Finanzen

Das monetäre Endspiel: Bald werden die Zentralbanken mit Billiarden hantieren

Lesezeit: 5 min
02.05.2021 06:28  Aktualisiert: 02.05.2021 06:28
Die Zentralbanken haben mehr oder weniger versagt, das kann man mit Fug und Recht sagen. Doch was bedeutet das für die Zukunft?
Das monetäre Endspiel: Bald werden die Zentralbanken mit Billiarden hantieren
Nicolas Maduro, Präsident von Venezuela. Ausufernde Staatsschulden und Geldschwemmen der Notenbank führten in dem sozialistisch regierten Land zu einer katastrophalen Inflation. (Foto: dpa)
Foto: Marcelo Garcia

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In vorherigen Artikeln dieser Reihe wurde gezeigt, dass die großen Zentralbanken (EZB, Fed und Co.) einen ziemlich schlechten Job machen. Von systemischer Stabilisierung und Ankurbelung des Wirtschaftswachstums ist wenig zu sehen. Stattdessen sind nur die Geldmengen explodiert und die Anleihemärkte wurden über Staatsanleihen-Kaufprogramme in eine gigantische Blase verwandelt.

Auch das weite Teil des 20. Jahrhunderts präsente Ziel der Geldwert- oder Preisniveau-Stabilität scheint man von Beginn an eher stiefmütterlich behandelt zu haben. Wenn man unter Geldwertstabilität relativ konstante Preise ansieht, dann muss hier ein vernichtendes Urteil gefällt werden. Allein in den letzten mehr oder weniger normalen Jahrzehnten misst der globale Konsumpreisindex deutliche Geldentwertungen.

Solche Indizes beschönigen meist auch noch die „echte“ Geldentwertung, weil sich die Bestandteile des Warenkorbs laufend ändern (wenn ein Gut teurer wird, unterstellt man, dass es von den Konsumenten zunehmend durch ein billigeres Gut ersetzt wird) und die Veränderung von Vermögenspreisen kaum bis gar nicht berücksichtigt. Letzteres ist besonders heutzutage relevant, wenn Zentralbanker vor Deflation warnen, in diesem Kontext aber die teilweise blasenartigen Preisentwicklungen an den Kapitalmärkten ausblenden.

Das echte Tal der Tränen tut sich dann auf, wenn man die Geldentwertung kumuliert und in Gold bemisst. Das ergibt aus historischer Sicht sehr viel Sinn, weil Gold (sowie Silber) Jahrtausende lang als Hartgeld verwendet wurden. In folgender Grafik ist die Kaufkraftentwicklung von Euro und Dollar in Gold für die letzten 20 Jahre ersichtlich.

Nach dieser Metrik haben Euro und Dollar von 1999 bis 2020 jeweils rund 85 Prozent ihrer Kaufkraft verloren. Gemäß offizieller Inflationsrate waren es beim Euro „nur“ 30 Prozent und beim Dollar „nur“ 36 Prozent.

Unter dem Strich kann man sagen, dass die Zentralbanken konsequent ihre Hauptziele verfehlen. Daraus kann man zwei Schlüsse ziehen: Die Zentralbanker sind unfähig, oder sie geben politischem und wirtschaftlichem Druck viel zu leicht nach. Alternativ haben Zentralbanken überhaupt keine Existenzberechtigung, weil ihre geld- und wirtschaftspolitischen Ziele gar nicht erfüllt werden können.

Die Alternative – also die bereinigenden Kräfte des Marktes – werden durch die Nullzinspolitik konsequent unterdrückt, könnten aber die angeblich durch die Währungshüter gewährleistete „finanzielle Stabilität“ herbeiführen – für den Preis kurz- bis mittelfristiger Verwerfungen.

