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Wegen Manipulationen: Wahlcomputer bei Bundestagswahl 2021 sind laut Urteil verboten

Lesezeit: 5 min
06.08.2021 11:03  Aktualisiert: 06.08.2021 11:03
Das Bundesverfassungsgericht hatte den Einsatz von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl 2005 für verfassungswidrig erklärt. Sie seien anfällig für Manipulationen. Dieses Urteil gilt auch für die Bundestagswahl 2021.
Wegen Manipulationen: Wahlcomputer bei Bundestagswahl 2021 sind laut Urteil verboten
14.05.2018, Berlin: Wolfgang Krach (l-r), Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, FDP-Vorsitzender Christian Lindner, Bündnis90/Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock und Bundesgesundeitsminister Jens Spahn (CDU) kommen zur Nacht der Süddeutschen Zeitung ins Kulturforum. (Foto: dpa)
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Aus der Pressemitteilung Nr. 19/2009 vom 3. März 2009 des Bundesverfassungsgerichts geht hervor:

Urteil vom 03. März 2009

2 BvC 3/07

Das Bundesverfassungsgericht hat über zwei Wahlprüfungsbeschwerden geurteilt, die sich gegen den Einsatz von rechnergesteuerten Wahlgeräten (sog. Wahlcomputer) bei der Bundestagswahl 2005 zum 16. Deutschen Bundestag richteten (vgl. Pressemitteilung Nr. 85/2008 vom 25. September 2008). Der Zweite Senat hat entschieden, dass der Einsatz elektronischer Wahlgeräte voraussetzt, dass die wesentlichen Schritte der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung vom Bürger zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl (Art. 38 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG), der gebietet, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen, soweit nicht andere verfassungsrechtliche Belange eine Ausnahme rechtfertigen. Danach ist es verfassungsrechtlich zwar nicht zu beanstanden, dass § 35 Bundeswahlgesetz (BWG) den Einsatz von Wahlgeräten zulässt. Die Bundeswahlgeräteverordnung ist jedoch verfassungswidrig, weil sie nicht sicherstellt, dass nur solche Wahlgeräte zugelassen und verwendet werden, die den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Grundsatzes der Öffentlichkeit genügen. Die bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingesetzten rechnergesteuerten Wahlgeräte entsprachen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht den Anforderungen, die die Verfassung an die Verwendung elektronischer Wahlgeräte stellt. Dies führt jedoch nicht zur Auflösung des Bundestages, weil der Bestandsschutz der gewählten Volksvertretung die festgestellten Wahlfehler mangels irgendwelcher Hinweise darauf, dass Wahlgeräte fehlerhaft funktioniert hätten oder manipuliert worden sein könnten, überwiegt. Soweit die Verfahrensgestaltung des Wahlprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages beanstandet wurde, war die Wahlprüfungsbeschwerde erfolglos.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. Die beanstandeten Fehler des Wahlprüfungsverfahrens vor dem Deutschen Bundestag waren erfolglos. Auch wenn das Verfahren zwischen Einlegung des Wahleinspruchs und der Entscheidung des Deutschen Bundestages über ein Jahr gedauert hat, handelt es sich noch nicht um einen schwerwiegenden Verfahrensfehler. Allein die Dauer des Verfahrens entzieht der Entscheidung nicht die Grundlage. Es stellt ebenfalls keinen schwerwiegenden Fehler dar, der der Entscheidung des Deutschen Bundestages die Grundlage entzieht, dass der Wahlprüfungsausschuss von einer mündlichen Verhandlung des Wahleinspruchs des Beschwerdeführers abgesehen und auch im Übrigen nicht in öffentlicher Sitzung beraten hat.

II. Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl, der sich aus den verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen für Demokratie, Republik und Rechtsstaat ergibt, gebietet, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlich überprüfbar sind, soweit nicht andere verfassungsrechtliche Belange eine Ausnahme rechtfertigen. Dabei kommt der Kontrolle der Wahlhandlung und der Ermittlung des Wahlergebnisses eine besondere Bedeutung zu.

