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Revolution im Stromsystem: „Für Normalbürger wird Strom künftig rationiert, Vermögende werden zur Kasse gebeten“

Lesezeit: 4 min
21.02.2021 09:22
Eine Arbeitsgruppe des Bundeswirtschaftsministeriums hatte Ende 2020 grundlegende Änderungen am deutschen Stromsystem vorgeschlagen, die es in sich haben.

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Eine Arbeitsgruppe des Bundeswirtschaftsministeriums hat kurz vor Weihnachten einen 60-seitigen Entwurf für einen Umbau des deutschen Stromsystems veröffentlicht. Obwohl dieser bereits im Januar von Wirtschaftsminister Peter Altmaier zur Überarbeitung an die Arbeitsgruppe zurückgegeben wurde, dürfte sich an der generellen Problematik und der im Papier vorgestellten Stoßrichtung der anstehenden Reformen nichts Grundlegendes ändern.

Ein zentraler Aspekt des Entwurfs ist demnach die Idee, dass Besitzern von Elektroautos und Elektrowärmepumpen künftig ohne Vorwarnung der Strom abgestellt werden kann, um die Nachfrage nach Energie zu mindern und dadurch einen im Netz herrschenden Strommangel auszugleichen. Beispielsweise, so zitieren mehrere Medien aus dem inzwischen von der Homepage des Wirtschaftsministeriums verschwundenen Entwurf, könnte zwischen Netzbetreibern und Privathaushalten vertraglich festgelegt werden, dass täglich bis zu zwei Stunden der Strom für Wärmepumpen und Ladesäulen abgeschaltet werden darf.

Im Gegenzug, so wurde in dem Entwurf diskutiert, könnten den Betroffenen Rabatte beim Strompreis gewährt werden oder aber die Bürger könnten sich mit Sonderzahlungen von den Abschaltungen „freikaufen“.

Hierzu schreibt der auf Energiethemen spezialisierte Schweizer Blog Energate Messenger:

„Bei neuen, steuerbaren Verbrauchseinrichtungen soll sich der Anschlussnehmer künftig entscheiden, ob er für seine Wärmepumpe oder seine Wallbox eine zeitweilige Begrenzung der Entnahmeleistung zulässt (bedingte Leistung). Für die übrigen, nicht flexiblen Verbrauchereinrichtungen, gilt dies nicht. Ein Energiekunde kann sich laut Entwurf auch bewusst gegen eine Einschränkung seiner Anschlussleistung entscheiden, dies führt aber zu Mehrkosten. Der Anreiz zur Teilnahme liegt darin, dass Netzbetreibern den Verbrauchern für die bedingte Anschlussleistung ein reduziertes Netzentgelt berechnen. Im Gegenzug erhält der Netzbetreiber das Recht, die Leistung zu beschränken, wenn Netzengpässe drohen. Laut Entwurf soll die Begrenzung auf maximal 120 Minuten pro Tag begrenzt sein. Funktionieren soll sie über ein Steuersignal oder aber innerhalb eines festgelegten Zeitfensters. Sie darf nur solange dauern, wie Netzüberlastungen möglich sind. Im Anschluss muss der Betreiber die Anschlussnehmer sowie deren Lieferanten über die Begrenzung informieren.

Als Folge der Regelung müssen neu installierte steuerbare Verbrauchseinrichtungen künftig mit einer entsprechen Technik zum Fernregeln, also einem intelligentem Messsystem mit Gateway, ausgestattet sein. Im Gegenzug muss der Netzbetreiber dem Anschluss innerhalb von zwei Monaten zustimmen. Für bereits bestehende Einrichtungen gelten Übergangsfristen von fünf Jahren, Nachtspeicheröfen sind von der Regelung ausgenommen. Die Kosten für den Einbau der Steuertechnik trägt der Anschlussnehmer.“

Die Akademie Bergstraße für Ressourcen-, Demokratie- und Friedensforschung schreibt dazu:

„Nur wer bereit und finanziell dazu in der Lage ist, einen zusätzlichen Netznutzungs-Preis von beispielsweise 2000 Euro pro Jahr zu zahlen, so die Einschätzung des Bundesverbands Solarwirtschaft, könnte prinzipiell auf eine unterbrechungsfreie Stromversorgung für Auto und Heizung hoffen. Dieses seit rund zwei Jahren vorbereitete Gesetzesvorhaben demonstriert, dass nach den jetzt unmittelbar bevorstehenden Kraftwerksabschaltungen nicht mehr genügend Strom auf zuverlässige Weise erzeugt werden kann. Für die Normalbevölkerung bedeutet das, dass Strom künftig rationiert werden wird, für Vermögende, dass sie uferlos zur Kasse gebeten werden.“

Die Energiewende und die kommende Strommangel-Wirtschaft

Ausgelöst wurde der Handlungsbedarf im Stromsystem durch die Politik der „Energiewende“, also dem gleichzeitigen Ausstieg aus Atom- und Kohlekraft und der massiven Ausweitung regenerativer Energiequellen zur Stromgewinnung – allen voran Wind- und Solarenergie. Der Ausstieg aus den regelbaren Erzeugungsquellen Atomkraft und Kohleverstromung führt dazu, dass ein gewisses, planbares Grundangebot an Strom immer weniger garantiert werden kann, weil der Anteil der volatilen Stromquellen Wind und Sonnenlicht am gesamten Energiemix steigt.

