Deutschland

Merkel droht mit noch härteren deutschlandweiten Corona-Maßnahmen

Kanzlerin Angela Merkel hat die Bundesländer gewarnt: Wenn sie nicht endlich einen noch härteren Corona-Kurs einschlagen, werde sie bundeseinheitliche Regelungen auf den Weg bringen.
29.03.2021 08:37
Aktualisiert: 29.03.2021 08:37
Lesezeit: 3 min

Angesichts stark steigender Corona-Infektionszahlen fordert Kanzlerin Angela Merkel die Bundesländer kategorisch zu einem härteren Kurs auf. Andernfalls werde sie bundeseinheitliche Regelungen in Erwägung ziehen, sagte Merkel am Sonntag in der ARD-Sendung Anne Will. "Ich werde jedenfalls nicht zuschauen, dass wir 100.000 Infizierte haben." Die Kanzlerin bezog sich damit auf eine Warnung des Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, dass die Zahl der täglichen Neuinfektionen ohne harte Maßnahmen auf diese Größenordnung steigen könnten. Das RKI meldete am Sonntag erneut stark gestiegene Infektionszahlen. Merkel rechnet zudem mit einer Testpflicht für Betriebe, weil die Wirtschaft die Selbstverpflichtungen nicht ausreichend umsetze.

"Wir müssen mit großer Ernsthaftigkeit geeignete Maßnahmen einsetzen", sagte Merkel. Sie zeigte sich sehr unzufrieden mit der Umsetzung der sogenannten "Notbremse" durch einige Bundesländer. Einige Länder setzten die beschlossenen Verschärfungen nicht voll um. Kritisch äußerte sie sich auf Nachfrage etwa über das Saarland und Nordrhein-Westfalen und bemängelte die Regelungen in Berlin. Sie kritisierte, dass einige Landesregierungen die beschlossenen Modellregionen mit dem verabredeten vermehrten Testen nicht für die Senkung der Infektionszahlen, sondern für weitere Öffnungsschritte einsetzten.

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Den Vorschlag des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) nach einer weiteren Bund-Länder-Runde wies Merkel zurück. "Wir brauchen im Augenblick keine Ministerpräsidentenkonferenz, sondern wir brauchen Handeln in den Ländern", betonte sie.

Wenn die Länder nicht in "sehr absehbarer" Zeit handelten, werde sie überlegen, wie dies bundeseinheitlich geregelt werden könne, fügte die Kanzlerin hinzu. Eine Möglichkeit sei die Änderung des Infektionsschutzgesetzes und ganz spezifisch zu sagen, was in welchen Fall geschehen müsse. "Wir sind verpflichtet qua Gesetz, das Infektionsgeschehen einzudämmen. Und im Augenblick ist die Eindämmung nicht da." Allerdings hängt eine Gesetzesänderung von einer Zustimmung der Länder im Bundesrat ab. Merkel sagte, sie setze auf Einsicht. Offenbar machten einige Illusionen über die Pandemie und die Gefährlichkeit der Virus-Varianten. Als zusätzliche Maßnahmen nannte Merkel etwa weitere Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren.

BRAUN WARNT VOR RESISTENTEN MUTATIONEN

Nach Einschätzung von Kanzleramtsminister Helge Braun steckt Deutschland in der gefährlichsten Phase der Pandemie und sollte daher im Lockdown-Modus bleiben. Der CDU-Politiker sagte der "Bild am Sonntag": "Wenn jetzt parallel zum Impfen die Infektionszahlen wieder rasant steigen, wächst die Gefahr, dass die nächste Virus-Mutation immun wird gegen den Impfstoff". Der gelernte Arzt erläuterte die Folgen: "Dann bräuchten wir neue Impfstoffe, dann müssten wir mit dem Impfen wieder ganz von vorne beginnen." Die Chance auf einen weitgehend normalen Sommer dürften nicht dadurch gefährdet werden, dass ein paar Wochen zu früh gelockert würde.

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plädierte am Wochenende in einer Online-Fragerunde mit Bürgern dafür, "noch mal zehn, 14 Tage" Mobilität und Kontakte herunterzufahren. Der Grünen-Politiker Kretschmann begrüßte Medienberichten zufolge in Stuttgart entsprechende Überlegungen.

Merkel hatte vorher bereits Unterstützung einiger Länderchefs bekommen. "Es braucht nicht ständig neue Gespräche, sondern die konsequente Umsetzung der Notbremse: Überall in Deutschland muss bei einer Inzidenz über 100 automatisch die Notbremse greifen", sagte etwa der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) der "Augsburger Allgemeinen". Auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) forderten erneut wie die Kanzlerin eine harte Linie.

Merkel sagte, man habe schon im Herbst zu zögerlich auf die zweite Welle reagiert. Anfang März habe sie nur einen Kompromiss mit den 16 Ministerpräsidenten im Vertrauen auf die Umsetzung einer Notbremse bei steigenden Infektionszahlen zugestimmt. Die Länder müssten jetzt ihren Kurs ändern. Es gebe keinen Platz für Öffnungsüberlegungen oder Modellversuche bei hohen Indizenzzahlen, sagte sie zu den Überlegungen, die es von Bayern bis Mecklenburg-Vorpommern gibt. Am Wochenende hatten Länder wie Brandenburg bereits Ausgangssperren eingeführt, die die Ministerpräsidenten am Montag noch nicht hatten akzeptieren wollen. Berlin will sie dagegen nicht einführen.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Sonntag 17.176 Neuinfektionen. Das sind 3443 mehr als vor sieben Tagen. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 129,7 von 124,9 am Samstag. Vor einer Woche lag sie bei 104. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. 90 weitere Menschen waren binnen 24 Stunden an oder mit dem Virus gestorben. Die Zahl der in Krankenhäusern registrierten Corona-Intensivpatienten stieg laut Divi-Register auf 3346.

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