Finanzen

Krankenkassen: Anfang 2022 kommen „massive Beitragserhöhungen auf breiter Front“

Das System der gesetzlichen Krankenversicherung ist in eine gefährliche Schieflage geraten. Die Kassen sind leer, alle Rücklagen aufgebraucht.
01.09.2021 11:03
Aktualisiert: 01.09.2021 11:03
Lesezeit: 2 min

Der Vorstandschef der Krankenkasse Barmer, Christoph Straub, hat vor steigenden Beiträgen gewarnt. "Wenn die große Koalition ihr mit der Sozialgarantie gegebenes Versprechen halten will, die Sozialbeiträge stabil bei 40 Prozent zu halten, dann muss der Steuerzuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung noch vor der Wahl deutlich angehoben werden", sagte Straub dem Redaktionsnetzwerk Deutschland Mitte August. Die bisher zugesagte Erhöhung um sieben Milliarden Euro reiche nicht aus. "Nötig ist eine Aufstockung in der Größenordnung von weiteren sieben Milliarden Euro", so Straub. "Ansonsten drohen Anfang 2022 massive Beitragserhöhungen auf breiter Front.

Die Rücklagen der Kassen sind weitgehend aufgebraucht, die Reserven des Gesundheitsfonds sind auch weg. Eine neue Koalition habe nach der Wahl angesichts einer wahrscheinlich langwierigen Regierungsbildung gar keine Chance, bis zum Jahresende eine Lücke in dieser Dimension zu schließen. Straub rief die Regierung daher auf, noch vor der Wahl Ende September zu handeln.

Das Bundeskabinett hatte Anfang Juni beschlossen, dass die gesetzliche Krankenversicherung für 2022 zunächst einen zusätzlichen Zuschuss von sieben Milliarden Euro erhält. Bei Bedarf soll der Steuerzuschuss so erhöht werden, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag das heutige Niveau von 1,3 Prozent nicht übersteigt.

Die konkrete Höhe des Zusatzbeitrags legen die Kassen jeweils selbst für ihre Mitglieder fest. Sie können dabei vom Durchschnitt abweichen. Im Schnitt war der Aufschlag auf den allgemeinen Satz bereits in diesem Jahr wegen der gestiegenen Kosten der Corona-Krise um 0,2 Prozentpunkte gestiegen. Der Gesamtbeitrag umfasst den allgemeinen Satz von 14,6 Prozent und den kassenindividuellen Zusatzbeitrag.

Krankenkassen rutschen ins Minus

Die gesetzlichen Krankenkassen waren im vergangenen Jahr auch angesichts der Corona-Krise tiefer ins Minus gerutscht. Insgesamt wurde ein Defizit von 2,65 Milliarden Euro ausgewiesen, wie das Bundesgesundheitsministerium im März nach vorläufigen Zahlen mitteilte. Im Jahr 2019 hatte das Minus bei 1,5 Milliarden Euro gelegen. Beim Gesundheitsfonds als Geldsammel- und Verteilstelle der Kassen stand jetzt ein Defizit von 3,49 Milliarden Euro.

Minister Jens Spahn (CDU) sagte, die Corona-Pandemie habe auch die Entwicklung der Bilanzen im vergangenen Jahr geprägt. Die Zahlen zeigten zugleich, dass es durch einen zusätzlichen Bundeszuschuss aus Steuergeld und den Abbau von Finanzreserven gelungen sei, dass Beitragszahler und Arbeitgeber nicht übermäßig belastet worden seien. Die Beiträge stabil zu halten, sei auch Ziel mit Blick auf das laufende Jahr.

Insgesamt stiegen die Einnahmen der Kassen den Angaben zufolge um vier Prozent auf 260 Milliarden Euro - die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten ebenfalls um vier Prozent auf 262,6 Milliarden Euro. Aus dem Gesundheitsfonds flossen demnach zur Bewältigung der Corona-Pandemie 12,2 Milliarden Euro, etwa für Ausgleichszahlungen für frei gehaltene Klinikbetten, Corona-Tests und Schutzmasken. Davon erstattete der Bund 9,9 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds.

Der Zuwachs der Beitragseinnahmen sei erheblich kleiner als in den Vorjahren ausgefallen. Deshalb sei es wichtig gewesen, dass der Bund die Einnahmen des Gesundheitsfonds durch einen Zuschuss aus Steuermitteln von 3,5 Milliarden Euro stabilisiert habe, erläuterte das Ministerium.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Politik
Politik Deutschland befindet sich in der größten Rentenkrise seit dem Zweiten Weltkrieg
22.12.2025

Hinter dem Fachkräftemangel wächst eine Rentenlücke, die Deutschlands Wohlstand und Europas Stabilität bedroht. Ein Topökonom warnt...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis auf Rekordhoch: Warum Gold zum Jahresende explodiert
22.12.2025

Gold glänzt wie lange nicht mehr. Der Goldpreis markiert neue Rekorde, während Unsicherheit, Notenbanken und geopolitische Risiken die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OECD: Aufstieg im Arbeitsmarkt für Zugewanderte besonders schwer
22.12.2025

Der OECD-Migrationsausblick 2025 zeigt, wie groß der Einkommensabstand zwischen Zugewanderten und Einheimischen in Deutschland ausfällt....

DWN
Panorama
Panorama Wirtschaftskrise durchkreuzt Winterurlaubspläne der Deutschen
22.12.2025

Hohe Preise, unsichere Konjunktur und veränderte Prioritäten prägen den Winter. Die Wirtschaftskrise zwingt viele Deutsche zu neuen...

DWN
Politik
Politik Staatsmilliarden für E-Autos: Warum Kaufprämien den Markt nicht stabilisieren
22.12.2025

Ab 2026 soll der Kauf von Elektroautos staatlich bezuschusst werden. Die Erfahrung aus Ländern wie Norwegen und Australien zeigt jedoch,...

DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt Tesla-Aktie kaufen? Welche Erwartungen Investoren an Elon Musk haben
21.12.2025

Visionäre Unternehmer haben an den Kapitalmärkten immer wieder ganze Branchen neu geordnet. Ob Tesla-Aktien weiterhin von technologischem...

DWN
Panorama
Panorama Gaudís Sagrada Família: Der höchste Kirchturm der Welt
21.12.2025

Barcelona feiert 2026 die Architektur – und ein Turm der Sagrada Família soll Geschichte schreiben. Doch hinter dem Rekord stecken Geld,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Leadership-Coach Lars Krimpenfort: „Klopp ist ein gutes Beispiel für klare Führung unter Druck“
21.12.2025

Im Mittelstand steigen die Belastungen gefühlt täglich. Wie gelingt es Führungskräften dennoch, unter Druck richtig zu entscheiden?...