Finanzen

EZB mit Last-Minute-Ansage: Banken müssen rechtzeitig Vorsorge für faule Kredite treffen

EZB-Chefbankenaufseher Andrea Enria hat die Banken im Euro-Raum aufgefordert, für ihre faulen Kredite in den Büchern rechtzeitig über Rückstellungen Vorsorge zu treffen. Zuvor hatten die Deutschen Wirtschaftsnachrichten berichtet, dass eine Lawine von faulen Krediten in der EU „die Mutter aller Krisen“ auslösen könnte.
06.07.2021 19:27
Aktualisiert: 06.07.2021 19:27
Lesezeit: 2 min
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EZB-Chefbankenaufseher Andrea Enria (Vorsitzende des einheitliche Bankenaufsichtsmechanismus der EZB) hat die Banken im Euro-Raum aufgefordert, für ihre faulen Kredite in den Büchern rechtzeitig über Rückstellungen Vorsorge zu treffen. Die nach den EU-Regeln für notleidende Kredite (NPLs) – auch faule Kredite genannt – dafür vorgesehenen Zeiträume seien ziemlich lang, sagte Enria am Dienstag im italienischen Senat laut Redetext. „Diese Regeln zu verschieben oder sie abzuschwächen würde bedeuten, dass der EU-Bankensektor für mehr als ein Jahrzehnt verstopft sein könnte mit pandemiebezogenen besicherten NPLs“, warnte Enria. Die Branche wäre dadurch unvorbereitet, um der nächsten Rezession zu begegnen. Dass Enria diese Forderung ausgerechnet im italienischen Senat gehalten hat, hängt nicht nur damit zusammen, dass er Italiener ist.

Denn nach Angaben des Centrums für Europäische Politik (CEP) gehört Italien zu jenen Ländern, die von NPLs betroffen sind. „Demnach ist der Anteil von NPL nach einem stetigen Rückgang seit 2016 (4,8 Prozent) im vergangenen Jahr im europäischen Durchschnitt erstmals wieder auf 2,6 Prozent gestiegen. Die Quote betrug 2020 in Griechenland 30 Prozent, in Zypern 15,2 Prozent, in Italien 5,1 Prozent, in Frankreich 2,2 Prozent und in Deutschland 1,1 Prozent. „Je nach Verlauf der Corona-Krise könnten die Kreditausfallrisiken sehr schnell anwachsen. Dass Wettbewerber oder Steuerzahler in anderen Mitgliedstaaten die daraus entstehenden Kosten tragen sollten, ist abzulehnen“, zitiert „Institutional Money“, den CEP-Chef Lüder Gerken.

Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten hatten vor der Rede Enrias in einem Bericht ausgeführt: „In Europa rollt eine große Lawine ,fauler Kredite‘ auf die Banken zu. Die Mutter aller Krisen wird erst dann ausbrechen, wenn das Volumen der ,faulen Krediten‘ bekannt wird.“

Aufgrund der erwarteten Nachwehen des Wirtschaftseinbruchs infolge der Virus-Krise gibt es Bestrebungen in Europa, Banken Ausnahmen von den Rückstellungsregeln zu gewähren. Er sei nicht überzeugt, dass eine Verschiebung dieser Vorsorgeregeln die richtige Wahl sei, jetzt wo die wirtschaftliche Erholung einsetze, sagte Enria. „Die Zeit spielt hier eine entscheidende Rolle.“ Dies sei auch der Grund, warum in anderen Ländern wie in den USA, die Vorschriften deutlich kürzere Zeiträume für Banken vorsehen, um faule Kredite vollständig abzuschreiben, meldet „Reuters“.

Hat ein Geldhaus zu viele Problemkredite in seinen Büchern, drückt dies auf die Gewinne. Zudem agieren Banken bei der Vergabe neuer Darlehen an Firmen und Haushalte dann womöglich zurückhaltender. Auf Dauer kann dadurch das Wachstum in einer Volkswirtschaft gebremst werden.

Die EZB hat die Banken im Währungsraum bereits mehrfach aufgefordert, sich auf einen möglichen Anstieg der Wackelkredite infolge der Virus-Krise vorzubereiten. Zeitrahmen für Rückstellungen sind Enria zufolge ein entscheidendes Instrument, um das Problem der faulen Kredite in den Griff zu bekommen. Es sei eine der Lehren aus der letzten Krise gewesen, dass Verzögerungen bei der Anerkennung und Auflösung von notleidenden Darlehen nicht gut seien für Wachstum und Finanzstabilität.

Nach der Euro-Schuldenkrise saßen die Großbanken im Euro-Raum 2014 noch auf faulen Krediten im Volumen von fast einer Billion Euro. Es hat Jahre gebraucht, um diese allmählich abzubauen. Ende 2020 lag bei ihnen die Summe an faulen Krediten noch bei rund 444 Milliarden Euro.

Der Anteil der faulen Kredite dürfte steigen, weil viele Unternehmen wegen der Corona-Krise ihre Kredite nicht mehr begleichen werden. Doch was bedeutet das für das deutsche Banken-System. Fakt ist, dass deutsche und französische Banken sich massiv in Italien und anderen südeuropäischen Ländern engagieren. Es stecken Milliarden an deutschen und französischen Geldern in Italien und anderen Südstaaten. Das Magazin „The Globalist“ hatte vor wenigen Jahren von einer „deutsch-italienischen Banken-Krankheit“ gesprochen.

Da Banken durch die Vergabe von Krediten und Anleihen untereinander stark vernetzt sind, betreffen die Probleme italienischer Banken somit immer auch ausländische Geldinstitute. Man spricht hier von Kreditrisiko (Counterparty-Risk) oder Exposure. Keine traut sich, offen zu sagen, dass es in absehbarer Zeit eine erneute Banken-Rettung aus Steuergeldern in einigen EU-Staaten geben könnte. Die deutschen und französischen Großbanken dürften sich in der Öffentlichkeit am stärksten für eine erneute Banken-Rettung einsetzen.

Wenn die Lawine an faulen Krediten erst einmal zu rollen beginnt, kann sie keine Macht der Welt mehr aufhalten.

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