Der Einsatz von Wahlgeräten, die die Stimmen der Wähler elektronisch erfassen und das Wahlergebnis elektronisch ermitteln, genügt nur dann den verfassungsrechtlichen Anforderungen, wenn die wesentlichen Schritte von Wahlhandlung und Ergebnisermittlung zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können. Während bei der herkömmlichen Wahl mit Stimmzetteln Manipulationen oder Wahlfälschungen unter den Rahmenbedingungen der geltenden Vorschriften jedenfalls nur mit erheblichem Einsatz und einem präventiv wirkenden sehr hohen Entdeckungsrisiko möglich sind, sind Programmierfehler in der Software oder zielgerichtete Wahlfälschungen durch Manipulation der Software bei elektronischen Wahlgeräten nur schwer erkennbar. Die große Breitenwirkung möglicher Fehler an den Wahlgeräten oder gezielter Wahlfälschungen gebietet besondere Vorkehrungen zur Wahrung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl.

Der Wähler selbst muss ohne nähere computertechnische Kenntnisse nachvollziehen können, ob seine abgegebene Stimme als Grundlage für die Auszählung oder jedenfalls als Grundlage einer späteren Nachzählung unverfälscht erfasst wird. Wird das Wahlergebnis durch rechnergesteuerte Verarbeitung der in einem elektronischen Speicher abgelegten Stimmen ermittelt, genügt es nicht, wenn anhand eines zusammenfassenden Papierausdrucks oder einer elektronischen Anzeige lediglich das Ergebnis des im Wahlgerät durchgeführten Rechenprozesses zur Kenntnis genommen werden kann.

Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, bei den Wahlen elektronische Wahlgeräte einzusetzen, wenn die verfassungsrechtlich gebotene Möglichkeit einer zuverlässigen Richtigkeitskontrolle gesichert ist. Eine ergänzende Kontrolle durch den Wähler, die Wahlorgane oder die Allgemeinheit ist beispielsweise bei elektronischen Wahlgeräten möglich, in denen die Stimmen neben der elektronischen Speicherung anderweitig erfasst werden. Ob es noch andere technische Möglichkeiten gibt, die ein auf Nachvollziehbarkeit gegründetes Vertrauen des Wahlvolks in die Korrektheit des Verfahrens bei der Ermittlung des Wahlergebnisses ermöglichen und damit dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl genügen, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

Einschränkungen der bürgerschaftlichen Kontrollierbarkeit des Wahlvorgangs können nicht dadurch ausgeglichen werden, dass Mustergeräte im Rahmen des Verfahrens der Bauartzulassung oder die bei der Wahl konkret eingesetzten Wahlgeräte vor ihrem Einsatz von einer amtlichen Institution auf ihre Übereinstimmung mit bestimmten Sicherheitsanforderungen und auf ihre technische Unversehrtheit hin überprüft werden. Auch eine umfangreiche Gesamtheit sonstiger technischer und organisatorischer Sicherungsmaßnahmen ist allein nicht geeignet, fehlende Kontrollierbarkeit der wesentlichen Schritte des Wahlverfahrens durch die Bürger zu kompensieren. Denn die Kontrollierbarkeit der wesentlichen Schritte der Wahl fördert begründetes Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit der Wahl erst dadurch, dass die Bürger selbst den Wahlvorgang zuverlässig nachvollziehen können.

Beim Einsatz rechnergesteuerter Wahlgeräte sind keine gegenläufigen Verfassungsprinzipien erkennbar, die eine weitreichende Einschränkung der Öffentlichkeit der Wahl und damit der Kontrollierbarkeit von Wahlhandlung und Ergebnisermittlung rechtfertigen könnten. Der Ausschluss unbewusst falscher Stimmzettelkennzeichnungen, unbeabsichtigter Zählfehler und unzutreffender Deutungen des Wählerwillens bei der Stimmenauszählung rechtfertigt für sich genommen nicht den Verzicht auf jegliche Art der Nachvollziehbarkeit des Wahlakts. Auch der Grundsatz der Geheimheit der Wahl und das Interesse an einer raschen Klärung der Zusammensetzung des Deutschen Bundestages bilden keine gegenläufigen Verfassungsbelange, die als Grundlage einer weit reichenden Einschränkung der Kontrollierbarkeit von Wahlhandlung und Ergebnisermittlung herangezogen werden könnten. Von Verfassungs wegen ist nicht gefordert, dass das Wahlergebnis kurz nach Schließung der Wahllokale vorliegen muss. Zudem haben die vergangenen Bundestagswahlen gezeigt, dass auch ohne den Einsatz von Wahlgeräten das vorläufige amtliche Endergebnis der Wahl regelmäßig innerhalb weniger Stunden ermittelt werden kann.

