Politik

Stellvertreter-Krieg in Myanmar: USA und EU gegen China und Russland

Lesezeit: 3 min
28.03.2021 21:07  Aktualisiert: 28.03.2021 21:07
In Myanmar geht es dem Westen nicht um Menschenrechte oder Demokratie. Stattdessen findet zwischen den USA und China ein Stellvertreterkrieg um die Neue Seidenstraße statt. Während sich die EU an die USA angedockt hat, verfolgt Russland seine eigenen Ziele, ohne sich mit China anzulegen. In diesem Konflikt gibt es kein Gut und Böse.
Stellvertreter-Krieg in Myanmar: USA und EU gegen China und Russland
Anti-Coup-Demonstranten mit behelfsmäßigen Schilden beziehen bei einem Protest gegen den Putsch der Militärjunta Stellung. (Foto: dpa)
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Die aktuellen Ereignisse in Myanmar folgen dem gewohnten Muster. Die brenzlige Lage wird bis zur Eskalation hochprovoziert, die staatlichen Sicherheitskräfte müssen reagieren und es erfolgen Provokationen, um der jeweiligen Regierung vorzuwerfen, dass sie Verbrechen an der eigenen Bevölkerung begeht. Sobald der Vorwurf der Verbrechen an der eigenen Bevölkerung oder der Vorwurf des Massenmords vorgebracht wird, kann die UN-Charta angewandt werden, um eine ungewollte Regierung international zu isolieren. Im Regelfall finden dann auch Sondersitzungen im UN-Sicherheitsrat statt, wo die Großmächte Verhandlungen im Sinne ihrer eigenen Interessen führen.

Reuters meldete am 28. März 2021: „Das Militär in Myanmar geht mit zunehmender Gewalt gegen Regimegegner vor und zieht damit weltweit scharfe Kritik auf sich. Medienberichten zufolge schossen Sicherheitskräfte am Samstag erneut in mehreren Städten des Landes auf Bürger und töteten dabei mindestens 114 Menschen - darunter auch Kinder. Dies war die höchste Totenzahl an einem Tag seit Beginn der Proteste gegen den Militärputsch vom 1. Februar. Allein in Mandalay im Zentrum des Landes seien mindestens 40 Personen ums Leben gekommen, darunter ein 13-jähriges Mädchen, berichtete das Nachrichtenportal Myanmar Now. In der Wirtschaftsmetropole Yangon seien mindestens 27 Menschen getötet worden. Augenzeugen zufolge feuerten Sicherheitskräfte zudem am Sonntag auf Trauergäste, die sich zur Beisetzung eines am Vortag getöteten 20-jährigen Studenten versammelt hatten (…) Die Demonstrationen am Samstag fanden zum Tag der Armee statt, den das Militär mit einer Parade in der Hauptstadt Naypyitaw beging. Dazu schickten unter anderem Russland und China Vertreter. Die EU-Delegation in Myanmar erklärte, der Feiertag in diesem Jahr werde ,als ein Tag von Terror und Entehrung‘ in die Geschichte eingehen. Der UN-Sonderberichterstatter Tom Andrews warf dem Militär auf Twitter ,Massenmord‘ an dem Volk vor, das es eigentlich schützen sollte. Die Militärjunta sollte seiner Ansicht nach von Waffenlieferungen abgeschnitten werden. Zudem sollten Finanzquellen des Regimes - etwa Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft - trocken gelegt werden. Bundesaußenminister Heiko Maas sprach auf Twitter von ,zutiefst schockierenden Bildern und Nachrichten‘ aus Myanmar. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer schrieb: ,Die militärische Gewalt gegen Zivilisten muss sofort aufhören.‘ Auch die USA und Großbritannien verurteilten die Gewalt.“

Die internationale Kritik an den Ereignissen in Myanmar ist nicht glaubwürdig, weil die Rohingya-Muslime in Myanmar seit Jahrzehnten verfolgt und ermordet werden, ohne dass dies bisher irgendwen interessiert hatte. Laut UN gelten sie als die am stärksten verfolgte Minderheit der Welt, ohne jegliche Rechte in ihrem eigenen Heimatland.

