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Wasserstoff-Hype: Ein paar wenige Unternehmen profitieren - der Steuerzahler zahlt die Zeche

Vom Wasserstoff-Hype werden nur wenige profitieren. Lesen Sie heute den zweiten Teil der großen dreiteiligen Wasserstoff-Analyse von DWN-Autor Jakob Schmidt.
31.07.2021 12:46
Aktualisiert: 31.07.2021 12:46
Lesezeit: 5 min

Die Architekten der deutschen Energiewende setzen nichtsdestotrotz im großen Stil auf Wasserstoff. Windkraft und Photovoltaik liefern zwar häufig nicht genügend grünen Strom, dafür liefern sie zu anderen Zeiten aber viel zu viel. Diesen Überschuss könnte man verwenden, um Wasserstoff herzustellen, diesen zu speichern und erst dann wieder zu Strom zu machen, wenn Wind und Sonne schwächeln.

Man könnte außerdem Autos in großem Stil mit Wasserstoff-Tanks und Brennstoffzellen ausstatten und sie elektrisch betreiben. Auch die Luft und Schifffahrt könnte man auf Wasserstoff umstellen.

Könnte man auf einer solchen Basis eine CO2-neutrale und funktionable Energieversorgung gestalten? Möglicherweise. Weil man aber dreimal so viel Strom zuführen muss als man verbrauchen kann, müsste der Überschuss an alternativer Energie in guten Zeiten dreimal so hoch sein wie der Mangel in Flaute-Perioden, was einen noch viel aggressiveren Ausbau von Wind- und Solaranlagen als aktuell erfordern würde. Und natürlich wäre das ganze System horrend ineffizient und alles andere als wirtschaftlich. Der Strom wäre deutlich teurer als ohnehin schon. Aufgrund der Effizienzproblem wäre das System auch nicht wirklich ökologisch.

Der großflächige Einsatz von Wasserstoff im PKW-Verkehr wird sich wahrscheinlich als Illusion herausstellen. In der Energiewende dürfte Wasserstoff allenfalls eine kleine Rolle einnehmen. Zum Beispiel als portabler lokaler Speicher von überschüssiger Energie aus Solar- und Windkraft-Anlagen. Oder als eine von mehreren Energiequellen im Schwerlastverkehr, bei Schiffen und in Flugzeugen – eventuell in einer Kombination mit herkömmlichen Batterie-Antrieben. Im Lastkraftwagen-Segment werden heute schon solche Hybrid-Modelle entwickelt. In groß-skaligen Anwendungsbereichen kann man es sich unter Umständen leisten, dass Produktion und Betrieb deutlich teurer sind als andere Optionen, wenn man sich dafür die hervorragende Energiedichte von Wasserstoff (mit der Batterien nicht mal ansatzweise mithalten können) zunutze machen kann.

Und selbst bei solchen Anwendungen sind Zweifel angebracht, wenn man sich einige der bereits umgesetzten Projekten anschaut. Ein Beispiel: Seit 2017 ist mit der „MS Innogy“ auf dem Essener Baldeneysee ein Öko-Ausflugsschiff im Einsatz, das zeitweise mit einer Methanol-Brennstoffzelle angetrieben wurde.

Der Physiker Hans Hoffmann-Reinecke hält davon nicht allzu viel. Auf seinem Blog „think-again“ äußert er sich zu dem Projekt folgendermaßen:

„Da war also dieser Elektromotor, der die Schraube der Fähre antreibt. Seinen Strom bekam er aus sieben Brennstoffzellen, von denen jede 5 Kilowatt lieferte. Man hatte also 7x5 = 35 kW, um den Motor zu speisen. Der konnte dann auch nicht mehr leisten als 35 kW oder rund 50 PS.

Das Schiff hat eine Länge von 29 Metern und kann bis zu 200 Personen an Bord nehmen. Ich weiß nicht, welches Auto Sie fahren, lieber Leser, aber ich vermute, es hat mehr als 50 PS, ist aber keine 29m lang. Irgendwie passen Leistung und Dimension bei der Fähre nicht ganz zusammen […].