III. Während die Verordnungsermächtigung des § 35 BWG keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, ist die Bundeswahlgeräteverordnung wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl verfassungswidrig. Die Bundeswahlgeräteverordnung enthält keine Regelungen, die sicherstellen, dass nur solche Wahlgeräte zugelassen und verwendet werden, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine wirksame Kontrolle der Wahlhandlung und eine zuverlässige Nachprüfbarkeit des Wahlergebnisses genügen. Die Bundeswahlgeräteverordnung stellt nicht sicher, dass nur solche Wahlgeräte eingesetzt werden, die bei Abgabe der Stimme eine verlässliche Kontrolle ermöglichen, ob die Stimme unverfälscht erfasst wird. Die Verordnung stellt auch keine konkreten inhaltlichen und verfahrensmäßigen Anforderungen hinsichtlich einer verlässlichen nachträglichen Kontrolle der Ergebnisermittlung. Dieses Defizit kann nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung behoben werden.

IV. Auch die Verwendung der oben genannten elektronischen Wahlgeräte bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag verletzt die Öffentlichkeit der Wahl. Die Wahlgeräte ermöglichten keine wirksame Kontrolle der Wahlhandlung, da wegen der ausschließlich elektronischen Erfassung der Stimmen auf einem Stimmspeichermodul weder Wähler noch Wahlvorstände oder im Wahllokal anwesende Bürger die unverfälschte Erfassung der abgegebenen Stimmen überprüfen konnten. Auch die wesentlichen Schritte bei der Ergebnisermittlung konnten von der Öffentlichkeit nicht nachvollzogen werden. Es reichte nicht aus, dass anhand eines zusammenfassenden Papierausdrucks oder einer elektronischen Anzeige das Ergebnis des im Wahlgerät durchgeführten Rechenprozesses zur Kenntnis genommen werden konnte.

V. Die festgestellten Wahlfehler führen nicht zu einer Wiederholung der Wahl in den betroffenen Wahlkreisen.

Der Wahlfehler, der sich aus der Verwendung von rechnergesteuerten Wahlgeräten ergibt, deren Beschaffenheit mit den Anforderungen an eine wirksame Kontrollierbarkeit des Wahlvorgangs nicht vereinbar war, führt, seine Mandatsrelevanz unterstellt, nicht zur teilweisen Ungültigerklärung der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag. Das Interesse am Bestandsschutz der im Vertrauen auf die Verfassungsmäßigkeit der Bundeswahlgeräteverordnung zusammengesetzten Volksvertretung überwiegt den Wahlfehler, da dessen mögliche Auswirkungen auf die Zusammensetzung des 16. Deutschen Bundestages mangels irgendwelcher Hinweise darauf, dass Wahlgeräte fehlerhaft funktioniert hätten oder manipuliert worden sein könnten, allenfalls als marginal einzustufen sind und auch im Hinblick darauf, dass der festgestellte Verfassungsverstoß bei noch ungeklärter Rechtslage erfolgte, den Fortbestand der gewählten Volksvertretung nicht unerträglich erscheinen lassen.

Das Bundesverfassungsgericht urteilte damit eindeutig gegen den Einsatz von Wahlmaschinen. Der „Deutschlandfunk“ berichtete 2020 im Zusammenhang mit dem Urteil: „Die Sicherheitsforscher haben sich die Software zur Auszählung der Kommunalwahlen in Bayern in diesem Jahr angeschaut und massive Sicherheitslücken aufgetan – technischer sowie organisatorischer Art. Angefangen von der Verwendung unsicherer PCs bis hin zur intransparenten Funktionsweise von Zählsoftware. Das heißt, das Prinzip, wie Zählsoftware welche Stimmergebnisse wie zuordnet und addiert, bleibt letztendlich unklar.“


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