Die US-Regierung wird ein von der Trump-Administration vor einigen Jahren aufgekündigtes Gesprächsformat mit China nicht reaktivieren. Wie Bloomberg berichtet, lehnen sowohl Präsident Joe Biden als auch Finanzministerin Janet Yellen regelmäßige Wirtschaftskonsultationen zwischen den beiden Seiten ab. Diese hatte es unter den US-Präsidenten George Bush junior und Barack Obama gegeben, sie wurden von Bidens Vorgänger Donald Trump jedoch im Zuge des gegen China lancierten Handelskriegs im Jahr 2018 aufgekündigt.
Obwohl Biden bereits mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping telefoniert und hochrangige Minister zu Treffen mit ihren chinesischen Kollegen geschickt hatte, wird die Ablehnung der Wiederaufnahme regelmäßiger Gespräche von Beobachtern als Indiz für eine sich verfestigende konfrontative Haltung der US-Regierung gegenüber Peking verstanden.
Erst vor wenigen Tagen hatte Biden die in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong tätigen amerikanischen Unternehmen mithilfe von indirekten Warnungen auf seine geopolitische Linie zu bringen versucht. Zudem wurden neue Handelsbeschränkungen gegen chinesische Produkte erlassen und China aus Beratungen über digitale Handelsvereinbarungen ausgeschlossen. „Das Desinteresse an einer Wiedereröffnung jener Gesprächskanäle, die unter Präsident Barack Obama genutzt wurden, ist ein weiterer Hinweis auf Joe Bidens verhärteten Kurs gegenüber China, welcher auf eine fortgesetzte Verschlechterung der Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt hindeutet“, schreibt Bloomberg.
Das als „Strategic Economic Dialogue“ bekanntgewordene Gesprächsformat wurde im Jahr 2006 vom damaligen Finanzminister Henry Paulson ins Leben gerufen, um Minister und Zentralbanker beider Seiten zwei Mal im Jahr zusammenzubringen. US-Präsident Obama führte es als „Strategic and Economic Dialoque“ fort.
Obwohl die Gespräche keine durchschlagenden politischen Initiativen hervorbrachten, sehen Beobachter ihren Wert vor allem darin, miteinander im Gespräch zu bleiben und Themen zwanglos und grundlegend unter Entscheidern zu erörtern. „Ehrlich gesagt ist das ein Fehler. Wir machen einen Fehler, indem wir es unterlassen, einen Weg zu suchen, um mit China ernsthaft und sorgfältig umzugehen. Je mehr wir in Richtung einer Abkopplung treiben, umso mehr riskieren wir es, in noch tiefere Probleme abzugleiten“, zitiert Bloomberg einen ehemaligen US-Botschafter in China, den Demokraten Max Baucus.
Investoren übernehmen die Rolle der Politiker
Bemerkenswert ist, dass die politische Konfrontation beziehungsweise Abwendung beider Seiten voneinander derzeit von einer Annäherung und zunehmenden Vernetzung auf dem Feld der Finanzmärkte aufgefangen wird. Amerikanische Banken, Hedgefonds und Großinvestoren verstärken die Bindungen, indem sie in wachsendem Umfang in Chinas Anleihe- und Aktienmärkten investieren und sogar eigene Gesprächsplattformen unterhalten.
In der Folge wuchs das Volumen der von Ausländern gehaltenen chinesischen Wertpapiere im vergangenen Jahr um rund 40 Prozent verglichen zum Jahr 2019 auf 806 Milliarden US-Dollar, wie die Financial Times berichtet. Von diesen entfallen 578 Milliarden auf den Anleihe- und 228 Milliarden auf den Aktienmarkt. Im Jahr 2019 belief sich das Volumen chinesischer Wertpapiere in ausländischer Hand auf 570 Milliarden Dollar.
Und das Interesse an chinesischen Aktien und Anleihen scheint auch im laufenden Jahr trotz der politischen Spannungen zwischen einigen westlichen Staaten und China ungebrochen stark zu sein: seit Jahresbeginn erwarben Ausländer netto Aktien im Wert von über 35 Milliarden Dollar in China - ein Zugewinn um 49 Prozent verglichen mit dem selben Zeitraum 2020. Bei Staatsanleihen waren es netto 75 Milliarden Dollar - ein Plus von rund 50 Prozent, wie aus Daten der französischen Großbank Crédit Agricole hervorgeht. Die Steigerungsraten sind in beiden Fällen die höchsten seit vielen Jahren.
Es sind zwei Faktoren, die den hohen Kapitalzustrom aus dem Ausland in maßgeblicher Art und Weise anfachen. Zum einen ist China aufgrund eines harten Durchgreifens der Behörden vergleichsweise gut aus der Corona-Pandemie herausgekommen und konnte seinen Wachstumspfad aus der Zeit vor der Krise relativ schnell wiederaufnehmen - genauso wie nach der Finanzkrise von 2008, als es die Weltwirtschaft mit bedeutenden Nachfrageimpulsen versorgte. Die Wirtschaft bietet aus Sicht von Investoren deshalb gute Einstiegsbedingungen. „Entgegen der geopolitischen Rethorik können Sie es sich aus der Perspektive der Vermögensverwaltung nicht leisten, sich den chinesischen Markt nicht anzuschauen“, zitiert die FT einen Händler der Investmentbank China Renaissannce.
Zum zweiten verfolgt die chinesische Regierung seit einigen Jahren eine Politik der schrittweisen Öffnung der Finanzmärkte für Investoren aus Übersee. Diese zeigt nicht nur in Gestalt wachsender Kapitalströme Wirkung, sondern etwa auch im Engagement der großen amerikanischen Vermögensverwalter und Banken im Land, der Aufnahme chinesischer Titel in globalen Anlageindizes und dem Umstand, dass 2020 das erste Jahr in der neueren Geschichte war, in dem China mehr ausländische Direktinvestitionen anziehen konnte als jedes andere Land der Welt.
Wallstreet baut eigenes Gesprächsformat auf
Besonders augenscheinlich symbolisiert eine andere Gesprächsrunde als der auf Eis liegende „Strategic and Economic Dialoque“ den Kontrast zwischen der geopolitischen Ausrichtung der US-Regierung einerseits und der fortgesetzten Annäherung und Vernetzung auf den Finanzmärkten andererseits.
So tauschen sich die großen Banken und Hedgefonds an der Wallstreet seit dem Jahr 2018 in einem eigenen Forum aus. Ziel des „China-US Financial Roundtable“ sei es, technische Möglichkeiten einer vertieften Kooperation auf den Finanzmärkten auszuloten und mit Blick auf das angespannte Verhältnis beider Staaten „guten Willen“ zu demonstrieren. An einer im Oktober 2020 abgehaltenen Telefon-Konferenz haben demnach die an der New Yorker Wallstreet angesiedelten Investmentbanken JP Morgan, Goldman Sachs und Morgan Stanley sowie die Investmentgesellschaften Blackstone, Citadel und Fidelity teilgenommen, berichteten die Deutschen Wirtschaftsnachrichten damals.
Die politische Eiszeit zwischen Washington und Peking und eine zunehmende Abkopplung beider Wirtschaftsgiganten voneinander wird von einem „Tauwetter“ auf den Finanzmärkten begleitet. Möglich ist, dass es letztendlich diese Vernetzung auf geschäftlicher Ebene - die Chinesen haben US-Staatsanleihen im Volumen von über einer Billion Dollar in ihren Büchern - sein wird, welche den Ausbruch schwerwiegenderer Auseinandersetzungen verhindern hilft.