Deshalb stellt sich die Frage, was hinter den jüngsten westlichen Forderungen um Menschenrechte, Demokratie und Frieden in Myanmar in Wirklichkeit steckt:

Der jüngste Militärputsch in Myanmar wurde insbesondere im Sinne chinesischer Interessen ausgeführt. Das Militär von Myanmar ist ein enger Verbündeter Chinas. Brahma Chellaney, Professor für Strategische Studien am Zentrum für Politikforschung in Neu-Delhi und Mitarbeiter der Robert-Bosch-Akademie in Berlin, bestätigt in einem Gastbeitrag der Deutschen Wirtschaftsnachrichten, dass Myanmars Militär sich nun noch mehr China zuwendet (HIER).

Der private US-Informationsdienst Stratfor führt in einer Analyse aus: „Myanmar befindet sich in einem strategisch wichtigen Korridor zwischen China und dem Indischen Ozean. Dieses Gebiet wird zunehmend wichtiger, da China versucht, seine Versorgungswege – insbesondere für Energie aus dem Nahen Osten – zu diversifizieren, um seine Abhängigkeit von der Straße von Malakka, die von den USA und ihren Verbündeten dominiert wird, zu reduzieren. Im Juni begann die staatliche China National Petroleum Company (CNPC) mit der Errichtung von Öl- und Gaspipelines vom Myanmar-Tiefwasserhafen Kyaukphyu bis zum chinesischen Südwest-Tor von Kunming.“ Strategisch setzt Peking verstärkt auf den Indischen Ozean, um seinen Zugang zu den dortigen Handelslinien zu verbessern, Indien strategisch auszubalancieren und die Einkreisung durch die USA und ihren Verbündeten in der Asien-Pazifik-Region zu durchbrechen (HIER).

Der Endpunkt der Myanmar-China-Pipeline, die eine wichtige Funktion im Rahmen der Neuen Seidenstraße Chinas hat, befindet sich in der Hafenstadt Kyaukpyu, die sich wiederum im mehrheitlich muslimischen Arakan befindet. Arakan ist mit fünf Flughäfen und vier Flüssen ein wichtiges logistisches Zentrum Myanmars. Die ethnischen Säuberungen an den Rohingya-Muslimen hängen nicht nur mit einer extremistischen Auslegung des Buddhismus durch einige elitäre Kreise von Myanmar zusammen, sondern auch mit dem Bau dieser Pipeline und der Umsetzung der Neuen Seidenstraße. Denn Peking und Naypyidaw befürchten, dass westliche Mächte die Menschen in Arakan aufstacheln könnten, um einen unabhängigen Staat auszurufen, was einen Schlag gegen China nach sich ziehen würde.

Doch nicht nur China, sondern auch Russland bevorzugt die Kooperation mit der aktuellen Militärjunta Myanmars. Russland will seine militärischen Beziehungen zu Myanmar verstärken, berichteten staatliche russische Medien am Freitag nach einem Treffen zwischen dem russischen stellvertretenden Verteidigungsminister Alexander Fomin und dem führenden General der Junta, Generaloberst Min Aung Hlaing, wie der englischsprachige Dienst von Reuters berichtet.

Fomin traf sich am Freitag in der Hauptstadt Naypyitaw mit Min Aung Hlaing, der bei einem Staatsstreich am 1. Februar die Macht übernahm, was wochenlange landesweite Proteste und ein massives Durchgreifen der Sicherheitskräfte mit hunderten Toten zur Folge hatte.

Fomin zufolge sei Myanmar ein verlässlicher Verbündeter und strategischer Partner Russlands in Asien. Der Besuch Fomins fand einen Tag vor der großen Parade zum Tag der Streitkräfte in Myanmar statt. Am Tag der Parade eskalierte auch die Gewalt im Land zwischen den von den USA und der EU unterstützten Demonstranten und den Sicherheitsbehörden.

In Myanmar geht es weder um Menschenrechte noch um Demokratie. In dem Land tobt ein Stellvertreterkrieg zwischen den USA, China, Russland und der EU. Während die EU sich seit Joe Bidens Machtübernahme in Washington D.C. gezwungenermaßen auf die Seite der USA gesellen muss, agieren China und Russland in einem Wettbewerbsverhältnis teilweise gemeinsam.

Im Jahr 2013 hatte Egon Bahr vor einer deutschen Schulklasse gesagt: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“


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