Auf der Innogy waren dann auch noch Batterien mit insgesamt 100 kWh Kapazität installiert, die mithalfen, wenn die Brennstoffzellen alleine es nicht schafften. Falls die aus Blei waren, dann brachten sie immerhin ein paar Tonnen Gewicht mit an Bord. Und weiterhin an Bord war der böse alte 250 PS Schiffsdiesel von Volvo.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die umweltfreundlichen Brennstoffzellen nur ein modisches grünes Accessoire waren, das davon ablenken sollte, dass der Antrieb tatsächlich von Batterien kam, die nachts an der Steckdose aufgeladen wurden, bzw. vom Diesel, der einsprang, wenn die Akkus leer waren.“

Und weiter unten schreibt er:

„Weil das Ganze so absurd ist, zähle ich Ihnen noch einmal die einzelnen Schritte auf, wie der Strom in den Motor kommt:

  • Das Netz beliefert die Steckdose einer kleinen Fabrik an Fluss mit mehr oder weniger grünem Strom.
  • Durch Elektrolyse wird dort Wasserstoff (H2) erzeugt.
  • Pumpen und Filter gewinnen das Spurengas CO2 aus der Luft, in der es mit 0,04% vorkommt.
  • Aus H2 und CO2 wird Methanol (H3COH) gemacht.
  • Das Methanol geht per Kanister an Bord der Fähre.
  • In den Brennstoffzellen an Bord wird aus Methanol und Luftsauerstoff der Strom für den Elektromotor erzeugt. Das CO2, das hier freigesetzt wird, wurde vorher der Luft entnommen. Dieser Trick also macht den Prozess „nachhaltig“.

Das sind viele Schritte, um aus Strom wieder Strom zu machen, und bei jedem Schritt geht etwas verloren. Wenn wir Glück haben, dann werden von einer Kilowattstunde aus der Steckdose letztlich 10% in den Motor gefüttert.

Gut gemeint ist bekanntlich das Gegenteil von gut. Die Produktion von Holzgeist hat dann nicht wie geplant hingehauen und man hat das Zeug aus Island importiert. Damit wurde aber in Essen kein CO2 mehr aus der Luft gesaugt und die ganze Rechnung stimmte nicht mehr. Man tröstete sich damit, dass die Isländer das jetzt machten.

Damit wurde die Story aber auch für den hartgesottensten Grünen zu absurd und man warf das Handtuch. Die Fähre tuckert jetzt wieder mit dem alten Diesel und die Isländer können ihr Methanol selbst verbraten.

Nun, es wäre falsch bei einem misslungenen Projekt Schadenfreude zu zeigen. Ein gescheitertes Experiment ist prinzipiell mehr wert als gar kein Experiment. Immerhin wissen wir jetzt, dass es so nicht geht. Irgendwo aber hätte der gesunde Menschenverstand einsetzen müssen, und der hätte schon früh erkannt, dass das komplizierte Verfahren total unwirtschaftlich ist und keinerlei Einsparung an CO2 bringen würde.

Welches Ziel aber haben unsere Stakeholder bei diesem Leuchtturmprojekt tatsächlich verfolgt? Ich habe da eine Idee: Die einen wollten als umweltbewusste Entscheidungsträger im Rampenlicht stehen, die anderen wollten Geld aus der öffentlichen Hand. Beide haben ihr Ziel erreicht, und die Bürger, die das Spektakel finanzierten, haben dazu geklatscht.“

Ein schlechtes Geschäft – aber nicht für jeden

Dass der flächendeckende Einsatz der Brennstoffzellen-Technologie aus wirtschaftlicher Sicht unsinnig ist, bedeutet also nicht, dass man damit kein gutes Geschäft machen kann. Länder wie Deutschland und Russland wollen massiv auf Wasserstoff setzen und in der Technik beziehungsweise Produktion zu Weltmarktführern werden. Offenbar halten einige Politiker Wasserstoff fälschlicherweise für eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Subventionen aus der – vorsichtig formuliert – überoptimistisch und schlampig rechnenden Politik sind eine sichere Bank für Unternehmen aus der Wasserstoff-Industrie.

Lesen Sie nächsten Sonntag den dritten und abschließenden Teil der großen Wasserstoff-Analyse von Jakob Schmidt:

  • Warum man bei Marktprognosen zu Wasserstoff immer skeptisch sein sollte
  • Welche Wasserstoff-Firmen eine irrationale Börsenstory erlebten
  • Was der berüchtigte LKW-Hersteller „Nikola“ damit zu tun
  • Wie man an der Börse auf Wasserstoff setzen kann

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Jakob Schmidt

                                                                            ***

Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.

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