Finanzen

Wartet bei erneuerbaren Energien eine riesige Blase auf das Platzen?

Lesezeit: 4 min
12.03.2021 16:47
Seitdem das Thema „Klimaerwärmung“ Anfang 2019 durch die Greta Thunberg-Kampagne weltweit an Fahrt aufgenommen hat, fließen hunderte Milliarden in nachhaltige Fonds und Energieprojekte. Branchenkenner sprechen inzwischen von einer enormen Blase bei den Bewertungen.
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Ein Windrad auf einem Rapsfeld. (Foto:dpa)

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Seit im Zuge der „Greta Thunberg“-Kampagne Anfang 2019 verstärkt auf die Erwärmung des Weltklimas und die angeblich zentrale Rolle von „Treibhausgasen“ wie dem lebenswichtigen Naturgas Kohlenstoffdioxid in den Medien hingewiesen wird, hat der Markt für erneuerbare Energiequellen stark steigende Kapitalzuflüsse registriert.

Auf Umweltschutz, soziale Themen und Nachhaltigkeit ausgelegte Fonds hatten im vergangenen Jahr etwa 350 Milliarden US-Dollar eingenommen, berichtet die Financial Times – verglichen mit 165 Milliarden Dollar im Jahr 2019 und noch deutlich niedrigeren Zuflüssen in den Jahren davor. Alleine auf Aktienfonds entfielen rund 230 Milliarden Dollar.

Der Kurs des S&P Global Clean Energy Index, welcher die Börsenkurse von 30 im Bereich Nachhaltigkeit und „Klimaschutz“ aktiven Unternehmen abbildet – verdoppelte sich im vergangenen Jahr. Daten von Bloomberg zufolge liegt das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der in diesem Index vereinigten Unternehmen bei einem rekordhohen Wert von 41. Im Gesamtmarkt amerikanischer Großunternehmen betrug das durchschnittliche Kurswachstum vergangenes Jahr hingegen 16 Prozent und das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei etwa 23. Der Zuwachse beim KGV lag bei den Unternehmen aus dem Nachhaltigkeitsbereich im Jahr 2020 bei 23 Punkten, im Gesamtmarkt bei 2.

Zur Einordnung: Das KGV stellt das Verhältnis zwischen dem Reingewinn, bezogen auf eine einzige Aktie und dem Kurs dieser Aktie her. Generell gilt, dass Vermögenswerte mit einem niedrigen KGV attraktiver sind als jene mit einem hohen. Im langjährigen historischen Schnitt gilt ein KGV von 15 als durchschnittlich, Werte unter 10 als günstig und Werte über 20 als teuer.

Effektiv angetrieben wird der Run in alternative Energie-Investitionen von der Politik, welche mit Reduktionszielen für bestimmte Gase den Wandel forciert (wie im Fall der EU), oder diesen wie im Falle der USA und Chinas mithilfe staatlicher Investitionen realisiert.

In der Blase

„Ich denke, wir sind zu 100 Prozent in einer grünen Blase. So ziemlich jede Solar-Firma, die ich regelmäßig beobachte, verzeichnet stetig schlechtere Geschäftszahlen, aber der Aktienkurs verdreifacht sich…das ist nicht normal“, zitiert die FT einen Experten bei GLJ Research.

In einem Interview mit der Financial Times warnte der Vorstandsvorsitzende des Ölkonzerns Total, Patrick Pouyanné, Mitte Februar vor „verrückten“ Bewertungen im Markt für grüne Energie und sprach von einer Bewertungsblase, die sich gebildet habe. Pouyanné zufolge ist diese entstanden, weil inzwischen viel zu viel Kapital einer noch immer recht begrenzten Zahl von Investitionsmöglichkeiten hinterherjage.

Wie die anderen großen Ölgesellschaften aus dem Westen auch diversifiziert Total sein Portfolio derzeit schrittweise in Richtung Wind- und Sonnenenergie oder Wasserstofftechnologien – ohne jedoch wie andere Konzerne zu hohe Preise dafür zu zahlen, wie Pouyanné sagt. Der Strategieschwenk hin zu alternativen Energiequellen spiegelt sich auch im Vorstoß der Total-Konzernführung wider, den Öl-Konzern in TotalEnergies umzubenennen. Die Aktionäre werden im Mai darüber abstimmen.

