiel eines strategisch relevanten Unternehmens gelten muss, da die Bundesregierung die Elektrifizierung des Straßenverkehrs massiv vorantreiben will und dafür auf eine solide heimische Industriebasis angewiesen ist.
„Ein Technologieführer bei Batterien wie Akasol aus Darmstadt, Hoffnungsträger für grüne Mobilität und Leuchtturmprojekt gleichermaßen, wird ausgerechnet jetzt ins Ausland verkauft. Und dass trotz der Tatsache, dass Hochleistungsakkus aktuell als das Herzstück der Verkehrswende gelten und hierzulande Kompetenz erst mühsam aufgebaut werden muss. Know-how, was die Akasol AG bereits vielfach besitzt, eine Erfolgsstory mit wissenschaftlichen Wurzeln in der TU Darmstadt - und letztlich auch mit deutschem Steuergeld finanziert. Aber die Sache mit dem Propheten im eigenen Land ist ja bekannt. Eine Volkswirtschaft, die so handelt, muss sich nicht wundern, wenn die Musik in zentralen Zukunftsfeldern bald woanders spielt“, kommentierte das Darmstädter Echo am Montag.