Wirtschaft

Der Preis für CO2-Zertifikate explodiert

Der Preis für Zertifikate zur Emission des Naturgases CO2 explodiert. Auf die Verbraucher in Europa kommen stark steigende Kosten zu, auf Teile der Industrie der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und Werksschließungen.
04.05.2021 13:48
Aktualisiert: 04.05.2021 13:48
Lesezeit: 2 min
Der Preis für CO2-Zertifikate explodiert
Ein mächtiger Feuerball steigt am 27.09.2017 in Vinnitsa (Ukraine) nach einer Explosion auf. (Foto: dpa) Foto: Efrem Lukatsky

Die Aussicht auf verschärfte Bemühungen in Europa zur Reduktion fossiler Energieträger treibt den Preis für Emissionsrechte des Naturgases Kohlenstoffdioxid (CO2). Die von der EU ausgegebenen Emissionszertifikate übersprangen am Dienstag erstmals die psychologisch wichtige Marke von 50 Euro und stiegen um 1,3 Prozent auf ein Rekordhoch von 50,05 Euro je Tonne ausgestoßenes CO2. Der Preis für die Rechte hat sich damit innerhalb eines Jahres verdreifacht.

"Es gibt einen ganzen Korb preistreibender Faktoren", sagte Analystin Ingvild Sorhus vom Datenanbieter Refinitiv, etwa die Klimaziele der EU oder das wachsende Interesse spekulativ orientierter Investoren an den CO2-Rechten, mit denen diese Rendite erwirtschaften wollen.

Vor zwei Wochen hatte sich die Europäische Union im Zuge ihres sogenannten "Green Deal" ehrgeizigere "Klimaziele" gesetzt. So soll der Ausstoß von Gasen wie CO2 bis 2030 um 55 statt 40 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Deutschland muss auch nachbessern, weil das Bundesverfassungsgericht das bisherige Klimagesetz als unzureichend gerügt hatte. Mit CO2-Zertifikaten erwerben Unternehmen das Recht, die Gase auszustoßen. Wer weniger fossil produziert, braucht weniger Rechte. Der Handel soll einen Anreiz schaffen, Geld in eine angeblich klimafreundliche Modernisierung der Produktion zu stecken.

Das CO2-Handelssystem ist ein zentral durch die EU verwaltetes Handelssystem. Wer in den Sektoren Energie, Industrie und Flugverkehr wenig fossile Energieträger benutzt, braucht weniger Rechte und kann überschüssige an der Börse verkaufen. Im umgekehrten Fall und bei Ausweitung der Produktion muss zugekauft werden. Über die Jahre wird die Zahl der ausgegebenen Rechte immer weiter reduziert, was einen immer höheren Preis zur Folge hat.

Jüngst hatten mehrere Verbände energieintensiv wirtschaftender Branchen eindrücklich vor einer weiteren Verteuerung der CO2-Emissionszertifikate gewarnt. Die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber außereuropäischen Unternehmen sei ab einem gewissen Belastungspunkt nicht mehr gewährleistet. Zum anderen haben die CO2-Zertifikate preistreibende Wirkung, weil auch heute noch in vielen Bereichen der Logistik und der Produktion nicht auf fossile Energieträger verzichtet werden kann. Die Mehrkosten geben Unternehmen deshalb an die Kunden weiter.

SPD warnt vor Anhebung der deutschen CO2-Sondersteuer

In der SPD wird die von Grünen und Union im Rahmen der Klimadebatte vorgeschlagene schnellere Anhebung der seit Jahresbeginn in Deutschland eingeführten Sondersteuer auf CO2 kritisch gesehen. Fraktionschef Rolf Mützenich sagte am Dienstag, er warne alle, die eine solche Anhebung für ein einfaches Instrument hielten, „nicht noch weiter zu einer sozialen Schieflage hier in Deutschland beizutragen“.

Die SPD habe schon genügend Probleme, mit ihrem Koalitionspartner Union eine angemessene Kostenverteilung auf Mieter und Vermieter bei der seit Jahresanfang geltenden CO2-Bepreisung zu erreichen. Die neue CO2-Sondersteuer macht das Heizen mit Öl und Gas teurer. Nach geltendem Recht können Vermieter die Zusatzkosten auf ihre Mieter abwälzen. Die SPD hatte zuletzt vorgeschlagen, dass sich beide Seiten die Kosten teilen.

In der Koalition laufen in diesen Tagen Beratungen über Verschärfungen des Klimaschutzgesetzes, um Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu erfüllen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte für eine Anhebung der CO2-Sondersteuer bereits 2022 und nicht erst 2024 auf 45 Euro plädiert. Die Grünen wollen noch weitergehen und den bisher erst für 2026 geplanten Preis von 60 Euro auf 2023 vorziehen. In diesem Jahr werden 25 Euro pro Tonne CO2 fällig.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Fondsmanager warnt: „Gold ist noch immer unterbewertet“
05.06.2025

Der Goldpreis explodiert – doch laut Fondsmanager Erik Strand ist das Edelmetall noch immer unterbewertet. Die wahre Blase?...

DWN
Panorama
Panorama Stromanbieterwechsel 2025: Neue Fristen ab 6. Juni – wichtige Tipps
05.06.2025

Ein Stromanbieterwechsel soll ab dem 6. Juni deutlich schneller gehen – das klingt gut, hat aber Tücken. Welche Chancen und Risiken...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut wächst: Jede sechste Rentnerin in Deutschland lebt in Altersarmut
05.06.2025

Die neuen Zahlen zur Altersarmut in Deutschland sind alarmierend: 2,1 Millionen Rentnerinnen und 1,3 Millionen Rentner leben unterhalb der...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB stützt Konjunktur mit achter Zinssenkung seit Juni 2024
05.06.2025

Die von hohen US-Zöllen bedrohte Wirtschaft im Euroraum darf auf günstigere Kredite hoffen: Zum achten Mal seit Juni 2024 senkt die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Erneut mehr Aufträge in der Industrie - Experte: mögliche Trendwende
05.06.2025

In der deutschen Industrie mehren sich Hinweise auf ein Ende der Schwächephase. Im April haben die Industriebetriebe den zweiten Monat in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börsenboom trotz Pleitewirtschaft: Drei Konzerne täuschen die deutsche Stärke vor
05.06.2025

Während die deutsche Wirtschaft stagniert und die Industrie schwächelt, feiert die Börse Rekorde. Doch hinter dem Höhenflug stecken nur...

DWN
Technologie
Technologie Wenn die künstliche Intelligenz lügt: Wie Sie sich schützen und was KI-Versicherungen bringen?
05.06.2025

Chatbots erfinden Fakten, ruinieren Verträge und blamieren Konzerne – und die Industrie weiß: Das Problem ist nicht lösbar. Jetzt...

DWN
Politik
Politik Altersvorsorgedepot: Kommt die Frühstart-Rente? Zehn Euro pro Monat für jedes Kind geplant
05.06.2025

Die neue Regierung aus Union und SPD plant die Einführung einer Frühstart-Rente ab 2026. Laut Koalitionsvertrag sollen für jedes Kind...