Deutschland braucht jeden Tag eine Gesamtstromleistung von etwa 80 Gigawatt (nachts sinkt dieser Wert auf rund 60 Gigawatt ab). Wind- und Solarenergie können jedoch abhängig von den entsprechenden Windverhältnissen und Wetterbedingungen durchgängig nur etwa 10 Gigawatt liefern, an sehr dunklen und windstillen Tagen kann dieser Wert bis auf 1 Gigawatt absinken – in einem solchen Fall braucht es dann die Leistung dutzender Kohle-, Erdgas- oder Atomkraftwerke, um die Stromversorgung zu gewährleisten.

Wie aktuell diese Problematik ist beweist der Umstand, dass sowohl im vierten Quartal 2019 als auch im vierten Quartal 2020 die Kohlekraft die wichtigste Stromquelle war.

Der im Zuge von Kraftwerksstillegungen und Atommeiler-Abschaltungen abnehme Anteil der planbaren Stromerzeugungsleistung und der Bedeutungszuwachs der volatilen Energiequellen haben in den vergangenen Jahren zur Bildung von „Stromlücken“ geführt, mit der Folge, dass schon heute immer öfter Unternehmen der Strom abgestellt werden muss.

Die E-Offensive der Autobauer ist aus energetischer Sicht nicht möglich

Es ist kein Zufall, dass Elektroautos in dem Entwurf Erwähnung finden. Denn auf massives Betreiben der Bundesregierung hin soll die Zahl der auf Deutschlands Straßen fahrenden E-Autos deutlich ausgeweitet werden. Sollten sich die Pläne der Autobauer und der Bundesregierung realisieren, würde die Nachfrage nach Strom in Deutschland massiv steigen – ein Anstieg, welcher von dem aufgrund der Energiewende zunehmend schwankungsanfälligen Stromsystem gar nicht bereitgestellt werden kann – es sei denn, die Netzbetreiber können massiv in die Verteilung des Stroms eingreifen und in Sekundenschnelle Abschaltungen in der Größenordnung von zehntausenden Haushalten veranlassen.

In den Markt für Elektrowärmepumpen werden die Bürger überdies durch das bereits beschlossene Verbot von Ölheizungen getrieben. Die Akademie Bergstraße berichtet unter Verweis auf einen entsprechenden Antrag der Grünen auf ihrem Bundesparteitag 2019, dass inzwischen auch das Verbot von Erdgasheizungen in der Politik diskutiert werde.

Die im Zusammenspiel von E-Offensive und Energiewende verursachten Verteilungskämpfe schildert Holger Douglas auf dem Blog Tichy’s Einblick wie folgt:

„Die Bundesregierung hat erkannt, dass es im künftigen Stromsystem nicht mehr möglich sein wird, jeden Bedarf zu jeder Zeit zu befriedigen. Deshalb sollte die Steuerung der Verbraucherseite auf gesetzliche Füße gestellt werden. Das »Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz (SteuVerG)« befand sich schon in der Abstimmungsrunde. Steuerbare Verbraucher wie Wärmepumpen, Elektroheizungen und Wallboxen, also Ladestationen für E-Mobile, würden dann zeitweise variabel abgeschaltet werden. Das Echo aus dem öffentlichen Raum und den Branchen war deutlich.

Die Energieversorger stellten fest, ohne eine solche Regelung wäre die Versorgungssicherheit nicht zu gewährleisten, die Automobilbranche sagte, sie würde den Ausbau der Elektromobilität behindern. Beide haben Recht. Nun ist es an Wirtschaftsminister Altmaier, die Quadratur des Kreises herzustellen. Er könnte die Ladestationen für die E-Mobile von der Regelung ausnehmen, aber zu wessen Lasten? Weniger Wärmepumpenstrom zugunsten der Mobilität oder sogar Haushalte abschalten, damit gut betuchte Tesla-Fahrer ihren Boliden unterbrechungsfrei laden können? Zu erwarten ist eine halbgare und komplizierte Lösung, mit der wieder versucht werden wird, alle Ansprüche zu erfüllen.“


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