In den letzten Jahrzehnten findet sich keine einzige wirkliche Erfolgsgeschichte von Zentralbank-Eingriffen, die ihre Existenz rechtfertigen würden. Die Fed wurde unter Alan Greenspan zum Vorreiter in Sachen Niedrigzinspolitik. Der Euro stolpert seit seiner Einführung von Krise zu Krise, während die EZB faktisch insolvente Staaten durch massenhaften Aufkauf ihrer Staatsanleihen rettet und damit monetäre Staatsfinanzierung betreibt – genauso wie die Fed oder die Bank of Japan. Die Schweizer Notenbank, Bank of England, Bank of Canada, Bank of China und Konsorten agieren auch nicht viel besser.

Unter allen großen Industrieländern gibt es nur noch in China beim Drücken der Zinsen einen gewissen Spielraum nach unten.

Die Tendenz geht klar in eine Richtung. Der Zins wird abgeschafft, das heißt Geld soll perspektivisch nichts mehr kosten. Obendrauf erreicht die Geldschöpfung unvorstellbare Höhen. Die Zentralbanken sind nicht mehr nur Kreditgeber, sondern auch Käufer letzter Instanz, welche die Kapitalmärkte und Staatsfinanzen bei den kleinsten Anzeichen von Verwerfungen mit Ankaufprogrammen und weiteren Zinssenkungen „stabilisieren“. Die Zentralbanker agieren scheinbar ohne Zins und Verstand.

Über die möglichen Verwerfungen einer Negativzinslandschaft möchte man lieber gar nicht erst nachdenken. So mancher Ökonom hält Zinsen von bis zu fünf Prozent in den negativen Bereich für eine tolle Idee zur Ankurbelung der Konjunktur. Man könnte diese Ideen als unrealistische „Finanz-Alchemie“ abtun. Aber gerade in Zeiten einer zunehmenden Beliebtheit der „Modern Monetary Theory“ (die übrigens weder modern noch monetär ist) sind solche abstrusen Experimente definitiv nicht auszuschließen.

Bleibt die Frage, wohin das ganze am Ende führt. Bekanntlich benötigt man in jeder Krise etwa die zehnfache Geldmenge zur systemischen „Stabilisierung“ wie in der vorangegangen Krise. Und ein Blick in die jüngere Geldgeschichte lässt es nur allzu wahrscheinlich erscheinen, dass wir mit weiteren Krisen rechnen müssen. Im Euro- und Dollarraum würde das bedeuten, dass man mit ein paar zusätzlichen Nullen bald nicht mehr im Bereich von läppischen Billionen, sondern Billiarden hantieren wird. Perspektivisch erwartet damit uns ein Aufbruch in die „Unendlichkeit des Geldes“. Hoffen wir, dass diese Episode nicht in einem Debakel enden wird.

Zu wenig Geld? Dann drucken Sie es doch einfach

Wie man mit solchen Dimensionen umgeht, kann man sich womöglich bei den Zentralbanken gescheiterter sozialistischer Systeme in Simbabwe oder Venezuela abschauen. Dort ereignen sich nämlich die wahren finanziellen Tragödien der letzten Jahrzehnte. Einstmals prosperierende Länder wurden durch grandiose Misswirtschaft innerhalb von zwanzig Jahren ökonomisch zugrunde gerichtet. Sozialistische Machthaber können der Versuchung der staatlichen Druckerpresse nicht widerstehen – und so geht das ökonomische Elend mit dramatischen Hyperinflationen einher.

Die folgende Abbildung zeigt die – vorsichtig formuliert – dürftige Geldwertstabilität des „Venezuelanischen Bolivars“ in den letzten fünf Jahren.

Manche Kritiker der großen Notenbanken bezeichnen den aktuellen Zustand unseres Geldsystems als „Zentralbanken-Sozialismus“ oder „Zentralbanken-Planwirtschaft“. Man kann nur hoffen, dass es hier nicht zum Schlimmsten kommen wird und keine inflationäre Entladung in venezuelanischer Manier droht.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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