Total bot vor einigen Wochen um Konzessionen für britische Offshore-Windkraftanlagen mit – welche Schätzungen zufolge in den nächsten 10 Jahren bis zu 8,8 Milliarden Pfund auf die Konten des Königshauses und des britischen Finanzministeriums spülen könnten. In einem kaum verhüllten Seitenhieb gegen den britischen BP-Konzern – der sich mit seinem Konsortium viele der Rechte sicherte – sagte der Total-CEO: „Wenn wir mitmachen, dann zahlen wir nie zu viel. (…) Ich werden nicht kaufen, aber ich denke ich wäre nicht überrascht zu sehen, wenn einer meiner europäischen Mitbewerber kauft. Ein Banker kam neulich zu mir und sagte: ‚Wenn du nicht kaufst, wird BP kaufen.‘ Ich sagte: ‚Ok, aber zu diesem Preis, warum sollte ich das kaufen? Erklär mir das?‘“

Das grüne Paradox

Obwohl sich Total also am Wandel hin zu alternativen Energiequellen beteiligt, kritisiert Pouyanné die Art und Weise, wie diese tektonische Verschiebung auf den Rohstoffmärkten und im Energiesektor der Bevölkerung in den Medien aus seiner Sicht dargestellt wird. So werde überhaupt nicht auf die deutlich steigenden Kosten für die industriellen Endkunden und Haushalte hingewiesen, die mit der Fokussierung auf volatile Energiequellen wie Wind und Sonne einhergehen werden. Auch die Deutsche Bank hatte vor einiger Zeit in einer Analyse zum „Green Deal“ der EU auf genau diese Diskrepanz zwischen einer medialen Schönfärberei einerseits und dem Verschweigen der massiven Nachteile einer „grünen“ Energiewirtschaft andererseits hingewiesen.

Total plant deshalb, sein traditionelles Geschäft mit Öl und Gas nicht wie der Konkurrent BP so schnell wie möglich abzustoßen, sondern dieses als Einnahmequelle zur Bildung jenes Kapitalstocks zu nutzen, mit dem dann schrittweise alternative Projekte aufgebaut werden. Deshalb werde das Volumen der Ölproduktion vorerst stabil gehalten und das Geschäft mit Erdgas noch weiter ausgebaut. „Wenn Sie Teile ihrer wichtigsten Geldquellen (gemeint ist das Öl- und Gasgeschäft – der Autor) verlieren und Sie dann ihre Zukunftsentwicklung nicht mehr finanzieren können, dann haben Sie ein Ungleichgewicht.“

BP hatte vor Kurzem angekündigt, bis zum Jahr 2050 komplett „klimaneutral“ zu werden. Die Ankündigung löste einen Streit unter den Aktionären aus. Denn während einige Investoren das Öl- und Gasgeschäft so schnell wie möglich verlassen möchten, hängen andere an den umfangreichen Gewinnen und damit Dividendenausschüttungen, die bei BP durch das Geschäft mit fossilen Energieträgern generiert werden.

Pouyanné bezeichnet die Forderungen nach einem schnellen Ausstieg aus fossilen Geschäften deswegen als Paradox. Man könne die Problematik der Klimaerwärmung nicht lösen, indem man einfach nicht mehr in traditionelle Energieformen investiere, diese Sicht der Dinge sei „vollkommen falsch.“ „Selbst wenn BP, Total und Shell sich aus Öl und Gas zurückziehen, ändert das überhaupt nichts. In einem solchen Fall würden die Assets einfach von anderen Unternehmen günstig aufgekauft, die sich weniger Gedanken um den „Klimaschutz“ machten – etwa die saudische Ölgesellschaft Aramco oder die Abu Dhabi National Oil Company. „Wenn Total seine Aktivitäten zurückschraubt, würden auch russische Gesellschaften sagen: ‚Oh, dass ist aber sehr gut für uns‘ weil sie dann all diese Geschäftsteile bekommen würden“, sagt Pouyanné.


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